But our princess is in another castle…

Information:Diese Rezension wurde von mir im Jahr 2009 auf Basis der Xbox 360-Version verfasst. Die Spielebranche leidet an Innovationslosigkeit – dieser...

von - Gast - am: 21.08.2013

Information:
Diese Rezension wurde von mir im Jahr 2009 auf Basis der Xbox 360-Version verfasst.

Die Spielebranche leidet an Innovationslosigkeit – dieser Tage liest und hört man diese Aussage immer öfter. Während manch einer mit ausgefallenen Steuerungskonzepten diesem Trend entgegen zu wirken versucht, sehen andere eigentlich über weite Strecken keinen Kreativitätsabfall – schließlich braucht man nur einmal abseits des Mainstreams die Augen offen halten und sollte ein wenig Mut fassen um auch mal ausgefallenen Games eine Chance zu geben – letztendlich kommt genau das neuen, frischen Ideen nur zu Gute. Immer wieder tauchen solche Perlen am Spielefirmament auf – zuletzt boten sich dem abenteuerlustigen Spieler Innovationsoasen wie Portal feil.

Nun wagt sich der relativ unbekannte Entwickler Number None aka Jonathan Blow mit einem 2D-Plattformer namens Braid auf hiesige Rechner – ob der Titel wirklich innovativ ist und überzeugen, das erfahrt ihr im folgenden Review!

…but our princess is in another castle…

Braid handelt von einem Studenten namens Tim, welcher wohl einen schweren Fehler in der Beziehung mit seiner (Ex-)Freundin begangen hat. Diese ist nun verständlicherweise schwer verärgert und hat das Weite gesucht. Tim wird nach und nach sein Fehler immer stärker bewusst und so beschließt er seine Freundin zu suchen und um Vergebung zu bitten, nicht zuletzt um der Liebe willen.

So weit, so belanglos, dennoch eine nette Rahmenhandlung, welche den Beweggründen Tims und somit seinen Aktionen Sinn gibt. Darüber hinaus wird die Story vor jeder der Welten häppchenweise weitererzählt. Zwar nur in Textform, diese ist jedoch sehr poetisch verfasst und allgemein sehr schön zu lesen.

Back to the Future

Zunächst stellt sich Braid als ein reiner Platformer da – ein Jump n run also, wie es im Buche steht. An sich eine gute Sache, schließlich gibt es aus diesem Genre heutzutage nur noch wenige, nennenswerte Vertreter. Super Mario Bros. für das altehrwürdige NES, liebevoll auch Schuhkarton genannt, kann getrost als Urvater des Genres bezeichnet werden. Warum ich dies hier gesondert erwähne fragt ihr euch? Das ist schnell erklärt: wer bereits den Klassiker oder eine seiner zahlreichen Iterationen genossen hat, der wird in Braid sehr schnell eine liebevolle, zeitgenössische Hommage an das Original erkennen – zahlreiche Parallelen gilt es zu entdecken. Braid beherbergt seine eigenen Goombas (die stets schlecht gelaunten Champignons aus Super Mario Bros.) und auch am Ende jeder Welt erwartet euch das obligatorische Schloss mit einem Fähnchen, das es zu legen gilt. Ein seltsam aussehender Dino verkündet euch darüber hinaus ganz enttäuscht, dass  eure gesuchte "Prinzessin" in einem anderen Schloss zu finden sei – ganz wie im Original.

Bevor ihr jetzt jedoch desinteressiert Braid als dreisten Super Mario-Klon abstempelt lasst euch gesagt sein, dass der Titel keine Kopie, sondern vielmehr eine Akkreditierung seines Originals darstellt. Eine Ehre für die Alten sozusagen!

Dennoch unterscheidet sich Braid in einigen Punkten vom Spielkonzept des Klempners aus Brooklyn.

In jedem Level gilt es ein oder mehrere Puzzleteile zu finden, so dass sich über die gesamte Welt hinaus ein Puzzle mit einem hübschen Bild darauf ergibt. Der Clue steckt hier jedoch im Detail, denn wer glaubt, die Teile könnten flugs im Vorbeimarschieren eingesteckt werden, der täuscht sich:

Jedes Teil, gerade im späteren Spielverlauf, liegt meist an zunächst unerreichbaren Orten. Erst durch gewagte Sprünge, Querdenken und die Manipulation der Zeit lassen sich die begehrten Teile ergattern.

Richtig gelesen, ihr könnt in Braid die Zeit manipulieren. In einen Abgrund gestürzt? Kein Thema. Von einem Monster überrumpelt? Nie geschehen! In eine Falle getappt? Nicht noch einmal!

