Wildstar: Hardcore, Vielfalt, GUI-Alptraum

Das neu erschienene MMORPG Wildstar vereint Tugenden verschiedener Genre-Vertreter, nimmt aber ebenfalls Abstand zu manch neuen Features der Konkurrenz.  ...

von Eronaile am: 21.06.2014

Das neu erschienene MMORPG "Wildstar" vereint Tugenden verschiedener Genre-Vertreter, nimmt aber ebenfalls Abstand zu manch neuen Features der Konkurrenz.

 

PvE

Der Fokus liegt auf PvE, es gibt eine sehr ausführliche Levelphase, in der an jeder Ecke gefühlte 10.000 Aufgaben warten. Mangel an Zielen gibt es also nicht, wohl aber mag so mancher neue Spieler (besonders wenn er neu in MMORPGs ist oder nur Casual-Titel wie WoW kennt) erstmal mit den vielen Möglichkeiten überfordert sein.

Dabei spreche ich nichtmal von Dungeons oder Raids. Neben den ganz normalen Quests gibt es Challenges (bestimmte Ziele in einem Zeitlimit erreichen, je schneller desto besser die Belohnung) und Pfad-Quests (Aufgaben für einen der 4 bei Charaktererstellung auswählbaren Pfade). Da es schon eine ganze Menge normale Quests gibt - alle paar hundert Meter ein weiterer Questhub - braucht niemand befürchten, dass er mal ohne passende Aufgaben da steht. Zumal Housing (s. weiter unten) und Berufe weiterentwickeln ebenfalls eine prima Beschäftigung sind.

 

Ab Stufe 15 darf man "Abenteuer" bestreiten, das sind relativ einfache Gruppenmissionen in einer instanzierten Zone, in denen die  Gruppe mehrere Entscheidungen trifft, die den weiteren Verlauf der Mission drastisch verändern.

Die "Abenteuer" sind als Aufwärmung für die Dungeons konzipiert. Hier geht es richtig zur Sache, Wildstar macht dem Hardcore-Anspruch alle Ehre. Die meisten Thrash-Mobs haben schon ein oder zwei gefährliche Skills, die man bewusst neutralisieren oder denen man ausweichen muss.
Die Bosse dann verfügen oft über große AoE-Effekte, wechseln zwischen Phasen und erfordern regelmäßig gute Gruppenkoordination. Nicht wundern, wenn ihr schon im ersten, ab Level 20 verfügbaren Dungeon gnadenlos ins Gras beißt ... beim ersten von 4 Bossen! Die Kämpfe erfordern Konzentration und zwar *die ganze Zeit*. Stillstehen und Knöpfchen drücken wie in WoW ist nicht.

Auf der Maximalstufe schließlich winken Raids, die dann wahrhaftig Hardcore sind. Nicht nur muss man eine lange und aufwendige Questreihe abschließen bevor man überhaupt rein darf, auch die Encounter dort sind allem Anschein nach sehr knackig - aber fair.

 

PvP

Aber mit PvE nicht genug bietet Wildstar auch PvP in verschiedenen Varianten: Duell, gewertete Arena, ungewertete Schlachtfelder und - Age of Conan lässt grüßen - eigene Festungen, die man gegen andere Spieler verteidigt.

Die Skills sind in PvE und PvP grundsätzlich identisch, daher ist "Imbalance" durch bestimmte Builds wohl nicht ausgeschlossen. Daher ist Wildstar meiner Meinung nach für wirklich PvP-Veteranen nicht geeignet, die sind in  Guild Wars (1+2) besser aufgehoben. Beide Titel haben Skills, die von vornherein auf PvP-Balance ausgelegt sind und nur unwesentlich abgeändert werden mussten - und dann eher, um sie im PvE besser anwendbar zu machen ^^

 

Housing

Erwähnung verdient auch das Housing-System. Auf einer frei im Himmel schwebenden Insel baut man sein eigenes Traumreich zusammen - inklusive handfester PvE-Vorteile wie Ressourcen, Erfahrung, spezielle "Challenges" und mehr.

Auf verschieden großen Parzellen des eigenen Grundstücks darf man jeweils bestimmte Gebäude, Rohstoffquellen oder Events einrichten. Auf einem Festival z. B. erhält man mehrmals am Tag kostenloses Buff-Food während viele andere Events Challenges bereitstellen. Ob es darum geht, mit Super-Sprungkraft möglichst schnell einen Berg zu erklimmen, Trauben zu stampfen und daraus Spirituosen zu brennen oder sogar eigene kleine Mini-Dungeons zu bestreiten (die häufig viel Geschick voraussetzen) - die Events sind abwechslungsreich und lohnend, vor allem weil man wie aus dem übrigen PvE bekannt Bronze-, Silber- und Goldbelohnungen erhalten kann. Je nachdem, wie schnell oder erfolgreich man war :)

Die zentrale Parzelle enthält dann das eigentliche Spielerhaus, das man sehr vielfältig ausstatten und umgestalten kann. Damit nicht genug darf man sogar ein eigenes Klima entwerfen, so dass draußen beispielsweise Sturm tobt, Regenbogen strahlen oder Nordlichter den Himmel zieren.

 

Crafting

Überhaupt macht Wildstar am Anfang einen überladenen Eindruck - im positiven Sinn. Das Crafting-System beispielsweise erinnert zwar entfernt an Spiele wie WoW, ist aber eine ganze Nummer komplexer. Durch das Hinzufügen diverser Zutaten in ein Basisrezept kann man diverse Waffen, Rüstungen, Tränke und sogar Sprengstoff und Fallen herstellen.

