PC Games vs. GameStar: Petra Fröhlich zu 25 Jahren Konkurrenzkampf

Als langjährige Kapitänin auf der Brücke von PC Games hat Petra Fröhlich den »Kalten Krieg« zwischen den beiden großen PC-Spielemagazinen von Anfang an miterlebt – und befeuert.

Petra Fröhlich war langjährige Chefredakteurin von PC Games. Petra Fröhlich war langjährige Chefredakteurin von PC Games.

Update vom 3. Oktober 2022: Dieser Artikel erschien ursprünglich zum 20-jährigen Jubiläum von GameStar im Jahr 2017. In Absprache mit Petra veröffentlichen wir ihn noch einmal in aktualisierter Form.

»Okay, ich hab verstanden, dass wir die Nummer 1 verlieren, wenn wir jetzt nichts tun. Und was passiert, wenn wir Geld in die Hand nehmen und mehr Hefte drucken?«, fragte ich den Vertriebsleiter. Und er so: »Dann sitzen wir in drei Monaten wieder hier.« In diesem Moment fühlte ich mich wie ein Passagier auf der Titanic, dem der Konstrukteur sagt: »Das Schiff wird sinken. Das ist eine mathematische Gewissheit.«

Kurz darauf - es muss so ums Jahr 2000 gewesen sein - war der GameStar-Auflagenbalken zum ersten Mal höher als der von PC Games. Ich war erst kurz zuvor in die Chefredaktion auf- und eingerückt und der absehbare Verlust der Pole Position verursachte körperliche Schmerzen.

Denn für mich war PC Games immer die Nummer 1, in jeder Hinsicht - selbst die Personalnummer auf meinem damaligen Arbeitsvertrag lautete »001". Als ich im November 2014 meinen Redaktions-PC herunterfuhr, hatte ich mehr als mein halbes Leben bei ein- und demselben Unternehmen verbracht.

Mehr persönliche Geschichten zu unserem 25-jährigen Jubiläum aus der Redaktion und darüber hinaus findet ihr hier:

Die Autorin
Petra Fröhlich (43) war über 22 Jahre durchgehend Bestandteil der Redaktion von PC Games - von 2000 bis 2014 im Amt der Chefredakteurin. In dieser Zeit hat sie den Aufstieg vieler großer Spielemarken hautnah miterlebt, von Call of Duty über Minecraft bis World of Warcraft. Im Juli 2016 startete Fröhlich das Nachrichtenmagazin GamesWirtschaft.de, inzwischen eines der führenden deutschsprachigen B2B-Angebote mit Schwerpunkt Computerspiele.

Gefahr in Verzug

Beim Marktstart der GameStar im September 1997 war ich noch gewöhnliche Redakteurin. Der neue Gegner wurde von Minute 1 an sehr, sehr ernst genommen. Allein durch PC Welt galt IDG auch in Deutschland als Verlag, der nicht kleckerte, sondern klotzte. Und in der Tat: GameStar änderte 1997 nicht nur die Spielregeln, nein - GameStar änderte das ganze Spiel. Während das »Traumschiff GameStar« weitgehend unbeeindruckt seine Bahnen zog, herrschte auf unserem Flugzeugträger namens Computec stets hektische Betriebsamkeit: Immer unter Volldampf, immer Abteilung Attacke, immer auf Krawall gebürstet.

Die GameStar-Erstausgabe (links) erscheint vier Tage vor der neuen PC Games – ein kalkuliertes Manöver, um am Kiosk aktueller zu sein. Die GameStar-Erstausgabe (links) erscheint vier Tage vor der neuen PC Games – ein kalkuliertes Manöver, um am Kiosk aktueller zu sein.

Wir rechneten damit, dass viele PC-Player-Fans mit fliegenden Fahnen zu GameStar wechseln - zusammen mit PC-Player-Heroen wie Jörg Langer, Heinrich Lenhardt, Toni Schwaiger und Mick Schnelle. Und tatsächlich begann mit dem Eintritt von GameStar der Anfang vom Ende der PC Player. Jörg hatte eine Redaktion zusammengestellt, die mehr als doppelt so groß und gefühlt drei Mal so teuer war wie unsere. Spätestens die GameStar-Nullnummer, die uns auf einer Messe in die Hände fiel, ließ die Alarmglocken bimmeln: Layout, Ausstattung, Konzept, Preis, Team, Vollversion - hier war echte Gefahr im Verzug.

