Wer unsere Begeisterung beim Test von Shadow Warrior 2 nachvollziehen möchte, der werfe jetzt bitte kurz sein Kopfkino an: Mit einer Gauss Rifle schießt unser Kollege ein faustgroßes Loch in den Brustkorb eines riesengroßen Dämons, der aber weiter unbeeindruckt auf uns zu rennt. Als agile Ninjas, die wir nun mal sind, weichen wir mit einem blitzschnellen Manöver zur Seite aus, dann folgt ein gepflegter Double-Jump. Aus der Luft erledigen wir einige Handlanger unseres Gegners mit dem Raketenwerfer, den wir glücklicherweise so modifiziert haben, dass er gleich vier Raketen auf einmal verschießt.
Dann bearbeiten wir den Chef persönlich mit unserem Maschinengewehr. Im Kugelhagel verliert der Dämon beide Arme, am Ende ist kaum mehr als ein Skelett von ihm übrig. Das hält ihn aber noch lange nicht davon ab, uns weiter anzugreifen. So viel Einsatz verdient Respekt. Davon könnte man sich ruhig mal eine Scheibe abschneiden, darum greifen wir fürs große Filetierungsfinale zur Kettensäge - passend und nicht ganz jugendfrei kommentiert von unserem Ninja: »Who wants some Wang?«
Keine Vorkenntnisse notwendig
In Shadow Warrior 2 schlüpfen wir in die Rolle des Sprüche klopfenden Antihelden Lo Wang und nehmen es mit den Yakuza, heimtückischen Dämonen und einem futuristischen Techno-Konzern und dessen Cyber-Ninjas auf. Die Geschichte setzt dort an, wo der Vorgänger aus dem Jahre 2013 aufhört, der seinerzeit ein Remake eines 3D-Realms-Shooter von 1997 war. Wer Shadow Warrior gespielt hat, trifft im komplett neuen zweiten Teil auf einige alte Bekannte.
Die Dialoge und Zwischensequenzen liefern aber immer ausreichend Kontext, um auch völligen Neueinsteigern Durchblick zu verschaffen. Und das ist gut so, denn die Handlung ist für einen Shooter überraschend unterhaltsam. Dafür sorgt vor allem der neunmalkluge Protagonist, der weder Respekt vor gefährlichen Gangsterbossen noch vor unsterblichen Dämonen hat.
Die englisch vertonten Dialoge sind großartig und haben bei uns für einige laute Lacher gesorgt. Allerdings muss man für den recht derben Humor offen sein. Schließlich ist »Wang« im englischen Sprachgebrauch ein umgangssprachlicher Begriff für einen ganz bestimmten Teil der männlichen Anatomie. Und in diese Richtung gehen viele Gags im Spiel. Vom Sprachwitz geht in den deutschen Untertiteln außerdem naturgemäß viel verloren.
Zerteiltes Leid ist doppelte Freud
Wir dürfen bis zu drei Freunde einladen, um gemeinsam mit ihnen die gesamte Kampagne zu erleben. Alternativ kann man sein Spiel auch für fremde Zufallsninjas aus den Weiten des Internets öffnen oder per Sitzungsbrowser nach offenen Spielen suchen; einsame Wölfe ziehen solo los. In den Spieloptionen lässt sich der Schwierigkeitsgrad je nach Spielerzahl anpassen, damit jeder genug Feinde vors Visier bekommt. Zudem gibt es Einstellungen dafür, wie viel Schaden Gegner verursachen und wie hart (oder sanft) Spielertode bestraft werden.
