I am Bread - Einen Toast auf das Brot!

Die Weißbrot-Simulation I am Bread klingt nach dämlichem Youtube-Klamauk, bringt Michael Graf aber ganz schön ins Schwitzen. Und beweist so, dass sich Witzspiel und Spielwitz nicht ausschließen.

Was ist... I am Bread? - Angespielt-Video zum - nunja - Brotsimulator Video starten 11:48 Was ist... I am Bread? - Angespielt-Video zum - nunja - Brotsimulator

Es gibt Tage, da spüre ich, womit ich mein tägliches Brot verdiene. Etwa, wenn ich drei Artikel, vier Videos und fünf Telefonate jongliere, die eigentlich alle schon gestern hätten erledigt sein müssen. Und dann gibt es Tage, da verdiene ich kein Brot - sondern spiele eins. Genauer gesagt, eine Scheibe Weißbrot, die ich in I am Bread durch eine Wohnung bugsiere, weil sie doch so gerne Toast werden möchte. Und dabei grinse ich nicht nur wie ein Pfefferkuchenmann auf Speed, sondern bekomme vor lauter Anspannung sogar schwitzige Hände! Bitte lesen Sie die beiden letzten Sätze noch mal, schütteln Sie den Kopf und seufzen Sie: »Ist der Graf noch ganz gebacken?«

Klar, I am Bread klingt nach klassischem Let's-Play-Futter, nach Hype-Klamauk ohne spielerischen Nährwert. Der Trailer verzeichnet über 1,2 Millionen Youtube-Aufrufe, die jüngst veröffentlichte Early-Access-Version (10 Euro) semmelte auf Anhieb auf Platz sieben der Steam-Verkaufscharts.

Das Interesse kommt nicht von ungefähr, I am Bread stammt von den (natürlich) britischen Bossa Studios, den Entwicklern der irrwitzigen Ärztepfusch-Fummelei Surgeon Simulator, die 2013 zum Let's-Play-Kult avancierte und über eine Million Käufer fand. Wenn ihn die richtigen Youtuber präsentieren, verkauft sich eben selbst Quatsch wie geschnitten … ich denke, wir verstehen uns. Doch I am Bread beweist nun, dass sich Witzspiel und Spielwitz nicht ausschließen müssen.

Die Brot gewordene Spannung

Nun habe ich ja kein Problem mit Witzspielen, im Gegenteil, der Surgeon Simulator und der Goat Simulator haben schon so manch lahme Party gerettet. Überraschenderweise jedoch ist I am Bread nicht nur dumm wie Brot, sondern tatsächlich auch - ein Spiel, ein spannendes Spiel sogar! Also gut, wie funktioniert das? Meine Brotscheibe kann über den Boden rutschen und sich mit ihren vier Ecken an Flächen und Gegenständen festsaugen. Dann kann ich hin und her schwingen oder um den Haltepunkt rotieren. So erklimme ich Wände und Regale, robbe über Stühle und Tische.

Klingt einfach? Haha! Zum Festhalten muss ich für jede Ecke eine andere Taste (unbedingt mit dem Gamepad spielen!) gedrückt halten, was schon alleine in Fingerverknotung ausartet. Und dann auch noch in Fingerverknotung mit Zeitlimit, ich kann mich nämlich nicht ewig lange festhalten, dem Brot geht schnell die Puste aus. Das erzeugt Spannung - und Erfolgserlebnisse.

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Beispielsweise klettere ich hektisch die Wand hoch, Ecke um Ecke, Mist, welches ist die richtige Taste, ah, rechter Trigger, rechte Schultertaste, linker Trigger, keinen Fehler machen, die Kraft schwindet, nur noch ein paar Sekunden, schnell noch ein Schwung nach links, rüber aufs rettende Regal - verdammt noch Mehl, ich hab's geschafft! Puh, erst mal die feuchtgeschwitzten Hände am Hosenbein abwischen.