Hin und her macht Taschen leer

Mein Arbeitgeber wollte weiterhin im »driving seat« sitzen, also bestimmen, wie schnell sich der Spielezeitschriften-Markt bewegt - und in welche Richtung. Und wir änderten viel und pausenlos. Heftpreise. Ausstattung. Papierqualität. Layout. Wertungskästen. Wertungssysteme. Umfänge. Titelseiten. Heftvarianten. Redaktionen wurden zeitweise zusammen- und auseinandergelegt.

Erscheinungstermine wanderten nach vorne und wieder zurück, sobald die Konkurrenz nachgezogen war. Wir ließen die Titelseiten mit Metallicfolie von einer Geschenkpapierfirma »veredeln«. Wir dachten uns Booklets, Tastaturschablonen und Poster aus. Später produzierten wir Tausende Gothic-3-Schlüsselbänder und nannten diese Wundertüte»PC Games Premium«. In der Übergangszeit zwischen CD und DVD gab es das Heft mit drei (!) Datenträgern vorübergehend für 4,99 Euro - ein Wahnsinn.

Jahrelang liefern sich GameStar und PC Games einen Wettlauf um Exklusivgeschichten. Mit dem ersten Exklusivtest setzt sich GameStar jedoch in die Nesseln: Das Strategiespiel Demonworld bekommt 84 Punkte – und erscheint danach völlig verbuggt. Der deutsche Entwickler Ikarion hatte eine unfertige Vorab-Testversion vorbeigebracht und versprochen, dass er das noch hinkriegt«. Jahrelang liefern sich GameStar und PC Games einen Wettlauf um Exklusivgeschichten. Mit dem ersten Exklusivtest setzt sich GameStar jedoch in die Nesseln: Das Strategiespiel Demonworld bekommt 84 Punkte – und erscheint danach völlig verbuggt. Der deutsche Entwickler Ikarion hatte eine unfertige Vorab-Testversion vorbeigebracht und versprochen, dass er das noch hinkriegt«.

»Hin und Her macht Taschen leer«, pflegte unser Verlagsgründer in solchen Momenten zu sagen. Übersetzt: Permanentes Rumdoktern verbrennt nur Geld. Doch es ging heiter weiter. Der Konkurrenz wurde das Schwarze unter den Fingernägeln nicht gegönnt - es war deutlich mehr als »nur« ein sportlicher Wettkampf. Denn für die Alphatiere in beiden Verlagshäusern ging es um die Sitzplätze auf dem Affenfelsen, sprich: um die Deutungshoheit in der Spielerepublik Deutschland.

25 Jahre GameStar: Blättern mit Jörg Langer - Folge 1: Die Gründungzeit der GameStar Video starten 6:54 25 Jahre GameStar: Blättern mit Jörg Langer - Folge 1: Die Gründungzeit der GameStar

Einstweilige Verfügungen und andere Grausamkeiten

Das färbte auf die Redaktion ab. In Editorials verunglimpften wir uns wechselseitig - freilich, ohne Namen zu nennen. Aber jeder wusste, wer gemeint ist. Insbesondere um Exklusiv-Titelgeschichten, Exklusiv-Tests, Exklusiv-Demos und Vollversionen entspann sich ein Hauen und Stechen. Ein ums andere Mal fühlte man sich wie in einem John-Grisham-Roman.

Beispiel: Eines Tages hatten wir die GameStar-Chefredaktion vorsorglich via Fax und E-Mail darüber informiert, dass wir uns die Demo eines Taktik-Shooters exklusiv für den Vertrieb auf Heft-DVDs gesichert hatten. Die Demo kursierte bereits im Netz und wir wollten uns absichern, dass unsere Konkurrenz die Datei nicht »versehentlich« einfach auf die DVD packt. Unser Schreiben schickten wir zum spätestmöglichen Zeitpunkt vor dem Datenträger-Abgabetermin ab, um maximale Hektik zu verursachen.

Die PC Games hat sich zwar den deutschen Exklusivtest von Tomb Raider 4 gesichert, doch die GameStar testet es ebenfalls – in der englischen Version. Denn Tomb Raider 4 ist in den Staaten etwas früher erschienen, US-Korrespondent Heinrich Lenhardt konnte es einfach kaufen. Die PC Games hat sich zwar den deutschen Exklusivtest von Tomb Raider 4 gesichert, doch die GameStar testet es ebenfalls – in der englischen Version. Denn Tomb Raider 4 ist in den Staaten etwas früher erschienen, US-Korrespondent Heinrich Lenhardt konnte es einfach kaufen.

