Ausgabe 07/2012

24.05.2012 00:00 Uhr

Spielfluss – Oder: Die Ungerechtigkeit der Welt

Warum plötzlich niemand mehr über Simpel-Questdesign und repetitives Monsterschlachten schimpft.

Ein merkwürdiges Geräusch erfüllt die langen Flure der Redaktion, verdichtet sich zu einer irritierenden, seltsam fragmentierten Soundkulisse, zusammengesetzt aus zigtausenden kleinster Klangpartikel – unheimlich. Klingt ein bisschen wie aus einem der Horrorfilme, die sich mit Insekteninvasionen beschäftigen. Ist es jetzt soweit? Übernehmen die Kakerlaken die Weltherrschaft, ist das ständige Tappen und Geklacker der akustische Fallout von Millionen chitingepanzerter, atomkriegresistenter Minikrieger? Aber nichts zu sehen, überall nur konzentriert am PC sitzende Redakteure, Kopfhörer über die Ohren gestülpt, die Augen fest auf den Monitor gerichtet. Eine Hand locker auf der Tastatur, regelmäßig stürzen die Finger zielsicher auf einige wenige Tasten herab. Die andere bearbeitet im Dauereinsatz die Maus. Quält sie, entlockt dem ansonsten stumm und ergeben arbeitenden Präzisionsinstrument in rasender Abfolge diese abgehackten Geräusche, die sich durch die schiere Summe der Spieler (denn alle spielen!) zu einem irritierenden, höllischen Crescendo steigern – Diablo 3 ist da!

Und alle sind aus dem Häuschen. Warum eigentlich? Schaut man sich die Spielenden mal genauer an, sieht man sofort, dass die irrsinnigen Klickraten kein großes Atemholen zulassen, dass hier keine grüblerischen oder taktischen Entscheidungen über das weitere Vorgehen getroffen werden. Und alle finden es toll. Auch die, die grade noch etwa bei Tera über die simplen »Töte & Hole«-Quests geschimpft haben. Jetzt machen sie sich voller Eifer auf, drei Schwertstücke zu besorgen. Vor jedes Schwertstück hat Blizzard aber erst noch andere Gegenstände gesetzt, die geholt werden müssen. Meist aus zufallsgenerierten Dungeons voller zufallsplatzierter Monsterhorden. Die im Grunde einfach totgeklickt werden. Ist das jetzt die großartige Weiterentwicklung, die Zukunft des Spieldesigns?

Sicher nicht. Aber hier ist etwas perfektioniert worden, was die Urtriebfeder des menschlichen Spielens abbildet. Diablo 3 ist das in Bits und Bytes gegossene Stakkato aus Herausforderung und Belohnung, die digitale Blaupause purer Motivation.

Und dahinter verblasst alles andere. Wird dann noch die Illusion einer relevanten Rahmenhandlung dermaßen schillernd inszeniert und die losen Enden einer vor Jahren begonnenen epischen Geschichte emotional stimmig wieder aufgenommen, spielen Dinge überhaupt keine Rolle, die bei anderen Titeln funktionieren müssen, weil Diablo 3 sie einfach nicht braucht. Ja, Diablo 3 ist einfach – einfach ein Kunstwerk.

Viel Spaß beim Lesen, Spielen und Modden
Ihr GameStar-Team


Die »Vorshow« 07/2012 - Rollenspiele für den Arsch



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