Ein Meisterstück mit Anlaufzeit - Ende gut, alles gut

Mein erster Lesertest überhaupt, geht an ein Spiel, dass sich meine kostbare Lebenszeit, welche ich im Übermaß damit verbracht habe, mehr als verdient hat....

von duncan10r am: 23.02.2019

Im Prinzip war es Liebe auf dem ersten Blick, schon bei der jüngeren Schwester, den ersten Warhammer-Teil, konnte ich es von der Ankündigung an kaum erwarten, endlich selbst Hand anlegen zu können. Der Hype wurde dann nur noch von der Ankündigung des zweiten Teils signifikant gesteigert. 

Um mal im Amore, Amore -Bild zu bleiben: Wäre das ein hübsches Mädchen bei Tinder gewesen, hätte ich wahrscheinlich nach dem ersten Mal Bilder durchklicken schon bei Immoscout die gemeinsame Wohnung gesucht. 

Nun war es aber noch ein bisschen hin zum release und die Schattenseiten des Fanboytums kommen dann sukzessive zum Vorschein, je näher eben der release rückt. Wie wurde dies und das gelöst? Ist die KI nicht wieder so dumm? Wurden alle gröberen Bugs poliert? Sind die Neuerungen stimmig und funktionieren? 

Gute Frage! Denn hier lag sicher Anno 2017 eines der wenigen Probleme im Spiel. Manches hat gut funktioniert und manches eben weniger gut - gelinde gesagt. 

Aber wir wollen nicht zu weit vorgreifen. Um was es sich bei einem Total War handelt, werden die meisten schon wissen. In Kurzfassung: Rundenbasierte Strategiekarte, auf der man vorher erstellte Armeen in Richtung Feind ziehen kann, viele Städte startklar zum übernehmen und ausbauen, Agenten, mit denen man seine Umwelt traktieren kann und eben, sollten sich zwei Armeen auf eben jener Strategiekarte treffen, der viel gerühmte Echtzeitkampf, auf denen ihr eure Regimenter, garniert mit Helden und Monstern dem jeweiligen Gegner entgegenwerfen könnt. Dieses unverwüstliche Grundprinzip fungiert schon seit nunmehr 2 Dekaden als Garantie für monatelangen Spielspaß. Vorher allerdings nur historisch unterwegs, konnte Creative Assembly meiner Ansicht nach hervorragend unter Beweis stellen, dass dieses Grundprinzip auch mit Fantasy gut funktioniert. 

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  Wie schon erwähnt, waren die Ansprüche hoch. Für mich war das erste TW-Warhammer fast das perfekte Spiel. Klar, es gab auch Schwachpunkte, wie die vereinfachte Wirtschaft und den banalen Städteausbau. Das Endgame war etwas lahm, wie in jedem anderen TW-Teil vorher auch schon.
Nun, die vereinfachte Wirtschaft/Städteausbau gibt es so, im Vergleich mit z.b. Rome 2 und ganz krass, zu Three Kingdoms, immer noch. Aber es ist nicht so, dass das jetzt ein Schwachpunkt darstellt. Es passt in den allgemeinen Kontext dieser Spielwelt, wo ein immerwährender Krieg herrscht, der Fokus folgerichtig auf Armeen und Kampf liegt.

Da wären wir bei der nächsten großen Stärke: Diese wahnsinnige Eigenständigkeit jeder einzelnen Fraktion. Was man ja auch bei den neuen Fraktionen in den DLC´s gut fortgesetzt hat und sich zum ersten Teil noch deutlich gesteigert hat, sowie diese Warhammer-Atmosphäre, die einem im Grunde in jeder Minute beim Spielen ins Gesicht geklatscht wird (im positiven Sinne natürlich)


Nichts weniger habe ich nun auch vom zweiten Teil erwartet.

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Mein Eindruck:

Nach mehr als 1.300 Stunden Spielzeit kann ich nun mit Sicherheit sagen, dass das Spiel ein großer Wurf ist. Er macht fast in jeder Hinsicht alles besser als der Vorgänger.

Das fängt bei Kleinigkeiten an, wie dem Skillsystem der Kommandanten und Helden, die je nach Spielstil besser oder schlechter werden. Ein Attentäter, der schon viele Gegner auf dem Gewissen hat, kriegt irgendwann ein Bonus auf die Attentatsfähigkeit. Ein Warlord der schon zig Verteidigungsschlachten erfolgreich gestaltet hat, bekommt irgendwann einen Bonus darauf, aber wenn er die ganze Zeit in einer Stadt rumschimmelt, dann bekommt er irgendwann das Attribut "Träge" was wiederum verschiedene Mali zur Folge hat. So wirkt gerade die Strategiekarte sehr dynamisch und es wird einem das Gefühl suggeriert, dass das Spiel meine Handlungen registriert.

