BioWares Fantasy-RPG-Meisterwerk

Rezension: „Dragon Age: Origins“ (Ultimate Edition) – Plattform: Steam

von ModuGames am: 17.01.2021

BioWare. Ein Name, der einst die Herzen aller Rollenspieler höherschlagen ließ. Von den Großtaten der Marke Baldur's Gate oder Knights of the Old Republic ist das kanadische Entwicklerstudio heutzutage weit entfernt – Mass Effect: Andromeda und Anthem wurden von der Spielerschaft zumindest einmal kontrovers aufgenommen, wenn nicht sogar mehrheitlich für ungenügend empfunden. Grund genug für mich, eines der letzten BioWare-Spieler zu untersuchen, das fast einstimmig für großartig befunden wurde: Dragon Age: Origins, veröffentlicht im November 2009, zählt als Klassiker des Rollenspiel-Genres und ist – nebenbei gesagt – eines meiner persönlichen Lieblingsspiele. Na dann, auf nach Ferelden!

Warum eigentlich „Origins“?

Wenn Sie Erfahrung mit Rollenspielen haben, dann ist Ihnen bestimmt schon einmal die typische 08/15-Charaktererstellung über den Weg gelaufen: Man sucht sich für seine Figur eine Hintergrundgeschichte aus, die in Textform präsentiert wird und später nie mehr eine Rolle spielt. Dragon Age geht hier glücklicherweise einen anderen Weg. In den sogenannten „Origin Stories“ erleben wir die Hintergrundgeschichte unseres künftigen Reckens hautnah mit. Es gibt hierbei sechs Auswahlmöglichkeiten: Menschlicher Adeliger, Magier, Dalish-Elf, Stadtelf, Bürgerlicher Zwerg und Adeliger Zwerg. Anhand dieser Optionen können Sie auch schon sehen, dass man sich zwischen drei Rassen – Mensch, Zwerg und Elf – entscheiden muss, die man jeweils in männlicher und weiblicher Form spielen kann. Diese Hintergrundgeschichten sind jeweils etwa eine Stunde lang und führen uns organisch in die Handlung ein. Anzumerken ist auch, dass jede Origin Story dazu führt, dass man eine andere Perspektive auf die Haupthandlung bekommt. Wer etwa einen adeligen Zwerg spielt, wird die Ereignisse in der Stadt Orzammar, die man im Verlauf der Handlung besucht, anders wahrnehmen als jemand, der zum Beispiel einen Menschen ausgewählt hat. Das kann man kritisieren, da einem immer gewisse Details und Anspielungen entgehen, wenn man nicht alle Origin Stories gespielt hat. Ich selbst erachte diese Mechanik jedoch als eine Art Puzzle, das man über längere Zeit zusammensetzt. Man kann natürlich auch nur eine einzige Hintergrundgeschichte erleben, die Haupthandlung genießen und es dabei belassen, was völlig legitim ist. Aber man verpasst den enormen Wiederspielwert von Origins. Ich habe fast alle Hintergrundgeschichten ausprobiert (mir fehlt noch der Magier, da mir dieser Spielstil nicht liegt) und kann deren hohe Qualität bezeugen.

Hier sieht man die Fußsoldaten der Dunklen Brut. Im Hintergrund erkennt man einen mächtigen Oger, der vor allem zu Anfang des Spiels ein starker Gegner ist. Später kann man ihn jedoch relativ leicht besiegen. So vermittelt Origins überzeugend, dass unsere Figur immer stärker wird.

