X-Men: Apocalypse - Filmkritik zum Mutanten-Blockbuster (Spoiler-frei!)

Unser Review zeigt: X-Men: Apocalypse ist mit Fan-Favoriten wie Cyclops, Jean Grey und Nightcrawler ein Schritt in die richtige Richtung. Mehr aber auch nicht.

X-Men: Apocalypse in der Kritik: Was kann der neunte X-Men-Film? X-Men: Apocalypse in der Kritik: Was kann der neunte X-Men-Film?

Ich wollte zum X-Men-Fan werden. In den vergangenen Wochen habe ich den Geldbeutel umgedreht und mich privat mit Mutanten-Comics der 70er, 80er, 90er, 2000er und 2010er bestückt. X-Factor, X-Men: Onslaught, New X-Men, Wolverine, All-New X-Men - die volle Dröhnung X mit jeder Menge Cyclops, Jean Grey und Superhelden-Soap-Opera. Der Grund für mein Mutanten-Bootcamp? Der Layout-Kollege Alex Wagner schwärmt seit ich ihn kenne davon, wie großartig die X-Men sind. Und weil er der einzige in der Redaktion ist, der noch verrückter auf Comics abgeht als ich, muss da was Wahres dran sein.

Da kommt mir X-Men: Apocalypse natürlich sehr gelegen. Die Krux an der Sache: Auch wenn ich seit meiner Kindheit immer wieder mit Marvels Mutanten in Berührung gekommen bin und natürlich auch alle Kinofilme samt Spin-Offs gesehen habe, konnten Cyclops und Co. bei mir persönlich nie denselben Punch entwickeln wie ein Batman oder Spider-Man - sowohl im Comic, als auch in den zahlreichen Verfilmungen.

Das hat natürlich Gründe. Aber weil ich dem Kollegen Alex vertraue, schiebe ich die derzeit zur Seite und lasse mich voll und ganz auf das Mutanten-Universum ein. Außerdem gehören X-Men 1 und 2 in meinen Augen zu den besten Superheldenfilmen überhaupt. Also: Kann X-Men: Apocalypse es im Rahmen meines Bootcamps schaffen, die Begeisterung für die Titelhelden so richtig zu befeuern? Die kurze Antwort: Ein klares Jein.

Der Autor: Dimi hat sich jüngst ein gigantisches IKEA-Regal gekauft und seine komplette Comic-Sammlung der letzten 3 Jahre dort unterbekommen - und trotzdem bleibt noch Platz übrig! Den füllt er gegenwärtig mit jeder Menge X-Men-Comics, denn die Mutanten rund um Professor Xavier sind für Comic-Fans eigentlich ein Muss und punkten - wie auch die Filme - mit einigen extrem spannenden Charakteren. Und bevor jemand fragt: Ja, Dimi findet Cyclops tatsächlich cooler als Wolverine. Verstehen wir auch nicht.

Das Prequel-Sequel

Je nach Zählung ist X-Men: Apocalypse der neunte Teil der Supermutanten-Filmreihe (Wikipedia listet Wolverine und Deadpool mit dazu). Oder der dritte Teil der zweiten Trilogie. Oder der fünfte Nachfolger zum ersten X-Men aus dem Jahr 2000. Und er spielt vor den Ereignissen dieses Films (im Jahr 1983), aber dank der ganzen Zeitmanipulation aus den Vorgängern auch irgendwie danach. Ich weiß, das klingt verwirrend, aber wo auch immer man den Film jetzt verorten will: Im Zentrum der Handlung steht der aus First Class (X-Men: Erste Entscheidung) und Days of Future Past (X-Men: Zukunft ist Vergangenheit) bekannte Cast rund um James McAvoy (Charles Xavier), Michael Fassbender (Magneto) und Jennifer Lawrence (Mystique).

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Ich verzichte an dieser Stelle ganz bewusst darauf, deren Ausgangssituation in der Story umfassend zu erläutern. Das hat zwei Gründe. Erstens: Ich will dieses Review spoiler-frei halten. Und zweitens würde eine solche Schilderung extrem ausufern. Denn wer die direkten Vorgänger von X-Men: Apocalypse nicht gesehen hat, schaut zu Beginn des Films in die Röhre. Man sollte zum Beispiel wissen, wer Moira MacTaggert ist, warum Magneto sich vor dem Gesetz versteckt und warum Mystique auf geheimen Mutantenpostern als Symbolfigur posiert. Und natürlich müssen einem auch alle diese Charaktere aus dem Effeff bekannt sein.

Das soll allerdings nicht heißen, dass X-Men: Apocalypse auf eine Einführung verzichtet. Ganz im Gegenteil: Bevor es mit der Story so richtig zur Sache geht, vergeht locker die Hälfte der Laufzeit - wenn nicht mehr. Allerdings nutzt das Drehbuch diese lange Dauer, um einen neuen, noch jüngeren Cast einzuführen. Fans freuen sich unter anderem über Scott Summers (Cyclops), Jean Grey (Marvel Girl) und Nightcrawler. Wenn diese Charaktere miteinander interagieren, sich in Xaviers Mutantenschule einleben und ihre Fähigkeiten kennenlernen, spürt man fast wieder denselben Charme wie in den allerersten X-Men-Filmen. Diese Momente sind gleichzeitig die stärksten im ganzen Film.

