Keine Taktik ohne Gegenmittel
Wirklich störend wirkt sich der Flugzeug-Verzicht aber auch nicht aus, weil’s auch so für jede Taktik ein passendes Gegenmittel gibt: Wenn uns der Gegner etwa mit Helikoptern überrascht, ordern wir flugs Luftabwehr-Raketenwerfer – die wir hoffentlich vorher in unser Deck aufgenommen haben.
Die Anti-Flieger-Vehikel sind allerdings ein leichtes Opfer für schnell vorstoßende leichter Panzer, die wir wiederum mit in Gebüschen verschanzten schweren Panzern zurückwerfen, woraufhin der Feind die Vegetation mit Artillerie-Sperrfeuer eindeckt. Gegen die Geschütze gehen wir mit unseren Hubschraubern vor – und der Balancing-Kreis schließt sich.
Das Rückgrat der Armee stellen übrigens leicht bewaffnete Aufklärer: Wer nicht sorgfältig späht, tappt schneller in Hinterhalte, als er »Werner Weinhold, was hast du getan?!« fluchen kann. Realistische Sichtlinien (unterbrochen durch Wälder oder Städte) spielen nämlich eine ebenso wichtige Rolle wie Höhenunterschiede und die weitgehend originalgetreuen Eigenschaften der Einheiten.
Ähnlich wie im Realismus-Primus Men of Warfinden zum Beispiel Panzerduelle über große Entfernungen statt, und Hubschrauber leeren binnen Sekunden ihre Gatling-Kanonen und müssen neue Munition holen.
Siegpunkte schlagen Rohstoffe
In den Mehrspieler-Gefechten von Wargame ringen die Spieler um Kontrollzonen, die Ressourcen für Nachschub abwerfen und die wir ausschließlich mit sehr teuren Kommandoeinheiten besetzen können. Der Clou ist allerdings, dass weder die Rohstoffquellen noch die geförderten Ressourcenmengen spielentscheidend sind, sondern die Siegpunkte.
Für jede einzelne zerstörte Feindeinheit bekommen wir nämlich einen Zähler – je teurer der zerstörte Truppentyp, desto schneller füllt sich das Siegeskonto. Das hat zur Folge, dass nicht die Partei mit den meisten Truppen oder Ressourcen die Oberhand gewinnt, sondern die, die am effektivsten und klügsten damit umgeht.
So haben eingebunkerte Verteidiger dieselbe Chance wie aggressive Drauflos-Angreifer. Das gibt es in dieser Konsequenz recht selten im Echtzeit-Genre, weil’S eben gerade keinen schnellen Klickfinger erfordert, sondern Hirnschmalz, Wir müssen uns eben auch mal zurückziehen, abwarten und vorausplanen, um zu gewinnen. Wer seine Einheiten gedankenlos verheizt, beschleunigt nur den Sieg des Gegners.
Das Szenario
Wargame: European Escalation spielt unterschiedliche Szenarien durch, wie der Kalte Krieg in den Siebziger und Achtziger-Jahren in begrenzten konventionellen Konflikten hätte heißlaufen können. Dazu wandeln die Entwickler historische Fakten nur ganz geringfügig um: So führt zum Beispiel die polnische Solidarnosc-Gewerkschaft um Lech Walesa statt zum friedlichen Wandel zur handfesten Krise. Oder die NATO-Kommandostabs-Übung »Able Archer« mündet 1983 nicht nur in misstrauischen Blicken der Sowjets, sondern im tatsächlichen Krieg. Die Warschauer Pakt-Staaten interpretierten dieses Manöver damals als Vorbereitung eines NATO-Angriffs, bewahrten aber einen kühlen Kopf – in Wirklichkeit konnte die Eskalation also gerade noch abgewendet werden.
Technik- und Bedieungsmacken
Während der taktische Anspruch und der Mehrspieler-Spaß von Wargame: European Escalation also durchaus in Ordnung gehen, kann die Technik nicht ganz mithalten. Aus der Nahansicht wirken viele Animationen und Bewegungen unfreiwillig komisch (Flugverhalten der Hubschrauber, Laufwege der Infanterie), Sichtlinien funktionieren manchmal auch durch Hindernisse hindurch, Clippingfehler lauern an allen Ecken und Enden.
Ebenso lieblos wie die technsiche Umsetzung wirkt das spartanische und umständliche Interface, dem zahlreiche Komfortfunktionen fehlen – etwa eine Einheitenübersicht und Gruppierungsbefehle, bei denen wir uns nicht die Finger verknoten. In unseren Online-Testpartien stießen wir zudem auf häufige Abstürze und Verbindungsprobleme. Wargame läuft eben noch recht instabil, aber das passt ja zur politischen Lage im Spiel.
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