In jedem Fall endet eine Origin Story damit, dass ein Mann namens Duncan auftaucht, der sich als „Grauer Wächter“ herausstellt. Dazu muss man wissen, dass Dragon Age im Königreich Ferelden spielt, welches von sogenannten Verderbnissen heimgesucht wird. In einer Verderbnis strömt die Dunkle Brut aus unterirdischen Gängen hinauf auf die Oberfläche und tötet die Bevölkerung. Die Dunkle Brut wiederum kann man sich vorstellen wie Orks: meist humanoide, blutrünstige Monster. Die Grauen Wächter sind ein Orden, dessen Ziel darin besteht, diese Ungeheuer abzuwehren. Besagter Duncan tritt nun also an uns heran und will uns für die Wächter rekrutieren. Da die Spielfigur am Ende einer Origin Story zumeist tief in Schwierigkeiten steckt, kommen wir natürlich gerne mit. Wie sich herausstellt, befindet sich Ferelden gerade am Anfang einer neuen Verderbnis. Die Horde wird hierbei von einem Erzdämon angeführt, einem Drachen, dessen Vernichtung oberste Priorität für die Wächter hat. Die grundsätzliche Prämisse der Handlung lautet also: Halte die Dunkle Brut auf! Das ist zugegebenermaßen nicht sonderlich innovativ. Die Umsetzung ist es, was die Geschichte von Dragon Age: Origins letztendlich so gut macht.

Eine erwachsene, konsequente Handlung

Was das Spiel besser als die meisten anderen RPGs beherrscht, ist, ein Gefühl der Verwundbarkeit und Gefahr zu erzeugen, was sich schon bei der Geschichte zeigt. Origins ist nicht zu feige, um Figuren, die wichtig erscheinen und einem ans Herz gewachsen sind, umzubringen. Mehr als einmal saß ich vor dem Bildschirm und habe bestaunt, wie konsequent dieses Spiel in der Handhabung seiner Figuren ist. Dabei ist die Story oft wendungsreich gestaltet – nicht notwendigerweise im Sinne eines Plottwists, aber man wird oft mit unerwarteten Gegebenheiten konfrontiert, die allerdings auch Sinn machen und auf die oft mit Hilfe von foreshadowing hingewiesen wird. Wo wir eben schon beim Thema „Gefahr“ waren: Die Dunkle Brut als Hauptgegenspieler ist zwar nicht sonderlich interessant, da sie eben nur ein Haufen mordender Monster ist. Aber die Bedrohung ist spürbarer, als dies in den meisten anderen Rollenspielen der Fall wäre. Beispielsweise erkundet man im Verlauf der Handlung die Brutstätte der Ungeheuer, wobei das Spiel zumindest Ansätze von Körperhorror auffährt. Nicht falsch verstehen: Origins ist kein Horrorspiel, aber es geht in seiner Darstellung von Gewalt weiter, als man das von anderen BioWare-Titeln kennt.

Auf den ersten Blick mag man Werwölfe für geistlose Bestien halten, aber schnell stellt sich heraus, dass das klassische Schwarz-weiß-Schema in Origins meistens nicht funktioniert.

Die Geschichte von Origins ist jedoch auch unter anderen Gesichtspunkten überzeugend. Zum Beispiel spielen politische Vorgänge und Intrigen eine halbwegs große Rolle. Ich will nichts spoilern, aber ich finde gut, dass es in diesem Spiel nicht nur um die Dunkle Brut geht, so muss man sich auch noch mit einem Usurpator herumschlagen, der es persönlich auf uns abgesehen hat. Genauso müssen wir als Grauer Wächter Verbündete um uns scharen und gewisse Kompromisse eingehen. Wir reden hier natürlich nicht über etwas auf dem Niveau von „A Song of Ice and Fire“, aber die Ansätze sind da und das gefällt mir. Die Hauptfigur wirkt nicht so sehr wie die typische eierlegende Wollmilchsau aus anderen Rollenspielen, die alles kann und auf niemanden angewiesen ist. Letztendlich ist sie natürlich eine eierlegende Wollmilchsau, aber das Spiel versteckt es besser. Worin Origins auch brilliert, ist, den Entscheidungen Gewicht zu verleihen. Dies zeigt sich vor allem bei den Begleitern.