Wir waren uns sehr sicher, dass wir hier ein echtes Pfund in Händen hatten, einen »Heftverkäufer«. Im Falle der Zuwiderhandlung hätte unsere Geschäftsführung sicher auch juristische Schritte eingeleitet - etwa die gefürchtete »Einstweilige Verfügung«, eines der schärfsten Schwerter, weil es die Auslieferung eines Hefts ausbremst. GameStar antwortete nicht, wir waren guter Dinge, dass alles nach Plan läuft.

Am Tag, als die neuen Ausgaben erscheinen sollten, erreichte uns ein Fax aus München. Darin stand sinngemäß: »Vielen Dank für die irrsinnig wertvolle Information, dass PC Games die deutschsprachige Version exklusiv hat - glücklicherweise hat sich die GameStar-Redaktion für die englische Version entschieden.« Die Nachricht löste bei uns blankes Entsetzen aus. Wie sich herausstellen sollte, wusste der zuständige Spielehersteller nichts vom GameStar-Stunt, aber er konnte (oder wollte) es auch nicht verhindern. Es blieb bei So-geht-das-aber-nicht-Anrufen.

Im Frühling 2000 überflügeln die Heftverkäufe der GameStar erstmals die der PC Games, Jörg Langer feiert das im Editorial. Im Frühling 2000 überflügeln die Heftverkäufe der GameStar erstmals die der PC Games, Jörg Langer feiert das im Editorial.

Das rote Telefon

Drohungen, juristische Finten, geheime Absprachen - die Zeit war nichts für schwache Nerven. Die Situation sollte sich erst entspannen, als mit Gunnar Lott und Michael Trier neue Chefredakteure am Ruder waren. In dieser Zeit entstand die schöne Tradition des roten Telefons: Wann immer ein Spielehersteller den Versuch wagte, unsere Redaktionen gegeneinander auszuspielen, genügte ein kurzes Telefonat, um eine Bestätigung für gefühlte Wahrheiten zu bekommen.

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Wir kannten unsere PR-Pappenheimer - und ihre miesen Tricks. Kostprobe: »Unsere wahnsinnig wichtige Neuheit bekommt bei euch 'nur' eine 87-Prozent-Wertung? Die GameStar vergibt 92 Prozent! Und nen Award! Unverschämtheit, wir stellen die Zusammenarbeit ein!« Dank des roten Telefons stellte sich oft genug heraus, dass mein Kollege sich einen gleichlautenden Text hatte anhören dürfen, nur mit umgekehrten Vorzeichen.

Über die Jahre ziehen PC Games und GameStar immer wieder ihre Erscheinungstermine vor, um am Kiosk die »Ersten« zu sein. Daher passen auch die Ausgabennummern immer weniger zum eigentlichen Monat: GameStar 052011 etwa kommt bereits im März. Erst 2013 gleicht GameStar diesen Umstand mit einer 13. Ausgabe aus. Über die Jahre ziehen PC Games und GameStar immer wieder ihre Erscheinungstermine vor, um am Kiosk die »Ersten« zu sein. Daher passen auch die Ausgabennummern immer weniger zum eigentlichen Monat: GameStar 05/2011 etwa kommt bereits im März. Erst 2013 gleicht GameStar diesen Umstand mit einer 13. Ausgabe aus.

Hoch die Hände, Wochenende

Was mich über all die Jahre in meiner journalistischen Eitelkeit am meisten packte: GameStar erschien nach außen stets »aktueller«, weil das Heft nur einen gefühlten Steinwurf entfernt gedruckt wurde und deshalb zwei, drei Tage mehr Zeit hatte, meist übers Wochenende. Während wir die Seiten bereits abgegeben hatten, wurde in München oft noch getestet. Der »echte« Redaktionsschluss ließ sich recht präzise daran ablesen, ob bestimmte News-Meldungen noch im Heft stattfanden.

Ich weiß nicht, wie oft ich bei meinem Produktionsleiter auf der Matte stand und rumquengelte, ob er nicht doch eine Minimalchance sähe, diesen Wettbewerbsnachteil auszugleichen. Auf die immer gleiche Frage gab es die immer gleiche Antwort: Ja, es gibt eine Möglichkeit, aber die hat ihren Preis. Und weil die Auflagen sanken und gleichzeitig die Online-Konkurrenz stieg, war dieser Preis vor allem eines: zu hoch.

Als Rivalin am Kiosk hat mir die GameStar über viele Jahre manch schlaflose Nacht bereitet. Möge dies der Redaktion mit Blick auf ihre Mitbewerber auch künftig gelingen. Happy Birthday, GameStar!

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