Making Games Report - Psychotoxic – Chronik einer Odyssee

Woran Spiele scheitern: Bei der Planung, Finanzierung und Entwicklung des Shooters Psychotoxic ist fast alles schiefgelaufen, was schieflaufen kann. Ein ungewöhnlicher Rückblick auf ein ungewöhnliches Spiel.

Frank Fitzner, Entertainment Designer mit dem Schwerpunkt Games: »Am letzten Tag des Jahres 2009 wurde bürokratisch unspektakulär die NuClearVision Entertainment GmbH aufgelöst. Ein Entwicklerstudio aus Braunschweig, dessen Existenz für die meisten genauso nebulös erscheinen mag wie die Tatsache, dass ich diese Firma gründete und bis zu ihrer Auflösung ihr Geschäftsführer war. Doch die Geschichte dieser Firma ist nur ein Teil einer seltsamen Geschichte rund um die Realisierung einer Vision, einem Computersiel, das genau wie sein Entwickler bei den meisten Menschen längst in Vergessenheit geraten ist: Psychotoxic. Ungeachtet dessen ist die Geschichte, wie dieses Spiel entstand noch kurioser als das Spiel selbst. Man möge mir verzeihen, dass sich dieser Artikel nicht auf eine objektive Beschreibung von Vorgängen in chronologisch korrekter Reihenfolge beschränkt. Denn die Entwicklung eines Spiels hat zwar viel mit Technik zu tun, aber noch viel mehr mit Emotionen.

Vorwort

Bevor wir mit der eigentlichen Geschichte beginnen, drehen wir die Zeit ein paar Jahre zurück. Im Jahr 2004 kam der Ego-Shooter Psychotoxic auf den deutschen Markt. Es war weder ein herausragendes oder bedeutendes Spiel, noch war es sonderlich erfolgreich. Und doch ist Psychotoxic bis heute ein ganz besonderes Spiel. Lag es am Design, dem Genre, der Technik oder dem Marketing? Nein, das Besondere daran ist die Tatsache, dass Psychotoxic überhaupt jemals erschien. Wenn man nach all den Jahren die Gelegenheit bekommt, etwas genauer zurückzuschauen, dann merkt man schnell, dass die Entstehung von Psychotoxic ein anekdotenreiches Lehrstück für die Spieleentwicklung im Allgemeinen ist. Natürlich müssen sich all diese Ereignisse, die Höhen und Tiefen und Wendungen nicht wiederholen. Aber sie können es, weil sie auf einer zeitlosen Grundregel basieren: Erwarte das Unerwartete.

Wie alles begann

Um herauszufinden was passiert ist, wann die Regel gegriffen hat und warum Psychotoxic trotz akribischer Planung zur Erfolglosigkeit verdammt war, müssen wir noch weiter in der Vergangenheit zurück reisen, bis kurz vor die Jahrtausendwende nämlich. Diese Zeit änderte mein Leben in vielerlei Hinsicht: Ich wurde nicht nur zum ersten Mal Papa, sondern fasste auch den Entschluss, Computerspiele zu entwickeln. Ich wollte endlich mit den großen Jungs spielen. Vielleicht hätte ich es bei der Tochter belassen sollen …

Während meines Design-Studiums war ich Mitte der 90er-Jahre auf den boomenden Multimedia-Zug aufgesprungen und hatte ein paar Jahre lang in einem effizienten Zwei-Mann-Team einige verhältnismäßig erfolgreiche Lernspiele für Kinder entwickelt. Obwohl es eine schöne und spannende Zeit war, erinnerte ich mich immer wieder an ein Erlebnis aus dem Jahr 1993: mein erster Besuch auf dem Marsmond Phobos. Als Gamer bin ich den klassischen Weg vom C64 über den Amiga bis zum PC gegangen und war immer fasziniert von Peeks, Pokes und Pixeln. Aber erst mit dem Erscheinen von Doom hatte ich meinen heiligen Gral gefunden. Endlich war ich der Space Marine mit dem grünen Shirt, der Muskelprotz mit den coolen Sprüchen oder der Farmer, der die frauenklauenden Aliens jagte -- in 3D, in Echtzeit. Es lag also nahe, meine Kenntnisse und Erfahrung als erprobter Entwickler, studierter Designer und passionierter Spieler in einen Topf zu werfen und im Jahr 1998 mit der Planung meines eigenen 3D-Spiels zu beginnen.

Evolution einer Heldin: Protagonistin Angie Prophet vom derben Grace-Jones-Verschnitt zur zierlichen Waffenexpertin in Lack und Leder. Evolution einer Heldin: Protagonistin Angie Prophet vom derben Grace-Jones-Verschnitt zur zierlichen Waffenexpertin in Lack und Leder.

Die erste Idee

Die Marschrichtung und die damit verbunden Vorgaben waren klar: »KISS -- Keep it simple, stupid« und »Think big«. Das Spiel musste massentauglich und international gut zu vermarkten sein, für Experimente war da kein Platz. Die Grundidee war weder neu noch originell, jedoch bibelgeprüft, hollywood-bewährt und damit erfolgversprechend:

»Sexy Heldin wider Willen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten verhindert durch massiven physischen Einsatz das Erwecken des vierten Reiters der Apokalypse durch einen finsteren Gegenspieler und bewahrt die Menschheit dadurch vor der Vernichtung.«

Das Konzept stützte sich auf die drei klassischen Säulen Narration, Aktion, Heros mit einer starken Gewichtung auf fortlaufende Abwechslung. Dies stand im Designdokument ganz vorne, um den potenziellen Spieler so stark wie möglich an das Spiel zu binden. Es sollte neben einer spannenden Story und einem unkomplizierten, variantenreichen Gameplay vor allem visuell durch viele unterschiedliche Szenarien auffallen. Gute Spiele zeichnen sich oft durch den Aha-Effekt aus, also bestimmte Szenen, Einstellungen oder Situationen, an die sich der Spieler immer wieder gern erinnert. Durch die geplante Abwechselung auf allen relevanten Ebenen sollte die Chance erhöht werden, genau diesen Effekt zu erzielen.

Ein starker USP des Spiels war, ganz im Sinne eines Duke Nukem, die Hauptfigur. Dazu entwarf ich eine außergewöhnliche, polarisierende Heldin, die durch ihr vulgäres Erscheinungsbild und martialisches Auftreten einen interessanten Kontrast zu ihrem mystischen, teilweise spirituellem Ursprung bilden sollte. Eine ihrer besonderen Fähigkeiten war es, in die Gedanken anderer Leute springen zu können. Das passte gut in die Story und war ein cleverer Kunstgriff, um neben den Realszenarios die außergewöhnlichen Traumlevels zu realisieren, die praktisch jedes Setting ermöglichten.«



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Dieser Artikel erschien in Ausgabe 04/2010 des Making Games Magazins.

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