Ihr könnt beliebig mittels eines beherzten Tastendrucks die Zeit zurückdrehen oder vorspulen, in bis zu 8-facher Geschwindigkeit. Lediglich die Länge der Aufzeichnung ist begrenzt – bis zum Startpunkt zurückspulen ist also nicht drin.

Mit diesem Hintergrundwissen stoßt ihr auf so einige, zunächst unüberwindbare Hindernisse, welche mehr als nur ein wenig Grübelei von euch abverlangen. Beispiel gefällig? Ihr gelangt an einen, mit einem gewöhnlichen Sprung nicht zu überwindenden, Abgrund. Auf der anderen Seite wartet ein begehrtes Puzzleteil. Direkt unter euch befindet sich eine Kanone, welche in regelmäßigen Abständen ein Monster von links nach rechts in den Abgrund feuert. Nun müsst ihr mithilfe des Zeitmanipulationsfeatures euren Sprung so timen und in Einklang mit dem fliegenden Monster bringen, dass ihr diesem im Flug auf den Kopf springen könnt, um euch so zum begehrten Puzzleteil zu befördern. Ziemlich knifflige Angelegenheit. Das ist jedoch noch eine der einfacheren Situationen zu Beginn des Spiels. Ebenfalls gleich zu Anfang erwartet im wörtlichen Sinne ein Puzzle, welches gleichzeitig ebenfalls die Lösung darstellt, um von einer Plattform auf die andere zu springen. Wie, das solltet ihr jedoch selbst herausfinden. Querdenker sind jedoch klar im Vorteil!

Trotz der malerischen Optik und der wunderschönen, atmosphärischen Klängen ist Braid, gerade in den späteren Welten, ein wirklich zäher Brocken, welcher pixelgenaue Sprünge und damit verbunden einiges an Geschicklichkeit von euch abverlangt, darüber hinaus aber auch ordentlich mit knackigen Rätseln fordert. Dies trägt jedoch zusätzlich nur zur Motivation bei, gerade Anfänger könnten jedoch dadurch schnell gefrustet in die Tastatur beißen.

Sinfonie der Farben und Klänge

Nicht nur spielerisch stellt Braid meines Erachtens eines der genialsten Titel seit Portal dar – auch optisch geht das Spiel völlig ungewöhnliche Wege – euch erwartet nämlich ausnahmsweise keine State-of-the-Art 3D-Welt oder überhaupt irgendwelche Polygone – auch keine hochstilisierte High-Tech Welten der neuesten Popkultur-Trends werden euch hier vorgesetzt. Stattdessen bekommt ihr eine, so scheint es, mit Aquarellfarben und einem Pinsel gemalte Landschaften vorgesetzt, welche alleine für sich hohe künstlerische Ansprüche stellen und wunderschön anzusehen sind. Sämtliche Sprites sind derart detailverliebt gezeichnet und animiert, dass jedem passionierten 2D-Jump n run Liebhaber das Herz aufgeht. Generell könnte die gesamte Optik einem fabelhaften, malerisch-verträumten Märchenbuch entsprungen zu sein – ohne euch dabei jedoch mit quietschbunten Kitschgrafiken zu quängeln.

Da nicht nur die Augen feinste Kost verdient haben werden eure Lauscher zusätzlich mit entspannenden Instrumentalklängen verwöhnt, welche eingänglich sind und euch niemals beim lösen der vertrackten Puzzles stören. Braid bietet euch den wundervollsten Soundtrack, welchen bisher je ein Indie-Titel zu bieten hatte.

Fazit

Ich ziehe meinen Hut vor Jonathan Blow – mit Braid erwartet euch nicht weniger als der bezaubernste, schönste und zugleich anspruchsvollste Platformer, welcher bisher das Licht der Indieszene sowie eures Monitors erblickt hat. Präsentation und Gameplay sind hier Hand in Hand auf höchstem Niveau zugange und bieten euch stundenlangen Spielspaß – einzig der schnell fordernde und gerade bei Anfängern Frustverursachende Schwierigkeitsgrad seien hier als kleine Wermutstropfen genannt.

Braid ist eine Sinfonie der Sinne und zugleich ein erfrischender Platformer, welcher versteht Kunst mit Klassik und Innovation zu verbinden. Kaufen!


Wertung
Pro und Kontra
  • innovatives Gameplay
  • traumhafte Grafiken
  • wunderschöne Klänge und Musikstücke
  • hoher Schwierigkeitsgrad

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 5, weniger als 10 Stunden



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