Das vielgescholtene versimplifizierte Stadtausbausystem wurde definitiv kräftig aufgebohrt. Es gibt viel mehr Gebäude zur Auswahl, die verschiedenste Boni bringen, so dass man sich schon vorher überlegen muss was man wo baut, wenn man den maximalsten Effekt in einer Provinz erzielen will. 

Das Skillsystem der Legendary Lords wurde kräftig überarbeitet. Waren Magier wie Balthasar Gelt oder Helman Ghorst noch mehr oder minder nutzlos, weil sie im Prinzip das Gleiche geboten haben wie ein stinknormaler Zauberer, den man sich zusätzlich zu seinem Nahkampfhelden in die Armee adden kann, sind Teclis oder Mazdamundi unglaublich mächtige, einzigartig zu skillende Helden. Aber auch bei den anderen Helden hat sich CA Mühe gegeben, fraktionsspezifisch einzigarte Skills und Perks für die jeweiligen Helden zu designen. Meiner Ansicht nach ist es Ihnen gelungen. Gerade hier hat sich auch im Laufe der Updates unheimlich viel getan. CA hat sich merklich Mühe gegeben, die Unterschiede zwischen den Helden der Fraktionen so deutlich wie möglich herauszuarbeiten. 

Wie bei den Fraktionen allgemein, haben auch deren Lords klar definierte Stärken und Schwächen, Buffs und Nerfs hinsichtlich Fraktion und/oder Armee, dass sich sich ein Spiel auch mit jedem Lord der gleichen Fraktion eine Nuance anders spielen lässt.

Die neuen Terrainsettings sehen wunderbar aus. Das haucht jeder Fraktion ein eigenes, ganz spezielles Flair ein. Das unterstützen auch die neuen Storysequenzen, die ich für sehr gelungen halte. 
Das war ja schon ein Merkmal des ersten Teils, die Spielwelt an sich mit mehr Leben, mehr Storydichte zu füllen, dieser Ansatz wurde konsequent weiterverfolgt. Das trägt freilich auch zu mehr Identifikation mit seinem Kriegsherrn bei.

Wie bei allem anderen, ist auch hier gerade in den DLC´s eine deutliche Steigerung zu bemerken, was sicher die Lernkurve der Entwickler kennzeichnet, hier bemüht man sich schon auf die Vorlieben der Community einzugehen. Z.b. die Zwischensequenzen des aktuellsten DLC-Volks, die Vampirküste, sind schon bemerkenswert gut und haben für ein Open World - Strategiespiel einen echten Mehrwert. Sicher, man darf hier natürlich kein Ron Gilbert-Adventure erwarten, der Fokus liegt sicher nicht auf den Quests oder hoch frequentierten Zwischensequenzen. Dies werden naturgemäß aber auch die wenigsten erwarten. 

Die Völker spielen sich extrem unterschiedlich. Auch das ist nochmal ein anderes Level als beim ersten Teil. Während sich z.b. die Elfen noch recht konventionell spielen, mit einem starken Fokus auf Infantrie, Drachen und Diplomatie, bekommen bei den Skaven die schon im ersten Teil bei den Vampiren berühmten Meatshields (Zombies) eine ganz neue Bedeutung.
Gerade zu Anfang zählt hier nur die zahlenmäßige Überlegenheit, erfolgreiche Hinterhalte und ein konstanter Vorrat an Nahrung. Mit den High-Tier Einheiten allerdings ändert sich die Masse statt Klasse-Doktrin und man grillt die Gegner mit Warpblitzkanonen und lässt sie von seinen Hell Pit Abomination zerreissen. Das ist ungemein befriedigend, kann ich getrost behaupten.

Gerade auch mit den DLC-Fraktionen Gruftkönige und Vampirküste ergibt das in der Summe eine unheimlich reichhaltige Spielwelt und Fraktionen, die sich enorm voneinander unterscheiden.


Das hat CA wieder einmal ganz ganz klasse hinbekommen. Das verspricht vor allem einen hohen Wiederspielwert. Einer der zentralen Punkte eines jeden TW-Spieles, für mich hier auf die Spitze getrieben. 

Das erste Mal in einem TW-Spiel kann ich nun auch sagen, dass mich die KI positiv überrascht hat. Sie greift meistens mit vollen, sinnvoll zusammengestellten Armeestacks an, meist auch mit mehreren gleichzeitig. Wenn man auf Schwer spielt, so wie ich, hat man auch nach vielen Spielstunden noch richtige Gegner. Gerade weil die Kohle nicht mehr so locker hängt wie in Teil 1. Es kristalliert sich immer mindestens ein KI -Powerhouse im Late Game heraus, an dem man sich dann abarbeiten kann. To big to fail gibt es hier also nicht mehr so wie in den vorherigen Teilen.