Von einem, der ausversehen seine Begleiter umbrachte

BioWare-typisch sammeln wir auf unserer Reise einige Kumpanen auf. Die Vielfalt der Begleiter ist hierbei beachtlich: Da wäre etwa der sarkastische, aber auch leicht naive Graue Wächter Alistair, die mysteriöse Magierin Morrigan aus der Wildnis und der durchgängig betrunkene Zwerg Oghren. Insgesamt gibt es zehn mögliche Begleiter. „Möglich“ deshalb, weil man sich den Zugang zu den Mitstreitern sehr leicht verbauen kann. Das Spiel sagt uns nämlich nicht, wen man später noch rekrutieren kann, deshalb kann es sein, dass man potenzielle Mitstreiter unwissentlich umbringt. Ja, das ist mir tatsächlich passiert – und nicht nur einmal. Genauso kann es aber auch passieren, dass Kumpanen die Gruppe verlassen, wenn man sich gegen deren Interessen entscheidet. Hier ist Vorsicht geboten. Man kann die Zuneigung eines Gefährten erhöhen, indem man ihm oder ihr Geschenke überreicht, die man entweder auf der Reise entdeckt oder bei Händlern einkauft. Teilweise findet man auch besondere Gegenstände, die einen zusätzlichen Dialog auslösen (die meisten Geschenke verändern lediglich Statistiken). Apropos Dialog: Mit seinen Gefährten unterhält man sich meistens im Lager. Dieses ist per Mausklick von der Weltkarte aus erreichbar, doch dazu später mehr. Was Origins gut erreicht, ist, Gemeinschaft aufzubauen: Man steht bzw. sitzt mit der ganzen Truppe um ein Lagerfeuer herum und kann sich kurzzeitig vom epischen Abenteuer ausruhen, indem man den Geschichten der anderen lauscht. Über die Qualität der Begleiter kann man sich hierbei streiten: Den schweigsamen Qunari namens Sten halte ich beispielsweise für relativ langweilig. Andererseits kann ich mich etwa mit Alistair (der oft als zu weinerlich kritisiert wird) hervorragend identifizieren. Und der ewige Trunkenbold Oghren mag zwar keine sonderlich tiefgründige Figur sein, aber er ist enorm unterhaltsam. Die Dialoge, welche die Gefährten untereinander führen, sind übrigens stellenweise richtig fantastisch.

 

Hier sieht man drei unserer Begleiter: Zevran, Morrigan und Alistair. Die Partymitglieder unterhalten sich natürlich auch untereinander – dabei kommen einige hochgradig lustige Gespräche zustande. 

Die bereits angesprochene Weltkarte spielt in Origins eine große Rolle für die Fortbewegung. Hier zeigt sich eine der wenigen Schwachstellen des Spiels: Zufallsgefechte auf der Weltkarte, die man nicht umgehen kann. Manche davon sind storyrelevant. Andere lassen mich gegen eine Horde Wölfe kämpfen, die keinerlei Herausforderung darstellen. Wieder andere zeigen zwar das Symbol für ein Gefecht an, führen mich aber immer wieder zu demselben Händler, dem ich schon wie oft begegnet bin und der nichts Interessantes anzubieten hat. Seufz. Wie Sie sich sicher schon denken können, handelt es sich bei Origins nicht um einen Open-World-Titel. Offene Welten haben Vor- als auch Nachteile: Die Immersion wird zwar gesteigert (wer mag schon Ladezeiten und unnötige Levelgrenzen?), aber meist verliert die Geschichte an Fahrt. Letzteres wäre bei einem solch story- und figurengetriebenen Spiel wie Origins fatal. Deshalb bin ich froh, dass sich BioWare für kleine, relativ lineare Gegenden entschieden haben. Diese wirken aufgrund ihrer grafischen Gestaltung jedoch nie beengt. Die Gebiete, in denen man sich bewegt, können auch ein gewisses Maß an Abwechslung bieten. Wir reden hier zwar nicht über ein Knights of the Old Republic mit einem halben Dutzend Planeten, die jeweils ein ganz anderes Biom aufweisen. Aber es macht schon einen Unterschied, ob man in den Wäldern der Elfen, den Tunnelsystemen der Zwergen oder auf einer verschneiten Bergspitze herumrennt. Herumrennen werden Sie übrigens viel, vor allem wenn Sie so wie ich sind und nie ein Item zurücklassen können, selbst wenn es nur eine dreckige Wurzel ist. Dann stehen oft lange Rückwege durch ein Dungeon o.ä. an. Generell werden Sie um ein gewisses Maß an Backtracking nicht herumkommen. Das ist aber ein verschmerzbarer Kritikpunkt.

