Krise der deutschen Games-Branche - Der Free2Play-Schweinezyklus

Dass ausgerechnet jetzt so viele Stellen in der Games-Branche abgebaut werden, ist kein Zufall: Der Free2play-Schweinezyklus hat seinen Zenit überschritten. Der GamesWirtschaft-Kommentar von Petra Fröhlich.

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Dieser Artikel stammt ursprünglich von GamesWirtschaft, wir veröffentlichen ihn mit freundlicher Genehmigung.

Wenige Anbieter. Hohe Nachfrage. Investitionen. Massenproduktion. Überangebot. Preisverfall. Verdrängung. Krise. Wieder von vorne. So in etwa läuft der berüchtigte Schweinezyklus ab. Das Tückische daran: Weil die Ferkel ja erst aufgezogen werden müssen, kommt es zu einem fiesen Verzögerungseffekt. Wenn die prächtigsten Schweine reif zur Schlachtung sind, treffen sie auf einen Markt mit sinkender Nachfrage.

Eine ganze Reihe von Inhabern und Managern deutscher Spiele-Studios müssen sich derzeit wie jene Schweinezüchter fühlen. Meist Unternehmen, die vor fünf, zehn, fünfzehn Jahren gegründet wurden - gleich zu Beginn der jeweiligen Free2play-Welle.

Man kann dies glückliches Händchen nennen oder Weitsicht oder Gespür oder Timing, in jedem Fall gehörten dazu auch unternehmerisches Geschick und schlichtweg gute Spiele. Wer profitable Unternehmen mit ein-, zwei-, dreistelligen Millionen-Umsätzen aufbaut und Dutzende oder Hunderte Arbeitnehmer in Lohn und Brot bringt, dem gebührt vor allem eines: Respekt.

Die Spreu vom Weizen trennt sich erst später. Nämlich dann, wenn die erste Krise zu bewältigen ist. Dann zeigt sich, ob die Unternehmenswerte aus guten Zeiten auch in schlechten Zeiten zählen.

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Schweinezyklus + Free2play: Ende des Booms?

Nun gibt es kaum ein deutsches Spielestudio, das nicht schon durch das Stahlbad einer handfesten Krise gegangen ist - Crytek ebenso wie Travian oder Blue Byte oder Yager. In diesem Jahr ist es wieder soweit.
Wir erleben die Entlassung von weit über 500 Beschäftigten bei Goodgame Studios, Aeria Games und Wooga. Binnen weniger Wochen setzen die Top 25 der deutschen Games-Branche mehr als zehn Prozent ihrer Angestellten vor die Tür.

Es trifft nicht nur Berufseinsteiger. Sondern auch erfahrene Experten aus Entwicklung und Marketing. Das Echo dieser Maßnahmen wird noch lange nachhallen. Man muss kein Prophet sein, um zu ahnen: In den kommenden Monaten erreichen uns noch weitere schlechte Nachrichten aus den Studios in Hamburg, aus Berlin, aus München und anderswo.

Dass alle diese Meldungen fast parallel hereinprasseln, ist kein Zufall. Es sind nur die Symptome eines strukturellen Problems in Spiele-Deutschland - nicht zum ersten Mal. Denn im Schnitt kommt es alle fünf Jahre zu einem tiefgreifenden Einschnitt in die Entwicklerlandschaft. Diesmal sind es die Free2play-Riesen.

Eine kleine Übersicht über deutsche und deutschsprachige Spielefirmen, inklusive Gründungen und Schließungen. (Infografik von Gameswirtschaft.de) Eine kleine Übersicht über deutsche und deutschsprachige Spielefirmen, inklusive Gründungen und Schließungen. (Infografik von Gameswirtschaft.de)

Phenomedia, CDV, Jowood: Die Blase platzt

Die erste Stunde Null für Deutschlands Studios war das Platzen der Blase am Neuen Markt. Allein die spektakuläre Phenomedia-Pleite 2002 riss Firmen wie Piranha Bytes (Gothic) und Funatics (Cultures) in den Abgrund, die sich davon nur mit Mühe erholten.

Phenomedia, Jowood und CDV waren zuvor in einen Boom-Markt hinein an die Börse gebracht worden, inklusive abenteuerlichster Wachstumsprognosen - Schweinezyklus eben. Nicht ohne Grund hat die Entwicklerkonferenz Quo Vadis ihren Ursprung im Jahr 2003.

Kaum war der Neue Markt verdaut, folgte 2005 eine der vielen JoWooD-Krisen inklusive der Schließung von Massive Development, Wings Simulations und Neon. 2010 erwischte es Radon Labs, ein Jahr zuvor Ascaron. Jetzt eben der Free2play-Markt.

Anno Online - Test-Video zum Free2Play-Aufbauspiel Video starten 12:36 Anno Online - Test-Video zum Free2Play-Aufbauspiel

Darum sind Browsergames gerade in Deutschland durchgestartet

Vom Nokia-Niedergang in Finnland heißt es oft, er hätte Erfolgsgeschichten wie Supercell (Clash of Clans) und Rovio (Angry Birds) überhaupt erst ermöglicht. Wenn man den Branchen-Krisen in Deutschland etwas Positives abgewinnen will, dann die Feststellung, dass aus den Ruinen jedes Mal prosperierende Firmen hervorgegangen sind.

Deutschland hat dabei stets davon profitiert, dass die Republik seit Anfang der 90er - also seit über 25 Jahren - ein Land der PC-Spiele und PC-Spieler ist. Im Gegensatz zum angelsächsischen Raum, wo traditionell Blockbuster für PlayStation und Xbox entstehen, kommen aus Deutschland nur ganz wenige Konsolen-Großprojekte.

Die 20 größten Spielestudios in Deutschland, nach Anzahl der Mitarbeiter. (Infografik von Gameswirtschaft.de) Die 20 größten Spielestudios in Deutschland, nach Anzahl der Mitarbeiter. (Infografik von Gameswirtschaft.de)

Bei den Browserspielen traf die hiesige PC-Wirtschaftssimulations-Tradition auf ein brillantes Geschäftsmodell: Free2play. Die erste Generation der späteren Browsergames-Dampfer - Bigpoint und Gameforge - entstand 2002 und 2003. Die zweite Generation folgte ab 2005, mit Unternehmen wie Innogames, Travian und Upjers. Um 2010 herum dann die dritte Generation samt Smartphone-Gefolge: Goodgame Studios, Xyrality, Wooga, Flaregames. Blue Byte entwickelte sich dank Die Siedler Online zu einer wahren Goldgrube.

All diese Unternehmen vervielfachten die Belegschaft binnen kurzer Zeit. Der Markt gab gar nicht so viele Fachkräfte her, wie in explizit in Hamburg benötigt wurden. Studenten der Hochschulen und Akademien bekamen quasi mit der Immatrikulation eine Job-Zusage.

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