Noch komplizierter macht's die allgegenwärtige Physik, Stühle kippen, Teller zerklirren, notdürftig gestapelte Pappkartons wackeln unter Brotberührung bedrohlich. Um Abgründe zwischen Möbelstücken zu überqueren, hole ich Schwung und schleudere mich todesmutig rüber. Oder ich ruckle auf einem Skateboard über den Teppich. Ja, »ich«! Ich identifiziere mich tatsächlich mit der dämlichen Brotscheibe, einfach weil's spannend ist.

Jeder Fehler kann der letzte sein, der Kontakt mit dem Fußboden, mit Essensresten oder geschnittenen Fußnägeln verringert den »Essbarkeitswert« des Brotes rapide, bei Null ist Schluss. Und wer ins Spülbecken oder in den Mülleimer plumpst, hat's ehversemmelt, selbst kurz vor dem Ziel. Da ist das Gefluche groß. Und die Motivation, es doch zu schaffen, noch größer.

Kein Schuss in den Ofen

Zwischen den Levels erzählt I am Bread die Geschichte des Brotbesitzers, der in psychiatrischer Behandlung ist. Zwischen den Levels erzählt I am Bread die Geschichte des Brotbesitzers, der in psychiatrischer Behandlung ist.

Apropos, das Ziel! In jedem der bislang leider nur vier Levels lautet die Maxime, das Brot zu toasten. Egal, wie. Nur in der Küche, dem allerersten Level, gibt es einen richtigen Toaster, später muss ich mich an ein schier unerreichbares Bügeleisen schmiegen oder an eine Heizung, die erst mal durch Reiben am Thermostat angefeuert werden möchte. Das ist spielerisch nicht übermäßig abwechslungsreich, im Goat Simulator etwa lässt sich viel mehr Unsinn anstellen.

Herausfordernd aber ist I am Bread allemal, zumal's immer mehrere Wege gibt, die knusprige Bräune zu erreichen. Zum Beispiel kann ich wie der Backwerk gewordenen Tarzan von einem Regal zum anvisierten Bügeleisen schanzen oder vorsichtig auf einer Stuhllehne bugsieren, um zum Bügelbrett hinüber zu kippeln. Und dann darf ich auch noch weitere Anläufe starten, um meine Punktewertung zu verbessern, beispielsweise lohnt es sich, das Brot in Marmelade zu reiben, wofür aber wiederum erst mal das Marmeladeglas erreicht und zerschlagen werden möchte.

Die Badezimmerheizung möchte erst mal hochgedreht werden, toastet dann aber zuverlässig. Die Badezimmerheizung möchte erst mal hochgedreht werden, toastet dann aber zuverlässig.

Noch mal: Die Early-Access-Version hat nur vier Levels, sie ist nur ein Fingerzeig darauf, welches Potenzial in I am Bread schlummert. Es ist aber alleine schon überraschend, DASS in I am Bread überhaupt Potenzial schlummert. Im Trailer kann man beispielsweise sehen, dass sich das Brot an einem Ventilator festklammert. Außerdem gibt's im Haus, in dem I am Bread spielt, anscheinend eine bislang auftrittslose Katze. Uh, was mit dem Stubentiger alles möglich wäre!

Soll man sich also die Early-Access-Version kaufen? Um Himmels willen, nein! Die vier Schauplätze sind noch lange keine 10 Euro wert, die Entwickler müssen I am Bread erst weiter ausbauen. Noch dazu gibt's Bugs, das Spiel stürzt hin und wieder ab, die Kamera zeigt gerne mal alles, nur kein Brot. Und die Grafik ist mit »sparsam« noch schmeichelhaft umschrieben.

Es ist dennoch schön zu sehen, dass dämliche Witzspiele auch spielerisch kein Schuss in den Ofen sein müssen - wie etwa auch Octodad gezeigt hat. Wenn I am Bread weiterentwickelt wird, kehre ich gerne immer wieder auf eine Kletterpartie zurück. Man könnte fast sagen: I am Bread roggt! Entschuldigung.

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