Rainy Season klingt furchtbar öde: Das japanische Ein-Mann-Projekt lässt mich laut Steam-Beschreibung »Einen Regentag mit einer gewöhnlichen Familie im Haus verbringen«. Wer will das denn spielen?
Zumal es auf der Steam-Seite mit wenig beeindruckenden Features wie »Gespräche mit Verwandten« oder »Interaktion mit Objekten« weitergeht. Das funktioniert bei Regen auch bei mir zuhause wunderbar - ohne dass ich drei Euro ausgebe. Doch gerade diese langweilige Ausgangslage ist beim Spielen überraschend faszinierend.
Hausarrest in Japan
Schon als Kind war ich ein Dickkopf. Es ist kalt draußen? Ich stell mich trotzdem mit dem T-Shirt in den Schnee. Es regnet in Strömen? Kein Problem, dann ist der Freizeitpark schön leer. Und im Schwimmbad wird man ja eh nass, also was soll's? Ich kann mich also sehr gut mit dem kleinen Jungen aus Rainy Season identifizieren.
Der will auch gerne etwas unternehmen, wo er schon mal mit der ganzen Familie (Mutter, Bruder, Tante) bei der Oma zu Besuch ist. Aber draußen gießt es in Strömen und seine Mutter ist da leider genau so streng wie meine: Du erkältest dich noch, wir bleiben daheim! Seufz.
Ich sitze also in einem virtuellen japanischen Haus fest und habe nichts zu tun. Aber weil ich im Herzen immer noch das gelangweilte Kind von damals bin, untersuche ich das Haus. Ich reiße Schubladen heraus, öffne Türen und befinde mich plötzlich in einem leuchtenden Garten.
Die Autorin:
Elena (@Ellie_Libelle) guckt an Regentagen Ghibli-Filme rauf und runter und musste allein schon aus Leidenschaft für Japan einen Blick auf Rainy Season werfen. Als studierte Game Designerin beeindruckte sie letztlich aber vor allem, wie gut das Adventure die Gefühle ihrer Kindheit zurückholen kann.
Von der Abstellkammer in den Ghibli-Film
Der könnte direkt aus einem Ghibli-Film stammen - auch weil mich eine riesige schwarze Katze aus großen Kulleraugen mustert. Sie erzählt mir, sie habe ein Picknick geplant, aber den Tag verwechselt. Neben ihr warten geduldig Teller und Besteck. Ich könne ruhig bleiben, aber nicht zu lange - sonst macht sich meine Familie noch Sorgen.
Rainy Season lässt mich wirklich einen ganz normalen Tag erleben. Ich esse mit meiner Familie, helfe Oma mit dem Abwasch oder meinem Bruder mit den Hausaufgaben. Ich darf hier und da Fragen stellen, etwas aufheben oder eine Tür öffnen. Aber durch die kindliche Fantasie der Hauptfigur wartet dort eben eine gigantische Katze auf mich. Oder ein Monster, das einfach nur fernsehen will und mich bittet, vorher anzuklopfen.
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Der Quallenanhänger vom letzten Aquariumsbesuch wird lebendig. Mein langweiliges Haus ist Wunderland, Unterwasserparadies und Monsterhöhle zugleich. Genau wie damals. Das etwa eine Stunde lange Adventure weckt Erinnerungen in mir, die ich längst vergessen hatte. Damals bestand der Boden aus Lava, mein Zimmer war eine Höhle und der Plüschdelfin mein treuer Gefährte.
Für Kinder kann jeder Tag besonders und magisch sein - auch ohne Freizeitpark. Weil mich Rainy Season daran erinnert hat, bringt es mich zum Lächeln. Das hätte nicht funktioniert, wäre das Spiel nicht auf den ersten Blick so langweilig gewesen. Denn wenn der Alltag für sich schon spannend und exotisch ist, verblassen die besonderen Momente demgegenüber. So kam mir aber genau wie damals jeder noch so flüchtige Tagtraum wie ein großes Abenteuer vor.
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