Im Internet wird Concord spöttisch mit einer Stubenfliege verglichen. Die Pointe: Die Stubenfliege lebt länger als Sonys große Shooter-Hoffnung, der gerade nach rekordverdächtigen zwölf Tagen der Stecker gezogen wurde. Die Witze gehen weiter: Sogar das skandalöse Rip-Off The Day Before habe länger überlebt als Concord, selbst Gollum erreichte auf Steam höhere Spielerzahlen, ebenso Bethesdas gescheitertes Redfall.
Ich kann über Concord nicht lachen. Es ist das letzte Glied einer traurigen Kette von Fehlentscheidungen, deren Nachbeben jetzt wahrscheinlich wieder genau diejenigen trifft, die es am wenigsten verkraften können: Entwicklerinnen und Entwickler, die seit sage und schreibe acht Jahren an diesem Projekt arbeiten.
Wir werfen oft mit solchen Zahlen um uns, ohne für einen Moment innezuhalten und deren Bedeutung mal wirken zu lassen. Acht. Jahre. Ich habe fast meine kompletten 20er bei der GameStar verbracht – wenn ich mir vorstelle, diese gesamte Karriere an einem einzigen Projekt gearbeitet zu haben, das dann nach zwölf Tagen von meinen Chefs abgesägt wird ... puh. Und das in einer Branche, die gerade schon für kleinere Fauxpas ihre halbe Belegschaft feuert.
Ich schreibe das hier nicht, um auf die Tränendrüse zu drücken, sondern klipp und klar zu verdeutlichen: Es muss sich etwas ändern. Auf der Jagd nach dem süßen Service-Game-Geld verfangen viele Publisher und Studios sich in drei Fallstricken, die ihnen fast immer das Genick brechen. Und die gehen weit über Concord als Einzelfall hinaus, deshalb sollten wir mal über den aktuellen Zustand von Service-Spielen sprechen.
Fallstrick Nummer 1: Dem Mammon zu viel opfern
Was im Projektmanagement gilt, trifft auch auf Spiele zu: Zeit, Qualität und Geld sind untrennbar miteinander verzahnt – aber ich zwiebele sie hier trotzdem modellhaft auseinander, weil ich illustrieren will, dass viele Spiele schon an ihrer Monetarisierung scheitern. Bei Concord liegt der Grund natürlich auf der Hand: 40 Euro Kaufpreis zu verlangen, wenn du mit einem Free2Play-Markt aus hochkarätigen Shootern konkurrieren willst? Das kann nicht funktionieren.
Overwatch und Call of Duty sind ja nicht auf Free2Play-Modelle umgeschwenkt, weil EA und Blizzard sich gedacht haben: Hey, genug ist genug, wir wollen ja nicht gierig sein.
Fortnite hat den Markt verdorben
– in der Ära des Battle Passes gibt es kein Zurück, sofern du mit Free2Play-Spielen konkurrieren willst. Das hat Concord entweder nicht verstanden oder zu wagemutig ignoriert. Doch der Free2Play-Markt wiederum birgt ganz eigene Risiken.
Ja, 95 Prozent aller Mikrotransaktionen sind heutzutage rein kosmetisch und ich kann sie getrost ignorieren, aber umgekehrt sind moderne Spiele wie CoD und EA Sports FC natürlich vollgepumpt mit Psycho-Tricks, damit ich sie eben nicht ignoriere.
Live Service Monetization Management ist mittlerweile ein eigener Job, viele Service-Spiele ertrinken in Battle Passes, Cosmetics, Skin Bundles, exklusiven Events und, und, und. Diese überbordende Monetarisierung ruiniert ein Spiel zwar nicht zwangsläufig, aber ich bin mir sicher: Sie belastet.
Sie belastet die Beziehung zwischen Publisher, Devs und uns. Sie belastet das Gamedesign, wenn zu viele kreative Entscheidungen im Hinblick darauf getroffen werden, mir winzige Löcher in den Geldbeutel zu pieksen. Während ich hier tippe, zockt Kollegin Natalie hinter mir ins neue Quidditch-Spiel rein und nach jedem Match bimmeln und blinken Balken, Münzen, Zaubereffekte und Co. Permanent sagt ihr das Spiel: Schau mal, Dailys und Weeklys und guck mal hier, Cosmetics.
Etablierten Giganten wie FIFA oder CoD kann es völlig wumpe sein, wenn Leute wie ich abspringen, weil uns die Monetarisierung zu aggressiv ist. Der Großteil der Zielgruppe kauft das neue CoD so oder so. Aber ich bin trotzdem überzeugt: Wenn du dich als neue Marke etablieren willst, dann sollte dein Spiel nicht aussehen und klingen wie eine japanische Pachinko-Halle. Irgendwann wird das nicht mehr gut gehen.
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