Warum Begrenztheit etwas Gutes ist

Dabei finden sich immer wieder Möglichkeiten zum Erkunden: Beispielsweise läuft man oft Schriftstücken über den Weg, die Hintergrundinformationen offenbaren und komfortabel im Kodex gespeichert werden (warum machen das nicht mehr Spiele?). Da man besondere Gegenstände mit Hilfe der Tabulatortaste hervorheben kann – sehr hilfreich! –, ist man zumeist damit beschäftigt, die Karte nach Kisten, Pflanzen oder ähnlichem abzugrasen. Hier zeigt sich ein weiterer Vorteil von „linearen“ Spielen im Gegensatz zu Open Worlds: Man hat tatsächlich das Gefühl, dauerhaft etwas erreicht zu haben, da Gegner und Gegenstände nicht nachspawnen. Dementsprechend hat man auch nur ein begrenztes Potenzial, um seinen Charakter auszubauen – das sehe ich aber als etwas Gutes. Man kann eben nicht jede Fähigkeit erlernen, sondern wird gezwungen, sich zu spezialisieren. Dadurch wird der Wiederspielwert deutlich erhöht.

Die Gegenden (hier das Dorf Redcliffe) mögen nicht sonderlich groß sein, allerdings kann man diese daher auch definitiv abschließen. Nachspawnende Gegner sucht man zum Glück vergeblich.

Bevor wir jedoch allzu sehr über den Wiederspielwert reden, sollten wir erst einmal klären, wie lange es dauert, Origins abzuschließen. Ich habe zwei meiner Abenteuer dokumentiert und komme einmal auf 52, ein anderes Mal auf 41 Stunden. Anzumerken ist, dass ich meistens versuche, alle Quests zu erledigen, solange diese nicht zu stumpf oder zu aufwendig sind. Allerdings gehöre ich nicht zu der Sorte Spieler, die sich aus Prinzip alle Dialogoptionen anhören. Wenn man wirklich darauf aus ist, das Spiel zu 100 Prozent abzuschließen, kann man bestimmt auch mehr als 70 Stunden in sein Abenteuer stecken. Von einer solchen Akribie rate ich allerdings, wie in eigentlich allen anderen Fällen auch, ab. Wenn man sich nur auf die größeren Quests konzentriert, wird man auf hochwertiges, gut geschriebenes Material stoßen. Es gibt jedoch auch eine Reihe von Sammelaufgaben in diesem Spiel, welche aber immer in einen kleinen Story-Rahmen – und sei es nur ein Brief, der den Auftrag skizziert – eingebunden sind. Glücklicherweise sind Quests dieser Art optional.

Klasse Klassen und unachtsame Unholde

Jetzt habe ich zugegebenermaßen viel über das Drumherum geredet, aber nun ist es Zeit, dass wir uns der tatsächlichen Rollenspielmechanik zuwenden. Es gibt in Origins drei Klassen: Krieger, Magier und Schurke. Diese kann man jedoch noch weiter ausdifferenzieren. Beispielsweise besitzen Krieger jeweils einen „Talentbaum“ für den Kampf mit einer zweihändigen Waffe und für den Kampf mit Waffe und Schild. Man kann natürlich aus beiden Kategorien Talente erlangen, allerdings scheint mir dies weniger effektiv, als sich zu spezialisieren. Genauso muss man sich entscheiden, ob man bei einem Schurken den Fokus auf den den Nahkampf mit zwei Waffen oder auf den Fernkampf mit Bogen legt. Außerhalb dieser generellen Spielstile lassen sich jedoch noch eine Vielzahl an weiteren Talenten freischalten. Pro Levelaufstieg darf man sich ein neues Talent aussuchen, genauso kann man Attribute wie Geschicklichkeit steigern und gelegentlich Fähigkeiten wie den Fallenbau oder die Giftherstellung erlangen. Ein ziemlich typischen Rollenspiel-Levelsystem also – was aber keineswegs etwas Schlechtes sein muss. Im Falle dieses Spiels hat BioWare meines Erachtens nach eine gute Mischung aus Komplexität und Zugänglichkeit erreicht. Da Origins ein klassisches Gruppen-Rollenspiel mit vier Figuren pro Party ist, sollte man sich genauestens überlegen, wie man seinen Trupp aufstellt. Für mich hat sich beispielsweise die Kombination aus zwei Kriegern (einer mit Zweihandwaffe, einer mit Schild), einem Magier, der Verbündete heilt und Flächenschaden verursacht, und einem Nahkampf-Schurken als optimal herausgestellt. In meinem letzten Spieldurchlauf war der Schurke mein Hauptcharakter, da ich tatsächlich zu diesen komischen Leuten gehöre, die in Rollenspielen in die „Überreden“-Fähigkeit investieren, um Konflikte friedlich zu lösen. Nicht zu vergessen, dass man mit einem Schurken hervorragend Schlösser knacken und angeschlagene Gegner gezielt erledigen kann. Der Grund, warum ich meinen Schurken im Nahkampf – und nicht etwa im Umgang mit dem Bogen – geschult habe, liegt darin, dass ich den Fernkampf generell für weniger nützlich erachte, außer in bestimmten Situationen.