Zu viele Mutanten verderben den Brei

Trotzdem kränkelt der Film unter ähnlichen Beschwerden wie X-Men: Der letzte Widerstand: Es gibt schlicht zu viele Charaktere, ohne dass sich die Handlung eine richtige Ankerfigur wählt - in den ersten Filmen war das Wolverine, jetzt wechselt der Fokus mal zwischen Magneto und Xavier, dann springt er zu Cyclops und Jean, dann zu Mystique. Alle Helden wirken wichtig, aber keiner wichtig genug. Andere Charaktere kommen hingegen viel zu kurz. Über die Motivation und Persönlichkeit hinter den Neuzugängen Psylocke und Angel erfahre ich als Zuschauer quasi gar nichts. Damit ist X-Men: Apocalypse jetzt schon der zweite Film, der Warren Worthington alias Angel komplett verheizt. Dabei gehört der Kerl in den Comics zu den Gründungsmitgliedern der X-Men!

Der fehlende Charakterfokus wäre nicht so ein großes Problem, wenn der eigentliche Plot dafür punkten könnte. Das klappt aber nicht. Ich werde wahrscheinlich nie verstehen, warum aktuell so viele Superhelden-Verfilmungen auf Vorlagen aus den 90ern setzen, aber das wird auch X-Men: Apocalypse zum Stolperstein (wer mich über die Comics der 90er jammern sehen will, liest einfach die Kritik zu Batman v Superman).

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Denn auch der zentrale Schurke des neue X-Men-Films stammt aus dieser eher plakativen Storytelling-Ära, und das macht sich bemerkbar: Supermutant Apocalypse erwacht nach langem Schlaf in unserer Gegenwart und fasst den innovativen Plan, die komplette Menschheit auszurotten, die Zivilisation zu zerstören und mit den paar Überlebenden eine Mutantendiktatur zu errichten. Ein bisschen wie Ivan Ooze aus Power Rangers - Der Film. Und der war ja 1995 schon cool.

Wenn die Zahnräder schöner als das Uhrwerk sind

Im Rennen sind also unzählige Charaktere, die uns wegen fehlender Einzel-Screentime weniger ans Herz wachsen, als sie könnten, und ein eindimensionaler Bösewicht mit Allmachts-Psychose. Klingt also nach einem eher enttäuschenden Rahmen, trotzdem hatte ich beim Schauen von X-Men: Apocalypse unterm Strich soliden Spaß. Was den Film für mich rettet, sind die überzeugenden Schauspieler und haufenweise wirklich gelungene Einzelszenen, die sich wie ein Best-Of der Vorgänger anfühlen.

Da gibt es die bereits angesprochenen Coming-of-Age-Sequenzen der jüngsten Mutantengeneration rund um Scott Summers und Co., die an den Charme des allerersten X-Men herankommen. Die Charaktere harmonieren prima miteinander, gerade wenn sie sich necken und aufziehen. An anderer Stelle trumpft der Film mit einer famosen Quicksilver-Szene, die an die Kult-Sequenz des direkten Vorgängers problemlos heranreicht - außerdem erhält die Figur endlich ein bisschen mehr Wichtigkeit in der Gesamtgeschichte. Auch einige der Kämpfe sind ein echtes Fest fürs Auge. Und das Ende ist mit der beste Part des ganzen Films, weil es mehr Stimmung auf die Zukunft der Franchise macht als alle X-Men-Nachfolger seit Teil 2.

Ich weiß, in der Summe klingen die Pro-Argumente nicht unbedingt nach viel. Für mich persönlich fallen sie aber durchaus stark ins Gewicht, sodass ich meine Freude mit dem Kinobesuch haben kann: X-Men: Apocalypse ist ein charmanterer Film als Days of Future Past, aber nicht unbedingt ein besserer. Weil ich durch meine selbstverschriebene Comic-Therapie aktuell ein großes Herz für den gigantischen Helden-Pool des X-Men-Universums entwickle, sind ebendiese charismatischen Charakter-Spotlights genau das, was ich mir wünsche. Allerdings muss man das stets in Relation zur eher schwachen Gesamt-Story sehen - Apocalypse bleibt ganz klar hinter First Class oder den ersten beiden Filmen zurück.

Der Film rennt der Ausgangssituation dieser besten X-Men-Filme erfolglos hinterher - will dieselbe Team-Dynamik und Persönlichkeit entwickeln, schafft das allerdings erst ganz zum Schluss. Ich sitze also vor dem Abspann und fühle mich in meiner Leidenschaft von Cyclops und seinen Kumpels tatsächlich extrem befeuert. Nur liegt das eher an der Aussicht auf die eventuelle Fortsetzung des Films nach der coolen Endsequenz - und nicht an X-Men: Apocalypse selbst. Schade drum.

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