Ausgabe 09/2012

17.07.2012 00:00 Uhr

Das Endgame-Dilemma

Warum es wichtig ist, Online-Rollenspiele wochenlang zu testen.

Auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad »Inferno« wird Diablo 3 zu einem anderen Spiel. Die zuvor flüssige Monsterhatz stockt zum Überlebenskampf, jedes neue Ausrüstungs-Beutestück will müh-sam erkämpft oder mit ebenso mühsam gesammeltem Gold im Auktionshaus erkauft werden. Vor-bei also das unbeschwerte Schnetzelfest, erfahrene Helden leisten Schwerstarbeit. Was an sich kein Problem wäre, dafür sind hohe Schwierigkeitsgrade da. Das Problem besteht darin, dass sich viele Spieler für die Mühe unzureichend belohnt fühlen. Die unausgeglichene Ausrüstungsbeute und die zu früh entfallenden Levelaufstiege kosten Langzeit-Motivation, deshalb werten wir Diablo 3 nach-träglich um fünf Punkte ab. Damit ist Blizzards Monsterhatz noch lange kein schlechtes Spiel, aber eben ein schlechteres als ursprünglich gedacht.

Dass sich Diablo 3 auf »Inferno« so unvorteilhaft entwickeln würde, war zum ursprünglichen Test-zeitpunkt nicht abzusehen, schließlich steigen Helden erst nach Dutzenden von – übrigens überaus spaßigen – Spielstunden in die höchste Anspruchsstufe auf. Ab diesem Zeitpunkt funktioniert Bliz-zards Monsterhatz wie ein Online-Rollenspiel: Die Levelaufstiege entfallen, jeglicher Heldenfort-schritt findet nur noch über die erbeutete (oder ersteigerte) Ausrüstung statt. Diablo 2 war anders, es bot mehr Möglichkeiten, den Charakter weiterzuentwickeln – schon allein deshalb, weil Welten-retter bis Stufe 99 aufsteigen konnten statt nur bis Stufe 60. Diablo 3 hingegen geizt zu sehr mit Belohnungen, um den Motivationsmangel und die Frustmomente auszugleichen. Dabei zeigen so gut wie alle anderen Online-Rollenspiele, wie überlebenswichtig es ist, im Endgame noch eine Schippe draufzulegen – etwa mit Raids, mit Item-Upgrades, mit vielschichtigem Crafting. Dass der World of Warcraft-Entwickler Blizzard das vernachlässigt hat, überrascht und enttäuscht.

Unsere Abwertung von Diablo 3 ist daher kein plötzlicher Sinneswandel, sondern basiert auf der über Wochen hinweg gereiften Erkenntnis, dass das Spiel auf hohen Stufen längst nicht so gut funk-tioniert wie zuvor. Beim vielversprechenden Guild Wars 2 droht ähnliche Ungewissheit, denn die dy-namischen Events (das Guild Wars-Gegenstück zu den klassischen Quests) entpuppen sich in den ersten Durchläufen zwar als sehr unterhaltsam – doch motivieren sie auch dann noch, wenn man sie schon zigmal absolviert hat? Und auch The Secret World muss erst noch beweisen, wie es auf hohen Stufen weiter fesseln will. Kurzum: Online-Rollenspiele lassen sich erst dann abschließend bewerten, wenn man sie lange, lange gespielt hat. Und das gilt nun eben auch für Diablo 3.

Viel Spaß beim Lesen und Spielen,
Ihr GameStar-Team


Die »Vorshow« auf Ausgabe 09/2012



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