 

Mit unseren drei Nahkämpfern (zu erkennen an den gelben Kreisen) schlagen wir auf einen feindlichen Soldaten (roter Kreis) ein. Dabei werden wir von freundlichen KI-Soldaten unterstützt. Die Magierin Morrigan bleibt unterdessen auf sicherer Distanz.

Um zu erklären, über welche Situationen ich rede, muss ich zuerst den Schwierigkeitsgrad erläutern. Ihnen stehen dabei vier Optionen zur Auswahl: leicht, mittel, schwer und Albtraum. Ich habe das Spiel auf „schwer“ abgeschlossen, musste allerdings bei drei Kämpfen den Anspruch herunterschrauben. Dabei handelte es sich zumeist (aber nicht immer) um Bosskämpfe, die in einem abgeschlossenen Areal stattfanden. Ich verstehe zwar, dass man die Gefechte mit den Obermotzen härter gestalten will, aber in manchen Fällen schien mir der Anspruch etwas zu sehr vom restlichen Spiel abzuweichen. Dabei handelt es sich allerdings, wie es bei Dragon Age: Origins eigentlich immer der Fall ist, nur um einen kleinen Kritikpunkt. Der Grund dafür, dass der Rest des Spiels tendenziell leichter ist, liegt an der bereits angesprochenen Größe der Areale. Hat man genug Raum zum Manövrieren, ist es möglich, Teile einer größeren Gegnerhorde gezielt anzulocken und nacheinander auszuschalten – hierfür ist der Bogen dann auch hervorragend. Man kann natürlich kritisieren, dass es diese ziemlich unrealistische Mechanik gibt („Warum bemerken denn die anderen Feinde nicht, dass ihre Kollegen zehn Meter weiter umgebracht werden?“), aber ich habe damit nie negative Erfahrungen gemacht. Ganz im Gegenteil: Ich erachte es als unterhaltsame Herausforderung, auszuprobieren, wie man Gegnergruppen möglichst effektiv aufteilt und dann dezimiert.

Kampfsystem-Perfektion und UI-Unverständnis

Dieses bereits angesprochene Manövrieren nimmt in Origins generell einen hohen Stellenwert ein. Dazu muss man wissen, dass pausierbare Echtzeit die Basis des Kampfsystems darstellt. Basierend auf dieser Grundlage haben BioWare jedoch etwas sehr Besonderes geschaffen. Grundsätzlich spielt man aus der Third-Person-Verfolgerperspektive. Man kann jedoch weit herauszoomen und erhält dann eine Ansicht, wie man sie sonst nur aus isometrischen Rollenspielen Strategietiteln kennt. Dieses Feature ist so simpel, wie es brillant ist: Wenn ich möchte, kann ich mitten im Geschehen sein (Third Person), und wenn ich Überblick brauche, wechsele ich fließend in die andere Perspektive. Dabei kann ich die Gruppe komfortabel mit der Maus und/oder der Tastatur steuern, wobei es eine Reihe nützlicher Befehle gibt. Das sind einige der Aspekte, die dazu führen, dass Origins mein Lieblingskampfsystem aller Zeiten hat. Aber auch andere Dinge tragen dazu bei, wie etwa die bereits angesprochene Mischung aus Komplexität und Zugänglichkeit. Ich kann zwar das Verhalten jeder einzelnen Figur haargenau festlegen, um meine Effizienz zu optimieren. Ich muss aber nicht. Die grundsätzlichen Funktionen in den Gefechten sind gut nachzuvollziehen und gehen leicht von der Hand. Was mir an den Kloppereien auch so gut gefällt, ist, dass sie sich wirklich gewaltig anfühlen. Nehmen wir mal Dragon Age 2 als Vergleich: Dort bewegen sich die Kämpfer unnatürlich schnell und führen allerlei unnötige akrobatische Kunststücke auf. Das ganze wirkt eher wie ein Cartoon – da fehlt einfach die Wucht.

