Schöne Rattenwelt
Apropos Abwechslung: Sacred 2 bietet zahlreiche Monstersorten, die meist bestens zum jeweiligen Gebiet passen. Hinter Wüstendünen etwa lauern Skarabäen und Sandräuber, im Dschungel Panther sowie Baumriesen, unter Nadeltannen Giftspinnen und Werwölfe.
Die Gegnervielfalt lässt dennoch zu wünschen übrig, weil die Entwickler weite Landstriche mit denselben Bestien bevölkert haben. Zum Beispiel wimmelt es im Elfen- und Menschenreich sowie im Sumpfland von Ratten.
Dafür haben die Entwickler die schönen Landschaften allesamt per Hand gebaut. Im idyllischen Elfenland etwa säumen Laubbäume azurblaue Ströme, auf der Heimatinsel der Seraphim gluckern Lavaströme um Schimmerkristalle. Zudem beleben liebevolle Details die Umgebungen: Auf Weinbergen harken Bauern; die Bewohner der Städte und Dörfer spazieren herum, plaudern miteinander oder reagieren sogar auf Ihren Helden (»Seid gegrüßt, Drachentöter!«). Damit avanciert Ancaria zur glaubwürdigsten Spielwelt des Genres. Hin und wieder gibt’s aber auch langweilige Landstriche und Höhlen.
Von nett bis nutzlos
Im riesigen Ancaria treffen Sie fast überall auf Auftraggeber; erst im letzten Kampagnenkapitel gibt’s kaum mehr Nebenquests. Ein Jammer, denn die Missionen erzählen nette Geschichten – auch wenn die eigentlichen Aufgaben meist nach Simpelmustern à la »Suche diesen Gegenstand« oder »Erledige jenes Ungeheuer« ablaufen.
Überdies wirft das Zubrot meist karge Belohnungen ab, etwa eine Handvoll Erfahrungspunkte oder einen nutzlosen Gegenstand. Umso schlimmer, dass Sie unrentable Aufträge nicht abbrechen können. Nur ein paar besondere Aufgaben lohnen sich wirklich.
Zum Beispiel folgt jede Klasse parallel zur Haupthandlung einem eigenen, unterhaltsamen Nebenplot, an dessen Ende sie einen wertvollen Gegenstand einstreicht. Eine andere Missionskette führt Sie auf die versteckte »Insel der Reittiere «, wo Sie das individuelle – Überraschung! – Reittier für Ihren Charakter kaufen können. Der Inquisitor etwa sattelt eine Riesenspinne. Das ist spielerisch sinnvoll, denn nur auf dem Rücken der Supertiere dürfen die Helden ihre Kampfkünste einsetzen. Von normalen Pferden können sie zwar zuhauen, müssen zum Zaubern aber absteigen. Alle Reittiere erfüllen zudem noch einen Zweck: Viele Aufträge schicken Sie auf endlos lange Laufwege, die Sie zu Ross (oder Riesenspinne) schneller hinter sich bringen.
Komm zum Punkt
In Sachen Bedienung bietet Sacred 2 zwar viele Komfortfunktionen (Inventar sortieren, alle Beute im Umkreis aufsaugen), leistet sich aber auch einen Fauxpas: Sämtliche Optionen lassen sich ausschließlich im Hauptmenü ändern; selbst wenn Sie nur eine Taste neu belegen wollen, müssen Sie die Partie beenden. Wobei sich Sacred 2 die Änderung wegen eines Bugs nicht mal merkt.
Immerhin hat Ascaron eine Quicksave-Funktion eingebaut, die Sie beim Wiedereinstieg direkt an den Ausgangspunkt zurückversetzt. Falls Sie normal speichern (also einfach das Spiel verlassen) oder sterben, erstehen Sie am zuletzt besuchten Seelenstein auf. Das nervt insbesondere bei Bosskämpfen: Wenn Sie darin das Zeitliche segnen, müssen Sie bis zu zehn Minuten lang zum Obermotz zurückstapfen – durch wiederbelebte Monsterhorden. Mehr Seelensteine wären Pflicht gewesen.
Jagdgemeinschaft
Im Mehrspieler-Modus über Netzwerk und Internet bestreiten bis zu fünf Monsterjäger gemeinsam die Kampagne. Das klappt jedoch nur, wenn alle Kämpfer der gleichen Gesinnung angehören, also Licht oder Schatten.
Alternativ stürzen sich bis zu 16 Abenteurer ins storylose freie Spiel oder in schlecht ausbalancierte Gefechte gegen menschliche Rivalen, in denen der übermächtige Inquisitor klar die Hakennase vorn hat. Je nach Spielerzahl bilden Sie bis zu fünfköpfige Gruppen – allerdings ebenfalls nur mit Helden der gleichen Gesinnung, was in einem handlungsfreien Spielmodus wenig Sinn ergibt. Taktisches Zusammenspiel ist zudem weitgehend unnötig, denn die Gegnerstärke soll sich zwar an die Zahl der Teilnehmer anpassen, was sich aber kaum spürbar auswirkt.
In Netzwerk-Partien können Sie auch mit Ihrem Solo-Charakter einsteigen, etwa um Neulingen Starthilfe zu geben. Denn die dürfen sich zu Ihnen teleportieren – auch in hochstufige Gebiete, wo sie massig Erfahrung sammeln. Dank der nützlichen Teleport-Funktion gelangen Sie auch selbst rasch zu Ihren Gruppenmitgliedern zurück. Wenn Sie sterben oder neu einsteigen, erstehen Sie nämlich immer auf einer abgelegenen Insel auf. Darüber hinaus leidet die Gruppen-Monsterhatz auch noch unter Fehlern. Die Lobby zur Spielersuche etwa entpuppt sich besonders im (anmeldepflichtigen) Online-Modus als langsam und unkomfortabel. Ebenfalls ärgerlich sind die Abstürze: Auch mit dem Patch 2.10.0 samt Hotfix 2.10.2.0 schmierte Sacred 2 im Test hin und wieder ab, weswegen ständig einzelne Spieler aus der Partie geworfen wurden. Wenn ein Held ausfällt, zerplatzt er immerhin in blutige Fleischklumpen. Das ist in diesem Moment durchaus ein Trost dafür, dass Sie Sacred 2 mangels Atomwaffen nicht in eine erdnahe Umlaufbahn sprengen können.
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