Ein glorreicher Stilbruch

Rezension: „Far Cry 3: Blood Dragon“ – Version 1.0 – Plattform: Uplay

von ModuGames am: 30.08.2020

Hinweis: Ich empfehle, dass Sie zuerst meine Rezension zum Grundspiel lesen.

Far Cry 3 (2012) gilt heutzutage als moderner Klassiker – Kritiker und Fans äußerten sich höchst positiv und auch die Umsatzzahlen stimmten (Ende 2014 wurden über zehn Millionen verkaufte Einheiten gemeldet). Da ist es nicht verwunderlich, dass Ubisoft schon Ende April bzw. Anfang Mai 2013 für Nachschub in Form eines Addons sorgte. Was hingegen verwundert, ist die Erweiterung selbst: Blood Dragon ist eine selbstironische Parodie auf die 80er und schlägt somit in eine komplett andere Kerbe als das Hauptspiel. Sehr gut ist es aber trotzdem.

„Yippie-ya-yay, Schweinebacke!“

Wir schreiben das Jahr 2007. Aber wir reden hier nicht über „unser“ 2007 – also das Jahr, in dem Windows Vista veröffentlicht wurde, obwohl das möglicherweise eine größere Katastrophe war als die Ereignisse im Spiel. Nein, die Welt in Blood Dragon hat einen Atomkrieg durchgemacht. Wir reden hier also über eine alternative Zeitlinie, die darauf basiert, wie man sich die Zukunft in den 1980ern ausgemalt hat. War das so? Keine Ahnung, dafür bin ich zu jung. Was ich hingegen verstehe, sind viele der popkulturellen Anspielungen. Zum Beispiel steuern Sie einen Soldaten namens Sergeant Rex Power Colt, ein Mark-IV-Cyberkommando, der mit seinem kybernetischen Auge gewisse Ähnlichkeiten zu einem beschädigten T-800 Terminator aufweist. Der gute Herr wird übrigens von Michael Biehn („Aliens – Die Rückkehr“, „Terminator“) gesprochen, eine deutsche Sprachausgabe gibt es nicht. Der genaue Ablauf der Handlung tut hierbei nicht allzu viel zur Sache. Sie müssen einen verrückten Supersoldaten aufhalten, der die Welt mit seinen Raketen ein paar Zeitalter zurückbomben will. Dabei werden Sie von einer hübschen Wissenschaftlerin unterstützt, mit der Rex selbstverständlich auch ein Techtelmechtel hat.

Die Zwischensequenzen von Blood Dragon orientieren sich an alten Videospielen. 

Wir reden hier also über eine enorm klischeebehaftete Handlung, die auf dem Papier keineswegs an die aus dem Grundspiel heranreicht. In der Praxis funktionieren aber sowohl die Story als auch die Figuren, denn Blood Dragon ist eine Parodie, die sich selbst keinen Zentimeter ernstnimmt. Von „Predator“ über „Rocky“ bis hin zum bereits angesprochenen „Terminator“ wird hier alles auf die Schippe genommen, was in den 80ern Rang und Namen hatte. Das Spiel durchbricht außerdem gerne die vierte Wand, etwa wenn sich Rex zu Beginn der Handlung darüber aufregt, wie sehr er Tutorials hasst. Auch Menütipps der Marke „Schrotflinten machen Spaß beim Schießen, aber das Nachladen nervt“ oder „Neue Aufgaben sind Aufgaben, die du noch nicht lange hast“ sind großartig. Wer möchte, kann hier problemlos ein gewisses Maß an Videospiele-Kritik hineinlesen. Wichtig ist nur: Das Spiel steht und fällt abhängig davon, ob man mit dem Humor etwas anfangen kann. Ich persönlich stehe auf solches Zeug, weswegen ich auch über viele Schwächen des Spiels hinwegsehen kann. Aber gut, ich mochte ja auch „The Expendables“. Wenn Sie diese Art von Humor für zu flach halten, werden Sie Blood Dragon wohl maximal „gut“, wahrscheinlich aber eher ziemlich „meh“ finden. Doch widmen wir uns dem Gameplay.

Ein Spielgefühl, als wäre man der Terminator

Wie schon in Far Cry 3 erkundet man in Blood Dragon eine frei begehbare Insel, die naturgemäß kleiner ausfällt als die des Grundspiels. In der Gestaltung der Welt sehe ich jedoch die größte Schwäche des Spiels: Die Insel ist komplett in diesem grau-rot-braunen Farbschema gehalten, auf das Blood Dragon so sehr abfährt. Weiterhin wird ein Effekt verwendet, als spielte man auf einem alten Monitor, der aber auch zur Monotonie beiträgt. Ein bisschen mehr Abwechslung hätte ich mir hier aber dann doch gewünscht – das Grundspiel bot mit seiner schönen Tropeninsel einfach einen deutlich größeren Schauwert. Auch einnehmbare Garnisonen sind wieder mit von der Partie, 13 an der Zahl. Diese fand ich aber ebenfalls nicht so überzeugend wie in Far Cry 3, was mit dem spielerischen Anspruch zusammenhängt. Ich habe Blood Dragon auf „schwer“, dem höchsten der drei Schwierigkeitsgrade, abgeschlossen, aber selbst dann war das Spiel zu leicht. Da hatte ich mit dem Hauptspiel auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad deutlich mehr zu kämpfen. Spätestens wenn man gegen Ende des Spiels den sogenannten „Killstar“ bekommt, eine unheimlich starke Waffe, wird Blood Dragon zu einem reinen Spaziergang. Dementsprechend gibt es auch keinen Grund mehr, zu schleichen oder kreativ zu werden, um die Garnisonen einzunehmen, denn man kann ja einfach in Rambo-Manier reinrennen und alles abknallen, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Auf der anderen Seite passt das natürlich auch hervorragend zum Thema des Spiels.