Dieser Oger hat eine unserer Magierinnen gepackt – nicht gut! Dank Pausefunktion und übersichtlichem Interface können wir uns jedoch in Ruhe überlegen, wie wir am besten auf diesen Umstand reagieren.

Ganz anders bei Origins: Die Aktionen wirken zwar tendenziell etwas träge, aber dafür fiebert man auch immer mit seinen Recken mit, dass wirklich jeder Schlag sitzt. Und wenn er dann trifft, hat das eine gewisse Wirkung. Tatsächlich sind die Bewegungen der Kämpfer oft zu langsam, wenn wir sie unter dem Aspekt von Realismus betrachten. Aber der Effekt, der daraus resultiert, ist toll – und wer weiß, vielleicht wiegen die Schwerter in Ferelden ja auch einfach zwei Zentner. Mein letzter primärer Punkt, der dazu beiträgt, die Kämpfe so gut zu machen, ist das User Interface. Das UI gehört hierbei zu den Dingen, die am öftesten an Origins kritisiert werden und ich habe nicht die leiseste Ahnung warum. Beispielsweise gibt es eine Schnellleiste am unteren Bildschirmrand, wo man alle Talente hinziehen kann, die man braucht. Das ganze ist dezent, leicht konfigurierbar und vermittelt alle wichtigen Informationen. Generell halte ich alle Menüs für übersichtlich und stilsicher, was ich z.B. vom bereits angesprochenen Dragon Age 2 oder auch älteren BioWare-Titeln wie KotOR nicht behaupten kann. Klarer Punkt für Origins.

Das Abenteuer endet noch nicht!

Der Ultimate Edition von Dragon Age liegen alle DLCs für das Spiel bei und fließen dementsprechend auch in meine Wertung ein. Lediglich die große Erweiterung namens „Awakening“ werde ich gesondert behandeln. Einige DLCs fügen sich in das Hauptspiel ein, so kann man die Questreihen für „Wächterfestung“, „In Stein gefangen“ und „Rückkehr nach Ostagar“ von der Weltkarte aus anwählen. Dabei handelt es sich um ganz unterhaltsame, kurze Nebengeschichten, die jedoch keine Bäume ausreißen. Die anderen DLCs, welche jeweils eine bis zwei Stunden dauern, muss man vom Hauptmenü aus starten. Hier ein kurzer Überblick:

Die Chroniken der Dunklen Brut: Diese Geschichte spielt in einem alternativen Universum, in dem wir das Kommando über einen Trupp der Dunklen Brut übernehmen, um Denerim, die Hauptstadt von Ferelden, zu erobern. Im Verlauf der Handlung tötet man so ziemlich jeden, der einem im Hauptspiel ans Herz gewachsen ist. Einmal selbst die Fähigkeiten der Monstren einsetzen zu dürfen, ist sehr befriedigend.

Lelianas Lied: Die Klosterschwester Leliana gehört zu den ersten Begleitern im Hauptspiel, wo man sie in Lothering aufsammelt. Diese Kampagne spielt vorher, also erlebt man ihren Werdegang und erfährt auch, wie sie überhaupt bei der Kirche gelandet ist. Ganz nett, aber für mich gehört Leliana zu den weniger interessanten Figuren.

Wer schon immer einmal in die Rolle der Ungeheuer schlüpfen wollte, sollte sich den DLC „Die Chroniken der Dunklen Brut“ nicht entgehen lassen.