Motivierend: Je schwerer wir das Spiel einstellen, desto besser ist die Beute, die geplättete Monster hinterlassen. Ein erstes Durchspielen im Koop-Modus hat bei uns gut 15 Stunden gedauert und wir haben jede Nebenmission absolviert und jede Karte gründlich nach Geheimnissen durchsucht. Wer es eiliger hat und nur schnell jedes Missionsziel absolviert, sieht den Abspann nach rund zwölf Stunden; wer Nebenmissionen und Zwischensequenzen überspringt, wird entsprechend eher fertig. Dann darf man das Spiel neu starten, auf Wunsch den Schwierigkeitsgrad steigern und alle Waffen und Fortschritte behalten. So macht mehrmaliges Durchspielen Laune!
Abwechslung per Zufallsgenerator
Die Level im Spiel kommen in drei Geschmacksrichtungen: Einige Karten spielen in einer Stadt im Kyoto-Stil, an anderer Stelle verschlägt es uns in die höllische Welt der Dämonen, und dann gibt es futuristische Stadt-Level im Cyberpunk-Look. Die Level werden zufällig aus handgemachten Versatzstücken generiert, sodass sie auch bei mehrmaligem Durchspielen immer etwas Abwechslung bieten.
Jeder Besuch bringt unterschiedliche Monster mit neuen Stärken und Schwächen; Wettereffekte wie Stürme oder nebelige Nächte verändern zusätzlich das Spielerlebnis. Die nervigen Ladebildschirme mitten in einer Mission wie noch im Vorgänger gibt es nicht mehr. Auch die lästigen Arena-Events, bei denen man so lange in einer Sektion eingesperrt war, bis man sämtliche Monster erledigt hatte, fiel dankenswerterweise dem Rotstift zum Opfer.
Spieltechnisch sind die Missionen nicht furchtbar abwechslungsreich - was aber nicht weiter stört und in der Natur der Shooter-Sache liegt. Mal sammeln wir Questgegenstände, dann retten wir irgendwelche NPCs oder hauen mal einen Boss um. Wer es eilig hat, findet auf der Karte einen Wegweiser zum nächsten Ziel. Damit ist Shadow Warrior 2 aber beileibe kein Schlauchshooter - im Gegenteil!
Auf den riesengroßen Karten erforschen abenteuerlustige Ninjas jedes Haus, erkunden unterirdische Höhlen und kämpfen auf den Hausdächern. Überall sind Schatztruhen, Upgrades, zusätzliche Bosse und Geheimnisse versteckt, deren Entdeckung mit reichlich Spielwährung belohnt wird, die wir bei Händlern in neue Waffen investieren. So wird Forscherdrang einerseits belohnt, andererseits verlaufen sich ungeduldige Spieler aber nicht auf den Karten, wenn sie lieber zielgerichtet die Missionen erfüllen wollen.
Besser als Doom? Blasphemie!
Das neue Doom ist einer der besten Shooter aller Zeiten - gar keine Frage! Trotzdem gefällt uns Shadow Warrior 2 sogar noch ein wenig besser. Das liegt zum einen am kooperativen Mehrspielermodus. Was würden wir darum geben, die Kampagne von Doom mit Freunden zu spielen, doch bisher bleibt uns dieses Erlebnis verwehrt. Shadow Warrior 2 bietet uns zudem noch mehr Möglichkeiten als Doom, unsere Feinde zu vernichten. Noch mehr großartige Waffen, noch mehr Modifikationen, mehr Fähigkeiten, mehr Gegnervielfalt!
Und die Kämpfe stehen einem Doom in Hinsicht auf Action und Splatter-Effekten in nichts nach. Hier streifen Gegner in der Spielwelt umher oder überraschen uns mal aus dem Hinterhalt, während wir in Doom ständig in abgeriegelten Arenen kämpfen. Protagonist Lo Wang ist uns mit seinen Sprüchen rasch ans Herz gewachsen. Der schweigsame Doomguy ist auf seine Art auch cool, aber eines seiner Alleinstellungsmerkmale ist eben, dass er keine Persönlichkeit hat. Bis auf den mittelprächtigen PvP-Modus kann Shadow Warrior 2 alles, was Doom kann - und noch ein wenig mehr.
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