Wer die Insel erkundet, sollte sich besser schnellstens an dieses Farbschema gewöhnen. Die Monotonie der Spielwelt gehört zu den schlechtesten Aspekten des Spiels. 

Doch bleiben wir beim Thema Waffen: Es gibt acht Schießeisen im Spiel, darunter auch den bereits erwähnten Killstar, den Bogen, den man schon aus dem Grundspiel kennt (diesmal aber in Neonfarben!), einen Flammenwerfer und eine Minigun. Die restlichen vier Bleispritzen (Pistole, Sturmgewehr, Schrotflinte und Scharfschützengewehr) sind zwar deutlich konventioneller, lassen sich aber modifizieren: Wer etwa Nebenmissionen (Jagd auf Tiere & Geiselrettung) abschließt, die es in befreiten Garnisonen gibt, darf Aufsätze für seine Waffen kaufen. Nett ist hierbei, dass man nicht nur einen oder zwei von diesen anbringen darf, sondern alle, also bis zu sieben gleichzeitig. Da wird aus dem anfangs recht nutzlosen Scharfschützengewehr schlussendlich die Sprenggeschosse schießende Sniper mit Nebelvisier des Todes. Das ist geradezu herrlich over the top!

Vereinfachte und gestrichene Systeme

In Sachen Gegner hat sich indes nicht viel getan – Ihnen werden dieselben Feindtypen über den Weg laufen wie im Grundspiel. Lediglich die namensgebenden Blood Dragons bieten Abwechslung. Wie der T-Rex aus „Jurassic Park“ reagieren diese nur auf Bewegungen, hier ist also schleichen angesagt. Naja, zumindest bis man den Killstar bekommt, dann hat sich dieses Thema nämlich auch erledigt. Ansonsten ist es eher so, dass Blood Dragon Dinge aus dem Grundspiel entfernt bzw. sie vereinfacht. Das Inventarsystem wurde beispielsweise über Bord geworfen und infolge dessen auch das Crafting. Damit habe ich persönlich nicht so sehr ein Problem, da ich das Inventar nie sonderlich mochte und Crafting in diesem Kontext nicht viel Sinn macht. Was soll ein hochmoderner Cybersoldat denn schon mit ein paar Tierhäuten anfangen?

Die Kämpfe sind nach wie vor echt spaßig – für uns jedenfalls, nicht so sehr für diesen Gegner. Die Schrotflinte wird übrigens im Terminator-2-Stil nachgeladen! 

Schmerzhafter ist hingegen die Vereinfachung des Levelsystems. Man steigt zwar nach wie vor im Rang auf, allerdings sind die Verbesserungen, die man erhält, nun fest vorgeschrieben. Das ist einerseits unschön, da dem Spieler so die Kontrolle über die Entwicklung seiner Figur entzogen wird, aber damit könnte ich noch gut leben. Wirklich schade ist, dass Blood Dragon uns coole Fähigkeiten schuldig bleibt. Das Potenzial wäre ja da gewesen – Doppelsprünge, kurze Wallruns, solche Dinge eben. Stattdessen gibt es nur recht generische Upgrades der Marke „Sie erhalten ein zusätzliches Gesundheitsfeld“. Dafür hat mich das grundsätzliche Gameplay mit seiner hohen Sprintgeschwindigkeit, dem Inselsetting und dem Vorhandensein eines mechanisch verbesserten Protagonisten positiv an das erste Crysis erinnert, auch wenn dieses, wie gesagt, interessantere Fähigkeiten bot.

Ernüchternder Umfang

Wie lange braucht man denn nun eigentlich, um Blood Dragon abzuschließen? Meine Ingame-Uhr steht bei knapp über drei Stunden, was auch alle Nebenmissionen mit einschließt. Mein alter Spielstand von vor einigen Jahren zeigt ebenfalls diese Zeit an. Nun sind drei Stunden an und für sich nicht viel, wobei das Preis-Leistungs-Verhältnis mit der Zeit tatsächlich schlechter geworden ist: Während ich diese Zeilen schreibe, kostet Far Cry 3 im Steam Store 20€, Blood Dragon aber 15€, obwohl ersteres mindestens dreimal so viel Inhalt bietet. Sammler können allerdings einige Collectibles finden und die Spielzeit somit etwas strecken.

Fazit

Mit Blood Dragon landet Ubisoft einen weiteren Erfolg: Far Cry 3 fand ich vor allem wegen seinen interessanten Charakteren und seiner Thematik so toll. Das Addon ist in Sachen Story und Figuren zwar schlechter, aber durch seine selbstironisch-humorvolle Art wird hier ein nicht minder unterhaltsames Erlebnis geboten. Klar, spielerisch hat Far Cry 3 deutlich mehr geboten (Inventar, Waffen, Fähigkeiten etc.), weshalb hier auch eine niedrigere Wertung steht als in meiner Rezension zum Grundspiel. Aber bei Blood Dragon handelt es sich um einen hervorragenden Beleg dafür, dass Spiele eben nicht nur Mechanik sind. Dieser Titel ist einfach extrem cool – eine klare Empfehlung für alle, die Humor in Spielen schätzen und die sich halbwegs mit der Popkultur der 80er auskennen.


Wertung
Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 5, weniger als 10 Stunden



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