Die Golems von Amgarrak: Hier wird es interessant, denn dieses Kapitel spielt nach der Haupthandlung, dementsprechend ist es möglich, seine Figur zu importieren. Auf der Suche nach einer vermissten Zwergenexpedition begeben wir uns erneut tief unter die Erde, wo wir es mit einigen fiesen Kreaturen zu tun bekommen. Vorsicht: Dieser DLC ist schwer!

Hexenjagd: In dieser Geschichte, die nach dem Hauptspiel angesiedelt ist, macht man sich mit seinem Grauen Wächter und einigen neuen Begleitern auf die Suche nach Morrigan. Dieser DLC dient hauptsächlich dazu, den Grundstein für die späteren Teile der Serie zu legen und wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese zusätzlichen Kampagnen allesamt nette, unterhaltsame Abenteuer bieten, die in Sachen Tiefe aber keinesfalls an die Haupthandlung heranreichen.

Es hängt an der Technik

Zuletzt möchte ich mich noch der Präsentation widmen. Für ein Spiel, das Ende 2009 erschienen ist, sieht Dragon Age zugegebenermaßen nicht sonderlich beeindruckend aus. Gestiken und Mimiken sind zwar ganz vorzeigbar, aber manche Texturen (vor allem in der Umgebung) sind enorm schlecht aufgelöst. Dies kann ich jedoch verschmerzen, weil die Synchronsprecher meist gute Arbeit geleistet haben und nicht zuletzt auch deshalb, weil der Soundtrack wirklich fantastisch ist. Deutlich weniger leicht zu verschmerzen sind die technischen Probleme. Regelmäßig hing sich das Spiel auf – aber auf die Art, dass man den Computer am Strom ausschalten muss, weil das ganze System nicht mehr funktioniert. Abstürze und Grafikbugs waren an der Tagesordnung und folglich werde ich eine kleine Abwertung vornehmen müssen, auch wenn mir dies in der Seele wehtut. Dass ich nur zu einer kleinen Abwertung greife und nicht zu einer großen, liegt daran, dass man die meisten technischen Probleme damit in den Griff bekommen kann, wenn man die Grafikeinstellungen herunterschraubt. Vorkommen sollten solche Fehler aber trotzdem nicht.

Fazit

Schon in meiner Rezension zu The Witcher 3 habe ich meine heilige Dreifaltigkeit der Rollenspiele aufgelistet: Neben CD Projekt REDs drittem Hexer-Abenteuer und Bethesdas Open-World-Meilenstein Skyrim halte ich Dragon Age: Origins für eines der besten Rollenspiele aller Zeiten. Das ist natürlich ein großes Lob, das ich auch entsprechend begründen muss. Zum Glück macht Origins es mir hier sehr leicht, denn es ist ein Spiel mit sehr vielen Stärken, aber ohne wirkliche Schwächen: Die Hauptgeschichte ist wendungsreich, kompromisslos und erinnerungswürdig. Das Kampfsystem bietet genau die richtige Mischung aus strategischen Möglichkeiten und Schauwert. Die Gefährten und Dialoge sind mindestens solide, aber oft richtig gut. Das Charaktersystem ist komplex und doch stets überschaubar. Und das beste: Alles wirkt intelligent miteinander verzahnt, wodurch ein Gesamtpaket entsteht, das wirklich gut durchdacht anmutet. Kleinere Designschnitzer (inkonsistenter Schwierigkeitsgrad, nervige Zufallsgefechte, teilweise lange Laufwege) fallen bei so vielen positiven Aspekten nicht mehr großartig ins Gewicht. Was diesem Spiel aber schadet, ist sein schlechter technischer Zustand. Daher werde ich, wie auch schon bei Knights of the Old Republic 2, eine Abwertung um zwei Punkte vornehmen. Im Idealzustand würde ich eine 91 vergeben, aufgrund von Abstürzen u.ä. kann ich mich zu mehr als einer 89 aber nicht mehr durchringen. In jedem Fall ist Dragon Age: Origins eines dieser Spiele, das man als RPG-Enthusiast unbedingt einmal erlebt haben sollte. Und jetzt verabschiede ich mich, denn es gibt in der Erweiterung noch jede Menge Dunkle Brut umzukloppen!


Wertung
Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Oft, regelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 100 Stunden



Kommentare(4)
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