Horizon Forbidden West: Wer Aloys Aussehen kritisiert, hat Spiele nie wirklich geliebt

Ein neuer Trailer zeigt 15 Minuten Gameplay von Horizon 2, am meisten wird über das Aussehen der Heldin diskutiert, und Heiko versteht die Welt nicht mehr.

Er schiebt einen ordentlichen Ranzen vor sich her, trägt einen fiesen Backenbart, sieht brutal versoffen aus … und ist die Spielfigur, mit der ich mich in den letzten Monaten mit Abstand am meisten identifiziert habe.

Es geht um den Helden von Disco Elysium, der für vieles steht, aber sicher nicht für Schönheitsideale - und es könnte mir kaum egaler sein.

Warum ich da gerade wieder dran denken muss? Weil in Tausenden Twitter-Tweets gerade ebenso ernsthaft wie kontrovers darüber diskutiert wird, ob Aloy - die Heldin von Horizon - im neuen Trailer zum zweiten Serienteil "zu maskulin" wirken würde oder gar zugenommen hätte.

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Natürlich gibt's auch gleich Alternativvorschläge, deren Absurdität der Kollege SkillUp alias Ralph Panebianco sehr schön auf den Punkt bringt:

Link zum Twitter-Inhalt

Mal abgesehen von solch diskutablen Schönheitsidealen will mir schlicht nicht in den Kopf, warum manche Menschen nichts Besseres zu tun haben, als beim ersten Gameplay-Trailer das Aussehen der Heldin zu kritisieren. Wer so denkt, kann für mich Spiele nie wirklich geliebt haben.

Der Autor

GameStar-Chefredakteur Heiko war schon als junger Metalhead irritiert darüber, wenn Äußerlichkeiten eine größere Rolle spielten als der Inhalt. Erinnert sich noch jemand an den Shitstorm rund um Metallica, als sie es 1996 wagten, plötzlich mit Kurzhaarfrisur aufzutreten? In Spielen könnte ihm Geschlecht oder Aussehen der Helden kaum egaler sein, viel wichtiger sind ihm die Charaktereigenschaften und Hintergründe der Figuren. Eben wie in Disco Elysium oder Horizon: Zero Dawn. Aber auch Red Dead Redemption 2 und das letzte God of War haben ihn diesbezüglich beeindruckt.

Warum mich das Aussehen bei Spielfiguren nicht interessiert

Wer eine Kunstform liebt, der respektiert auch dessen Künstler - egal ob bei Literatur, Film, Musik oder eben Computerspielen. Und zum Respekt gehört für mich vor allem, erst einmal davon auszugehen, dass sich bei der Kunst etwas gedacht wurde.

Noch weiß niemand außerhalb des Entwicklerstudios, warum Aloy so aussieht wie im Trailer, was sie zum Beispiel seit dem ersten Serienteil Horizon Zero Dawn alles erlebt hat. Und bei einem Spiel, das viel Wert auf seine Charakterzeichnung legt, ist genau das für mich die eigentlich spannende Frage.

Videospielfiguren müssen doch nicht zwangsläufig irgendwelchen traditionellen Vorstellungen von Geschlecht, Charakter und Äußerlichkeiten gerecht werden, damit ich mich mit ihnen identifizieren kann. Viel wichtiger ist für mich, dass sie und ihre Motive in die Welt und zur Geschichte passen.

Spiele sollen meinen Horizont erweitern, statt mir immer nur das zu geben, was ich kenne, erwarte oder hundertmal gespielt habe. Ich will in fremde, ungewohnte und - ja - vielleicht auch unbequeme Rollen schlüpfen, den langweiligen Heiko spiele ich in der Realität schon mehr als genug.

Genau deshalb liebe ich es, in Disco Elysium einen alkoholsüchtigen, von Selbstzweifeln zerfressenen Cop zu spielen! Genauso wie ich es geliebt habe, Aloy in Horizon Zero Dawn zu spielen - nicht wegen ihres Aussehens, sondern wegen ihrer interessanten Geschichte und ihres sympathischen Charakters. Und ich würde mir wünschen, dass häufiger darüber diskutiert wird als über Oberflächlichkeiten.

Haben wir nichts Wichtigeres zu diskutieren?

Nein, nicht jedes Spiel benötigt die Charaktertiefe eines Disco Elysium. Und ja, Spiele können auch dann Spaß machen, wenn die Heldin oder der Held nur stumpfe Haudraufs sind, die den gängigen Schönheitsidealen entsprechen. Was immer die auch sein mögen.

Natürlich ist es grundsätzlich auch legitim, das Aussehen von Spielfiguren zu kritisieren. Aber mich ärgert es, wenn es den Diskurs derart dominiert, wie es gerade bei Horizon 2 der Fall ist. Es gibt so viele andere interessante und durchaus diskussionswürdige Sachen im Trailer zu entdecken.

Auf mich persönlich wirkte zum Beispiel das Kampfsystem recht überfrachtet, und ich bin gespannt, ob es sich mit all den Fähigkeiten und Gadgets noch genauso flüssig spielen wird wie im ersten Teil. Schaut euch einfach mal das Preview-Video von Jonas an, wie viel es da zu entdecken gibt!

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Stattdessen steht die angebliche Pausbäckigkeit von Aloy im Mittelpunkt des Interesses. Ernsthaft? Wer Spiele wirklich liebt, sollte sich doch darüber freuen, dass die bevorzugte Kunstform immer facettenreicher wird, unsere Gesellschaft immer umfassender abbildet und dadurch auch immer mehr Menschen abholt, die sich von unserem Lieblingshobby repräsentiert fühlen.

Niemandem wird etwas weggenommen - wer lieber Frauen mit Model-Maßen spielen möchte, hat nach wie vor mehr als genug Auswahl.

Die Künstler entscheiden, wie ihre Kunst aussehen soll. Und wir entscheiden, ob wir bereit sind, dafür Geld auszugeben. Ende der Geschichte. Können wir uns dann bitte jetzt wieder über das Spiel unterhalten statt über Aloys Aussehen?

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