 

Equipment

Das Ausrüstungs-System kommt dagegen eher altmodisch daher, es gibt eine klassische Itemspirale mit verschiedenen Qualitätsstufen und bestimmte Slots können zusätzlich mit Runen und anderen Boosts verstärkt werden. Interessant sind an Ausrüstung gebundene Quests, die zusätzliche Stats freischalten. Eine neu gefundene Waffe mag z. B. einen Bluten-Effekt haben, der aber erst aktiviert wird wenn man eine dazugehörige Aufgabe erfüllt hat.

 

Klassen, Pfade, Fähigkeiten

In Sachen Rollenverteilung bleibt Wildstar klassischen Modellen treu. Es gibt DDs, Tanks und Heiler. Allerdings kann JEDE Klasse entweder heilen oder tanken, das heißt im Prinzip kann jeder Spieler eine wichtige Rolle (also nicht DD ^^) einnehmen. Es gibt 6 Klassen, davon 3 Tanks und 3 Heiler.

Die ausrüstbaren Fähigkeiten sind dagegen auf 8 beschränkt, so dass man damit rechnen darf, dass viele verschiedene, erfolgreiche Builds im Umlauf sein werden.

Das Fähigkeitssystem macht intensiven Gebrauch von "Telegraphen" (wer Telegraf schreibt wird für immer in der Hölle schmoren, verdammte neue Rechtschreibung), also Bereichen, auf die der Skill wirken wird. Die meisten Telegraphen erlauben Bewegung während dem Zaubern, so dass Wildstar eine sehr "mobile" Kampfweise erfordert, speziell in Dungeons und Raids. Nur wenige Zauber, nämlich kanalisierte und einige andere Ausnahmen, müssen stehend gecastet werden.

 

Raffiniert und sehr spaßig sind die sogenannten "Pfade", die man zusätzlich zur Klassenwahl trifft. Ich selbst kenne nur den Siedler, der an vielen Stellen in einer Zone temporäre Buff-Stationen aufstellen darf - wenn er vorher genügend überall herum liegende Ressourcen gesammelt hat. Darunter fallen richtig starke Buffs wie +50% Geschwindigkeit (genial für die Laufwege), Boosts auf Schaden, Defensive, Berufserfahrung usw.

Andere Pfade sind kampflastig (Soldat), belohnen das Erkunden der Karte (Kundschafter) oder bauen tolle Sachen zusammen (Wissenschaftler, nicht sicher).

 

Interface 

Wo es bei Wildstar noch hakt ist das Interface. Die graphische Benutzeroberfläche (GUI) ist im Standard ein ziemlicher Alptraum. Besonders Auktionshaus/Ressourcenbörse, Gruppeninterface und Inventar machen einen altsteinzeitlichen Eindruck und sind schlecht bedienbar. Es gibt zwar schon die ersten von Fans gemachen Addons (über den Curse Client installierbar) aber eine zufriedenstellende Lösung z. B. für Heiler in Dungeons  gibt es noch nicht (zum Glück arbeitet das "Grid"-Addon schon daran).

 

Fragezeichen

Zudem muss sich noch herausstellen, ob das Endgame mit der gigantischen Fülle an Levelphase-Content mithalten kann. Raids, gewertete Arenen und Kriegsbasen-Verteidigung sollen wohl die Hauptrolle beim "finalen Content" einnehmen während Dungeons, Schlachtfelder und Co die Vorstufe bilden.

 

Grafik

Ein Punkt, der sicher Geschmackssache ist: die Grafik. Meiner Meinung nach zu bunt und comichaft, andererseits ist das ganze Spiel auf einen augenzwinkernden, humorvollen Stil ausgelegt. Wer bei einigen der Sprüche des Hologramm-Taxifahrers nicht wenigstens schmunzelt ist irgendwie verkehrt ;)

Die Grafik ist leider recht polygonarm und teilweise nichtssagend, einen Augenschmaus wie Guild Wars 2 sollte niemand erwarten.

 

Meine Wertung ist vorsichtig gewählt weil ich noch keinen Maxlevel-Charakter habe und das Endgame gerade erst von den Spielern begonnen wird.
Insgesamt ist Wildstar in jedem Fall eine abwechslungsreiche Alternative (besser gesagt, Ablösung) für alle Spieler, die dem ständig stärker werdenden Casual-Wahn entfliehen wollen, der andere Genre-Vertreter wie WoW fest im Griff hat.

 

Empfehlung!

 

Ich freue mich auf Kommentare zu dieser Rezension, egal ob konstruktiv kritisch oder lobend :)


Wertung
Pro und Kontra
  • - knackige Dungeons, Hardcore Raids
  • - abwechslungsreiche, ausführliche Levelphase
  • - nützliches Housing-System, nicht nur Zierde
  • - Kriegsbasen-Belagerung!
  • - Komplexe Berufe
  • - Pfad-System als Individualisierung des Charakters
  • - Kämpfe bes. in Dungeons/Raids erfordern viel Bewegung bei gleichzeitigem Zaubern
  • - Telegraphen-System für direkteres Kampf-Gefühl (und nicht nur Gefühl!)
  • - verschiedenste Builds dank Begrenzung auf 8 Skills möglich - und notwendig!
  • - haufenweise schräge und abgefahrene Sprüche, Situationen und Quests
  • - Grafik polygonarm, nicht "fließend"
  • - lausige Benutzeroberfläche macht Inventar und viele andere fenster-basierte Features (z. B. Berufe) recht anstrengend
  • - Endgame-Qualität und -umfang muss sich noch beweisen
  • - Casual-Titel-gewohnte Spieler machen zufällige Dungeongruppen teils sehr anstrengend
  • - einige nervige Bugs als "Kinderkrankheit"

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 100 Stunden



Kommentare(2)
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