Es gibt Dinge, die man im Laufe seines Berufslebens in die Hände bekommt, die schnell ihre eigentliche Bedeutung verlieren - und die man trotzdem nicht wegwerfen kann. Etwa der von Doug Lombardi ausgefüllte Versandzettel des ersten Counter-Strike: Condition Zero, weil er mich immer wieder zum Lachen bringt. Dass Valve diesen Murks ernsthaft verschickt hat, ist mir heute noch genauso schleierhaft wie damals.
Oder das Testmuster von Operation Flashpoint, einfach, weil es das Testmuster von Operation Flashpoint ist. Oder diesen uralten Fünf-Hrywen-Schein, der von der Taxifahrt mitten in der Nacht zurück zum Flughafen Boryspil übriggeblieben ist. Weil er mich an meine bis dato bizarrste und gleichzeitig interessanteste Dienstreise erinnert. Die fand im Frühling 2003 statt und führte mich nach Kiew.
Es wird vielleicht allgemein angenommen, dass Spielejournalisten, die ständig durch die Weltgeschichte jetten, mit allen Wassern gewaschen sind und sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen. Schon gar nicht durch eine jobbedingte Reise. Nun treibt es uns aber im Regelfall in die USA, nach England, zuweilen auch mal nach Japan.
Mit das Exotischste, was ein Mensch meiner Zunft im Laufe seiner Karriere erleben kann, ist die Pariser Innenstadt, wo sich viele Menschen selbst im Jahre 2017 noch beharrlich weigern, Englisch zu sprechen, auch wenn sie's eigentlich könnten. Selten (bis nie) verschlägt es uns in Länder, in denen wir uns lediglich mit einem verschwindend geringen Teil der Bevölkerung verständigen können - und dann auch nicht allein.
Doch GSC Game World waren zum Zeitpunkt meiner Reise noch ohne Publisher. Einen PR-Menschen, der alles im Vorfeld schön organisierte, konnten die Entwickler also nicht abstellen. Der hätte mir indes beim Express-Visum auch nicht behilflich sein können. Sei's drum, schließlich saß ich abends im Flieger nach Kiew.
Die Autorin
Es begann alles, da war Petra etwa sieben Jahre alt. Familie Schmitz verbrachte damals den Urlaub in Österreich. Drei Wochen Ebensee am Traunsee, Petras Eltern hatten dort beste Freunde. Die die Urlauber zum Baden stets an den kleinen Offensee begleiteten. Nicht weit weg vom Offensee stand ein kleiner Kiosk. Da machten die Gruppe abends nach dem Schwimmen häufig Rast. Die Männer tranken Bier, die Frauen tranken einen Weißwein, und die Kinder bekamen ein Eis. Petra mochte am liebsten diese Chemikalien zum Löffeln, wo unten in der Schale ein Kaugummi wartete. Der Kiosk verfügte über eine kleine Sitzgruppe aus Holz, die stand auf Waschbetonplatten, zwischen denen ein paar Grasbüschel hervor ragten.
Petra kann sich heute noch an das Gefühl erinnern, barfuß über den warmen Waschbeton zu laufen. In einem hellblauen Kleid mit ein bisschen weißer Spitze am Kragen. Und es gab da ein altes, leerstehendes, weil nie fertiggestelltes mehrstöckiges Bürogebäude. Die Natur hatte es schon ein bisschen zurückerobert. Petras Erinnerung behauptet, dass sie häufig vor dem Kiosk in der Abendsonne stand, ihr Eis löffelte und Bürogebäude, Bäume und Alpen anstarrte, fasziniert vom Kontrast. Und seitdem hat sie diese seltsame Vorliebe für leerstehende, heruntergekommene, von der Natur zurückeroberte, mehrstöckige, sehr zweckmäßige Gebäude, die von der sommerlichen Abendsonne angeleuchtet werden. Immer, wenn sie an solch einer Szenerie vorbeikommt, fühlt sie eine verrückt schöne Vertrautheit.
Release noch 2003
Der Startschuss für die Reise fiel jedoch schon Mitte 2002, als ich das erste Mal auf Stalker aufmerksam wurde. Die Umstände waren denen meiner Entdeckung von Operation Flashpoint dabei nicht ganz unähnlich. Bei Flashpoint surfte ich abends noch Weile im Netz auf der Suche nach interessanten Projekten, stieß auf die Website der Entwickler und las mit leuchtenden Augen über die geplanten Dimensionen der Militärsimulation.
Bei Stalker war es mittags. Ich stolperte über das Video einer Techdemo bei Giga Games und war hin und weg. Die Grafik! Und die Stilsicherheit des Gezeigten. Bei beiden Spielen stellte sich sogleich der beharrliche Glaube ein, dass ich da jeweils etwas ganz Besonderes vor mir hatte und dass es meine eherne Berufspflicht war, an der Sache dran zu bleiben.
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