Sicherlich gibt es aber immer noch Schwächen, vor allem auf den Schlachtkarten und bei Belagerungen, agiert sie auch mal nicht so optimal und flexibel

Etwas enttäuscht war ich von der groß angepriesenen Mahlstrommechanik für die 4 Startvölker (die DLC-Fraktionen haben andere Ziele). Cool sind die Storyschnipsel mit dem aktivieren jedes einzelnen Rituals. Es ist aber nichtsdestotrotz sicherlich nicht das große Überfeature, was man uns versprochen hat, aber es bringt trotzdem einen nicht ganz unwichtigen Aspekt ins Spiel: Den Abschluss. Den gab es so nämlich nie so richtig. Man kann jetzt auch mal eine Partie befriedigend zu Ende bekommen, ohne dass es ein halbes Lebenswerk wird, so wie z.b. noch in Rome 2. Das hat man auch in Thrones of Britannia übernommen und gut hinbekommen und ist für mich eben ein weiterer Evolutionsschritt in der langen TW-Geschichte
Nicht so toll finde ich aber per se Zeitlimits in Strategiespielen. Ein großer Abtörner z.b. beim Shogun 2- Addon, oder -noch schlimmer, bei XCOM 2. Allerdings kann man es hier getrost ignorieren und zündet die jeweils nächste Stufe halt, wenn man sich bereit fühlt. Im Gegensatz zum release spawnen die Chaosarmeen auch etwas fairer als zum Anfang, wo sie aus allen Himmelsrichtungen kamen

 

Außerdem möchte ich den, im Laufe der Zeit, hinzu gestoßenen Monster-Spielmodus nicht unerwähnt lassen.

Reiche der Sterblichen vereint beide, schon für sich genommen, sehr großen Karten der alten und neuen Welt, aus dem ersten und zweiten Teil zu einer riesigen Über-Überkarte. Man muss aber logischerweise beide Spiele besitzen, dann hat man aber alle Völker auf einer Karte und kann mit seinen Dunkelelfen-Armeen und mit einem freundlichen Lachen im Gesicht nicht nur Ulthuan, sondern auch Bretonia und das Reikland brennen lassen. Mortal Empires an sich ist kostenlos.

Womit wir auch, zu Guter letzt, bei dem anderen lobenswerten Aspekt des Spiels wären: Die regelmäßigen Updates im Zuge der DLC-Releases, die wirklich viel kostenlosen Content mitbringen, was in dieser DLC Pro und Contra-Debatte immer so ein bisschen untergeht. Klar muss man sich überlegen, ob man sich für 17 Euro ein neues Volk zulegen will, aber es gibt IMMER! auch noch einen Legendary Lord und die eine oder andere Einheit gratis. Außerdem sind die Entwickler gerade dabei, die leicht angestaubten Völker aus dem ersten Teil in die Neuzeit zu hieven. Bei letzten Mal waren die Vampirfürsten an der Reihe, die generalüberholt wurden, beim nächsten Mal vielleicht das Imperium der Menschen oder die Grünhäute. Ein solch regelmäßiger Fluss an kostenlosem neuen Content und dieser Fleiß, das an sich schon großartige Spiel weiter glatt zupolieren ist meiner Ansicht nach lobenswert und heutzutage so auch nicht selbstverständlich.

 



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Fazit:


Wie man dem Text vorher schon entnehmen konnte, gibt es von mir ne dicke Empfehlung. Ich hatte die ganze Zeit, wo ich bis jetzt dieses Review geschrieben und überarbeitet habe, kleine rote Herzchen in den Augen, so verliebt bin ich auch nach so vielen Monaten und so vielen Stunden Spielzeit noch :D

TW-Fanboys, die auch den ersten Warhammer-teil mochten, werden hier garantiert glücklich. Menschen die noch nie einen TW-Teil gespielt haben, aber sich grundsätzlich für Strategiespiele interessieren genauso.
Wenn man jetzt vom Grunde seines Herzens Fantasy-Spiele hasst, beim Gedanken an the Witcher und Herr der Ringe eine Bindehautentündung und/oder pelzige Zunge bekommt, sollte man lieber nicht zugreifen. 

Alle anderen können/sollen/müssen zugreifen.


Wertung
Pro und Kontra
  • tolle Grafik
  • große Abwechslung durch eine Vielzahl an unterschiedlichen Völkern
  • großartig eingefangene Warhammer-Fantasy-Atmosphäre
  • anspruchsvolle aber brachial inszenierte Schlachten
  • gut austarierte Schwierigkeitsgrade
  • regelmäßiger support der Entwickler
  • etwas zu simple Wirtschaft
  • KI könnte manchmal schlauer reagieren
  • Mahlstromechanik immer noch verbesserungsbedürftig

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 100 Stunden



Kommentare(4)
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