Uwe Boll rät: »Man sollte die Finger von Videospielverfilmungen lassen«

Kein anderer Regisseur hat so viele Spieleverfilmungen gemacht wie Uwe Boll – und keiner hat dafür so viel herbe Kritik einstecken müssen. Im Interview erklärt der Wahl-Kanadier, warum er wenig Chancen auf bessere Videospielfilme sieht.

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  • Uwe Boll ist Regisseur einiger der umstrittensten Videospielverfilmungen.
  • GameStar Plus traf den Mann hinter solchen Perlen wie »Far Cry«, »Dungeon Siege ««und »Alone in the Dark«.
  • Im Interview verteidigt Uwe Boll seine Filme: Manchmal fehlte die Zeit, dann wieder musste das Drehbuch umgeschrieben werden.
  • Wir fragten: Würde Uwe Boll anderen Regisseuren raten, einen Film zum Spiel machen?

Uwe Boll im Interview: Ein offenes Gespräch über seine Fehlschläge und woran es gelegen hat, dass Filme zu Videospielen wie Far Cry, Postal oder Dungeon Siege totaler Murks waren. Uwe Boll im Interview: Ein offenes Gespräch über seine Fehlschläge und woran es gelegen hat, dass Filme zu Videospielen wie Far Cry, Postal oder Dungeon Siege totaler Murks waren.

»Wenn du sie sowieso nicht überzeugen kannst, dann beleidige sie wenigstens. Schlag zurück und sag: Ich lass mir das nicht mehr gefallen«, fasst Uwe Boll das Motto zusammen, unter dem er auf seine zahlreichen Kritiker reagiert hat. »Ich denke, das war für mich auch ein Überlebensinstinkt.«

Viel Häme und Wut wurden über Bolls Videospielverfilmungen ausgeschüttet: »House of the Dead« rangiert momentan auf Platz 8 der »Bottom 100«-Liste der IMDB, für »Alone in the Dark« und »Bloodrayne« wurde Boll für die Goldene Himbeere nominiert, für »Schwerter des Königs« (nach dem Spiel Dungeon Siege) und »Postal« »gewann« er den Anti-Preis dann - zusammen mit einer »Auszeichnung« für das »schlechteste bisherige Lebenswerk«.

Boll duckte sich aber bei solchem Gegenwind nicht weg, sondern beleidigte als Enfant Terrible seine Kritiker zurück. 2006 lud er sogar einige davon ein, gegen ihn in den Ring zu steigen. Die antretenden Kollegen hielten es für einen PR-Gag und übersahen in ihren Recherchen wohl, dass Boll jahrelang als Amateurboxer tätig war - weshalb sie flott von ihm auf die Matte geschickt wurden.

Von dem derben Provokateur, der gerne auf die Knöpfe der Leute drückt, ist im persönlichen Gespräch mit Uwe Boll erstmal wenig zu merken. Der deutsche Filmemacher, der Betriebswirtschaft studiert und ein Doktorat in Literaturwissenschaft abgeschlossen hat, zeigt sich sehr zugänglich und gibt unverblümt zu, dass er manche Fehler gemacht hat.

Seit vielen Jahren lebt er im kanadischen Vancouver, wo er mittlerweile das renommierte Restaurant »Bauhaus« betreibt, und daher mischen sich immer wieder englische Ausdrücke in seine Worte, bei denen sonst der rheinische Dialekt durchblitzt. Sowohl beim Skype-Gespräch als auch beim gemeinsamen Abendessen in seinem Lokal bemerkt man dann aber doch manchmal den Mann, der gerne aneckt, weil er einfach gerade aus dem Bauch heraus redet.

»Blizzard sind ja sowieso Vollidioten«, wettert er an einer Stelle: »Wie die damals ausgeflippt sind, als ich gesagt habe, World of Warcraft würde ich verfilmen.«

Update: Wer sich das Interview lieber als Podcast anhören möchte, schaut auf www.lichtspielplatz.at vorbei.

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Uwe Bolls Weg ins Haus der Toten

Zu den Videospielverfilmungen kam Boll eigentlich nur durch Zufall, »House of the Dead« war bereits sein achter Film. Er drehte zunächst in Deutschland - zum Beispiel die Schlingensief-artige TV-Parodie »German Fried Movie« oder die Uni-Komödie »Das erste Semester«. Danach drehte er internationale Filme wie den Mystery-Thriller »Blackwoods« oder das Drama »Heart of America«, das sich mit dem Columbine-Amoklauf beschäftigte.

