Gute, aber unterentwickelte Charaktere
Bedauerlich ist obendrein, dass die Hauptcharaktere keinerlei Entwicklung durchmachen. Ronan hat eine bewegte Vergangenheit. Wir erfahren von seinem Leben als Krimineller, von seiner tragischen Liebe und von den Konflikten mit Kollegen. Doch im Spiel bleibt er von Anfang bis zum Ende derselbe verbissene Ermittler. Auch Joy bleibt eindimensional: Ronan lernt dieses paranormal begabte Mädchen früh im Spiel kennen. Nur sie kann ihn sehen und hören. Notgedrungen bilden sie ein Team. Ronan ist auf Joys Hilfe angewiesen, um den Mörder zu finden.
Joy wiederum hofft, ihre Mutter wiederzusehen, die ebenfalls auf der Spur des Verbrechers ist und kürzlich verschwand. Die geisterhafte Kriminalstory kommt zwar nie über das Niveau eines TV-Krimis hinaus, bleibt aber spannend genug, um uns ihre etwa sechs bis sieben Spielstunden lang am Ball zu halten. Für die eigentliche Spielmechanik indes gilt das nicht.
Lineare Hinweis-Hatz
Die Idee, ein pazifistisches Krimi-Abenteuer zu spielen, ist zweifellos eine gute. Wir bringen niemanden um, wir schlagen niemanden zusammen. Stattdessen erkunden wir, hören wir zu und ziehen wir unsere Schlüsse. Wir tun das, indem wir einer Wegmarkierung zu den Schauplätzen der einzelnen Kapitel folgen, wo wir innerhalb recht linearer Levels wichtige Zeugen - tot und lebendig - aufspüren sowie Tatorte untersuchen. Dabei klappern wir beispielsweise Salems Kirche, den Friedhof, ein Irrenhaus oder das Museum ab.
Leider erwarten uns stets die gleichen Aufgaben: Alle wichtigen Hinweise finden, anklicken und zu einer Multiple-Choice-Schlussfolgerung gelangen. Dann folgt ein Häppchen Story und das Spielchen beginnt von vorn. Zwischendurch erhalten wir einige Nebenaufgaben von Geistern, die ihren Frieden mit der Welt machen wollen, weil sie etwa ihre Leiche suchen oder wissen möchten, ob sie betrogen wurden. Spielerisch folgt auch hier die anspruchslose Indiziensuche.
Ein Hauch Rätsel
Hübsch inszeniert ist das immerhin. Unsere aktuelle Aufgabe schwebt in weißen Buchstaben in der Luft, und gefundene Hinweise werden oft von stimmungsvollen Rückblenden begleitet. Nur fehlt jeder kriminalistische Anspruch: Die Schlussfolgerung am Ende einer Ermittlung ist trivial. Wir suchen aus allen mehr oder weniger offen herumliegenden Hinweisen zwei bis drei relevante heraus - fertig. Liegen wir richtig, geht es weiter.
Liegen wir falsch, verlieren wir Punkte in einer bedeutungslosen Bewertung und versuchen es erneut. Später kommen immerhin simple Rätsel hinzu: Ronan liest die Gedanken von Personen oder regt sie zu bestimmten Entscheidungen an. Er manipuliert Elektrogeräte oder schlüpft in den Körper einer Katze, um simple Sprungpassagen zu meistern. Raffiniert ist das nie.
Richtig enttäuscht sind wir schließlich, als wir einem Geist auf der Spur sind, der sich hin und her teleportieren kann. »Wie funktioniert das? Das will ich auch können!«, ruft unser Spielheld aus. Doch es folgt nun keine Nebenquest, kein Rätsel und auch kein Story-Happen. Stattdessen erscheint direkt nach seinem Ausruf ein Tutorial-Text, der uns erklärt, wie das Teleportieren funktioniert. Fiel euch wirklich nichts Besseres ein, liebe Entwickler? Und was zum Teufel hat euch geritten, diese unsäglichen Schleichpassagen einzubauen?
Dämonische pielspaßbremsen
Immer wieder nämlich tauchen rot glühende Dämonen auf, die im Level patrouillieren und von uns ausgeschaltet oder umschlichen werden müssen. Entdecken sie uns, werden wir in die ewige Verdammnis gezerrt. In diesen Abschnitten nutzen wir einen Röntgenblick, der die Biester auch durch Wände hindurch sichtbar macht. Dann schleichen wir uns an sie heran und erledigen sie per Tastenkombination. Das ist anfangs anspruchslos und später gar frustrierend. Dem Spiel bringt's aber nix: Diese Passagen haben keinen Platz in der Story, sie bremsen uns unnötig aus.
Und wer mit Maus und Tastatur spielt, wird die kruden Tastenkombinationen verfluchen, die zum Verbannen der Kreaturen nötig sind. An diesem Punkt greifen wir entnervt zum Gamepad und wundern uns, wieso Airtight Games aus Murdered unbedingt ein Action-Adventure machen musste. Die Action steht dem übernatürlichen Krimi nämlich nicht. Uns wäre es lieber gewesen, man hätte darauf komplett verzichtet und dafür mehr Zeit in die Story und Rätsel investiert. Hat man aber nicht. Deshalb ist Murdered leider das Videospiel-Äquivalent eines Krimis, wie er bereits in der zwölften Wiederholung im Nachmittagsfernsehen läuft. Kann man sich angucken, muss man aber nicht.
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