Gute Idee? Schlechte Idee! - Fünf gescheiterte Spiel-Einfälle

Es gibt Spielmechanismen, die sind wie Knäckebrot im Toaster: Die Idee leuchtet einem sofort ein. Bis die Küche brennt. Wir erklären fünf wunderbare Konzepte, die nicht funktionieren.

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Man müsste einmal die Seiten tauschen: Man müsste sich in die Position eines Spieldesigners versetzen und an seiner Stelle darüber nachdenken, wie man diese verdammten Probleme löst. Diese Probleme, die daraus entstehen, dass Spiele Spaß machen sollen, und zwar möglichst lang, möglichst viel und möglichst kontinuierlich.

Aber da ist diese verflixte Freiheit, dieser unberechenbare Spieler! Was, wenn er in einem Rennspiel zu schlecht fährt oder das Feld weit hinter sich lässt? Das macht keinen Spaß. Das ist ein Problem. Wie löst man das? Was, wenn er in einem Shooter oder Rollenspiel in Gebiete zurückkehrt, die er schon besucht hat? Leere Räume, Langeweile. Wie variiert man das Spielgeschehen, wie reißt man den Spieler mit, wie bietet man ihm ständig angemessene Herausforderungen? Es gibt darauf gute Antworten und ganz einfache, zum Beispiel Schlauch-Shooter wie die Call of Duty-Spiele: Wo keine Freiheit existiert, kann der Spieler auch nichts falsch machen. Aber das ist unoriginell. Oder GTA 4, wo die Welt an jeder Ecke vollgepackt ist mit Erlebnissen. Aber das ist teuer.

Gelegentlich suchen Firmen deshalb nach dem einen Modell, dem einen cleveren Konzept, das ihr Spiel aus der Masse heraushebt. Mit dem man werben kann. Bei dem jeder, der es hört, instinktiv sagt: Mensch, das ist ja eine gute Idee! Die Gegner passen sich der eigenen Spielstärke an? Genial! Nur dass es nicht stimmt. Die Patentlösung entpuppt sich als Spaßbremse. Sie beseitigt ein Problem, kein Zweifel. Aber keiner hat daran gedacht, dass sie damit ein neues Problem erschafft. Aus einer guten Idee wird plötzlich eine ziemlich schlechte. Im Nachhinein sagen alle: Was für ein Quatsch! Welcher Teufel hat euch denn da geritten?! Wir stellen fünf solche Teufel vor, die sich als Engel tarnen. Fünf klassische gute Ideen des Spieldesigns, bei denen sich herausstellt: Sie kosten mehr Spaß, als sie bringen.

Die Gummiband-KI

Die Ziellinie nähert sich rasend schnell, nur noch wenige Sekunden trennen uns vom Sieg. Plötzlich ein Knall, kreischendes Metall, die Fenster bersten – wir sind mit 300 Sachen in den Gegenverkehr gebrettert. Als wäre das nicht schon schlimm genug, rauschen auch noch die Konkurrenten an uns vorbei und aufs Siegertreppchen. Wie konnten uns die KI-Gegner so schnell noch überholen? Wir hatten doch zu Beginn des Rennens für eine hübsche Massenkarambolage gesorgt, um dann breit grinsend die komplette Konkurrenz hinter uns zu lassen!

Need for Speed: Hot Pursuit In Hot Pursuit klebt uns die KI durchgehend am Auspuff.

Nail'd Egal wie gut wir fahren, einen merklichen Vorsprung können wir in Nail'd nicht herausfahren.

Schuld an der Misere: das Gummiband-Prinzip, kürzlich wieder erlebt in Need for Speed: Hot Pursuitund Nail’d. Gegner kleben penetrant an unserer Stoßstange und lassen sich trotz fingerverknotenden Fahrkünsten nicht abschütteln. Kommen die Computerpiloten nicht hinterher, dann beamen sie sich sogar außer Sicht wieder in Reitweite. Eine gut klingende Idee, sorgt sie doch für dynamische Rennen bis zur letzten Sekunde. Die Mechanik funktioniert sogar einsteigerfreundlich, denn wenn wir schnarchnasig über die Piste rollen, dann machen auch die Gegner auf Sonntagsfahrer oder knallen häufiger in Hindernisse.

Tatsächlich bremst die Gummiband-KI den Spielspaß aber oft rapide aus. Wer genießt nicht gerne den Triumph, mit einer halben Minute Vorsprung über die Ziellinie zu rauschen? Keine Frage, eine Rennspiel-KI muss den Spieler fordern. Doch das sollte sie mit Köpfchen und nicht durch Schummelei tun. Dann bleiben uns auch Frustmomente wie der knapp verpasste Sieg erspart.

Mitwachsende Gegner

Es gibt eine Handvoll Spiele, in denen die Gegner mit der Stärke des Spielers mitwachsen, zum Beispiel Sacred 2oder Final Fantasy 8. Aber der notorischste Fall ist das Rollenspiel The Elder Scrolls 4: Oblivion. Wohin auch immer man in der Spielwelt Cyrodiil geht, es warten dort Feinde, die dem eigenen Charakterlevel entsprechen.

TES 4: Oblivion Oblivion ersetzt Ratten später automatisch durch stärkere Kreaturen.

Fallout 3 Für Fallout 3 hat Bethesda den Gegnerlevel in jeder Region begrenzt.

Final Fantasy 8 Squall & Co treffen in Zufallskämpfen auf mitlevelnde Monster.

Die Idee hinter dem Konzept des »Level Scaling« ergibt durchaus Sinn: Weil Oblivion Wert auf eine offene, frei zugängliche Welt legt, in der der Spieler bis in die letzten Winkel laufen kann, muss es sicherstellen, dass er dort auch etwas Interessantes findet. In vorgegebenen Welten wie denen der Gothic-Serie besteht die Gefahr, dass der Held einerseits gegen Feinde anrennt, die er noch nicht bezwingen kann, oder andererseits erst spät im Spiel Einsteiger-Dungeons entdeckt, in denen für ihn zu diesem Zeitpunkt keine brauchbaren Dinge mehr liegen.

Was nach einem fairen System klingt, hat gleich drei Haken. Erstens führt die mitwachsende Welt in Oblivion dazu, dass die sowieso schon generischen Regionen vollends austauschbar werden, denn überall trifft man auf den gleichen, gerade aktuellen Typ Feinde. Zweitens lässt sich der stän dige Kontakt mit starken Gegnern nur dann effektiv abwehren, wenn man sich auf Kampftalente konzentriert; wer eher als Händler oder Dieb spielt, stellt fest, dass er mit jedem Levelaufstieg schlechter wird anstatt besser. Drittens geht Oblivion eine wichtige Motivation verloren: durch Geschick und Ausdauer Feinde zu besiegen oder mächtige Ausrüstung zu bergen, für die man eigentlich noch gar nicht bereit wäre. Das existiert in Oblivion genausowenig wie die simple Befriedigung, eine einstmals gefährliche Ratte mit einem Streich umzuhauen und zu wissen: Ich bin durch meine Abenteuer stärker geworden.

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