Die Gelegenheit zur ersten Videospielverfilmung kam für Uwe Boll dann eher zufällig: »›House of the Dead‹ wurde an mich herangetragen, als komplettes Paket: Die Rechte waren da, das Drehbuch war da. Und dann war die Frage: Können wir das finanzieren, können wir den Film machen?«, erinnert sich Boll.

»Ich bin mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen aufgewachsen und mit den dementsprechenden Klassikern: John Ford, William Wyler, Orson Welles, Stanley Kubrick - das waren meine Regie-Heroes«, erklärt Boll seinen filmischen Hintergrund. Das heißt aber nicht, dass ihm die Horror-Schiene fremd war:

Ich hatte schon immer ein Faible für Genre und auch für härtere Filme. Ich hatte auch nie ein großes Problem mit Gewalt. 'Freitag der 13.', die ganzen 'Halloween'-Filme, die erste Slasher-Welle, die George-Romeo-Zombie-Filme - die waren für mich natürlich auch sehr influential.

Diese Leidenschaft fand natürlich weniger im TV-Programm statt: »Das war die Zeit, als man selber 15, 16 war, und da war natürlich der Trick: Wie komme ich in Filme rein, die ab 18 sind? Ich hatte meinen Schülerausweis gefälscht. Dadurch konnte ich dann immer auch in Filme wie ›Muttertag‹ oder ›Man-Eater‹«, grinst Boll.

Uwe Boll mit Ona Grauer und Jonathan Cherry am Set von House of the Dead. Vor den Dreharbeiten ging der Regisseur in die Spielhalle: zu Recherchezwecken (Bild © Boll KG Productions). Uwe Boll mit Ona Grauer und Jonathan Cherry am Set von House of the Dead. Vor den Dreharbeiten ging der Regisseur in die Spielhalle: zu Recherchezwecken (Bild © Boll KG Productions).

Während der Vorbereitungen zu »House of the Dead« ging Boll in die Arcades, um das Spiel zu spielen. »Das Drehbuch von ›Mindfire‹ Mark Altman war schon fertig, und ich habe dann auch gesagt: Was hat denn der Film mit dem Game zu tun? Gut: In dem Game, in der damaligen Variante, gehen die auf eine Insel, da gibt's einen verrückten Doktor - ein bisschen wie ›Die Insel des Dr. Moreau‹ kam mir das vor. Aber das war natürlich total campy«, meint Boll.

Ich fand die ganze Zeit das Drehbuch platt, ich fand auch die Schauspieler platt, alles platt. Klar, ich wurde am Schluss für alles geblamed, nach dem Motto: Es war ja dein Film, du hättest ja auch alles anders machen können - stimmt ja auch. Aber das war das Skript, das von Sega abgenickt wurde - auf das Skript haben die denen die Rechte verkauft.

»Ich wollte so viele technische Gimmicks wie möglich einbauen«, erläutert Boll seinen Ansatz. »Ich hab ja ziemlich Gas gegeben mit diesen Actionsequenzen und hab die sehr viel mehr ausgebaut, als es im Skript war. Da gab es fünf Tage, wo nur noch auf der täglichen Dispo stand: The Chaos Continues.« Eine zentrale Actionsequenz im Matrix-Stil wuchs von drei Drehtagen auf sechs an.

Ich hab mir gedacht: Wenn ich da nicht genug Material kriege, dann erreiche ich nicht diesen Overkill, den man bei 'House of the Dead' braucht. Der Setup vom Game ist, so einen Overkill zu erzeugen, dass man einfach nicht mehr weiß, wo man hinschießt, und das habe ich in der Szene auch versucht, so crazy wie möglich umzusetzen.

Zombiehorden waren für den House-of-the-Dead-Overkill unentbehrlich (Bild © Boll KG Productions). Zombiehorden waren für den House-of-the-Dead-Overkill unentbehrlich (Bild © Boll KG Productions).

Eigentlich ist »House of the Dead« ein unterhaltsames B-Movie, das seine narrativen Schwächen mit Tempo, lustvoll stilisierter Action und einem gewissen Fun-Faktor ausgleichen kann - aber die Reaktionen auf den Film waren nicht nur von Seiten der Gamer vernichtend. »Mich hat's schon gewundert, wie feindselig nicht nur Leute im Internet, sondern auch Tageszeitungen wie der San Francisco Chronicle diesen Film besprochen haben«, meint Boll.

Ich habe natürlich nie erwartet, dass 'House of the Dead' in der New York Times eine Huldigung kriegt. Aber man hat auch nicht erwartet, dass da steht: Das ist der schlimmste Film aller Zeiten, und der Regisseur sollte nie wieder einen Film drehen. Da fand ich schon, da waren sie weit über das Ziel hinausgeschossen.

Es hat den Filmemacher durchaus gekränkt: »Das war schon irgendwo bitter - weil man sich dachte, jetzt wird man als der neue Ed Wood eingeordnet, als totaler Vollidiot.«

Probleme mit den Drehbüchern

Auch Bolls nächster Spieleverfilmung »Alone in the Dark« war wenig Glück beschieden. Jörg Tittel trat an ihn heran und stellte den Kontakt zu Infogrames her, die gerade den (nie veröffentlichten) vierten Teil der Horror-Spielereihe entwickelten. »Damals waren die Lizenzen nicht so teuer«, meint Boll. »Ein paar Hunderttausend [Dollar, Anm. d. Red.] - das waren also nicht Millionen, um so eine Lizenz zu kaufen.«

Christian Slater (beinahe) alleine im Dunkeln: Trotz bekanntem Hauptdarsteller floppte Alone in the Dark. (Bild © Lions Gate Home Entertainment) Christian Slater (beinahe) alleine im Dunkeln: Trotz bekanntem Hauptdarsteller floppte Alone in the Dark. (Bild © Lions Gate Home Entertainment)

Mit dem Skriptentwurf von Elan Mastai war er nicht zufrieden, weswegen seine langjährigen Mitstreiter Michael Roesch und Peter Scheerer am Drehbuch bastelten - das, wie Boll zugibt, zum Drehstart längst noch nicht ausgereift war. »Da ist das Problem mit dem Kapital, das ich zu diesem Zeitpunkt über Filmfonds aufgestellt habe: Die mussten im selben Jahr das Geld ausgeben«, erklärt Boll.

»Und das bringt natürlich ein nicht fertiges Skript trotzdem zum Drehstart. Wo man einfach sagt: Was soll ich denn jetzt machen? Wenn ich jetzt nicht anfange, dann werden die ganzen Investoren die Steuerabschreibungsmöglichkeit komplett verlieren - und dann werde ich von allen verklagt. Und dann geht's um 20, 30 Millionen«, verteidigt er die Herangehensweise.

Bevor man den Kopf darüber schüttelt, wie das Geld hier den kreativen Prozess diktiert, sollte man sich in Erinnerung rufen, dass Hollywood im Prinzip genauso funktioniert: Die meisten Blockbuster haben ein fixes Veröffentlichungsdatum, bevor ein fertiges Skript existiert.

Weit stärker noch als bei »House of the Dead« ist tatsächlich das Drehbuch das Hauptproblem von »Alone in the Dark«, der handwerklich keinesfalls so inkompetent inszeniert ist, wie die Kritik behauptete. »So schlecht ist der gar nicht«, stuft Boll den Film selber ein.

Da sind viele gute Szenen. Die Creatures sind gut, sauber gemacht, viele Actionszenen - ich finde auch Christian Slater und Stephen Dorff nicht schlecht, die ganzen anderen Figuren sind okay. Tara Reid zieht's natürlich ein bisschen ins Lächerliche, die ist einfach nicht glaubwürdig. Auch da würde ich sagen: Die Kritiken schossen etwas übers Ziel hinaus.

Auch bei der nächsten Videospielverfilmung »Bloodrayne« blieb dank des Finanzierungsmodells nicht genug Zeit für das Skript. Boll heuerte »American Psycho«-Co-Autorin Guinevere Turner an, die sich zu viel Zeit mit der Arbeit ließ. »Die sagt hinterher, sie hatte überhaupt keine Ahnung, dass sie keine Zeit dafür hatte - alles Quatsch, im Vertrag steht genau drin: Erster Draft in vier Wochen, Dreharbeiten dann und dann«, schüttelt Boll den Kopf.

»Der Rest ist erstmal egal, solang die Figur da drin ist«: Kristanna Loken in Bloodrayne (Bild © Boll KG Productions). »Der Rest ist erstmal egal, solang die Figur da drin ist«: Kristanna Loken in Bloodrayne (Bild © Boll KG Productions).

»Da hätten wir noch Zeit gehabt, ein Rewrite von ihr selber machen zu können. Aber das ging ja gar nicht, wir waren ja schon in Rumänien! Wir waren in Vorproduktion, und dann kam und kam das Drehbuch nicht!« So schrieb Boll das Skript notdürftig mit Dan Clarke um. »Das war natürlich auch nicht die Lösung«, gibt er zu.

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