Im Westen nichts Neues

Paradox. Mit neuem Entwickler, einer neuen Optik und mit Kevin Spacey will die Call of Duty-Reihe einen großen Sprung nach vorne machen, bleibt aber im...

von AlexX2 am: 12.11.2014

Paradox. Mit neuem Entwickler, einer neuen Optik und mit Kevin Spacey will die Call of Duty-Reihe einen großen Sprung nach vorne machen, bleibt aber im eigenen Sand stecken, da es eher Rück- als Fortschritte macht.

Sniper müssen auf den kleinen Karte nun mobiler sein

Sniper müssen auf den kleinen Karte nun mobiler sein

 

E3 2014. Activision zeigt erstmals bewegte Bilder vom neuen Call of Duty-Ableger mit dem Namen Advanced Warfare. Optisch macht die Präsentation eine Menge her. Die seit fast schon einem Jahrzehnt sich technisch kaum weiter entwickelnde Shooter-Reihe scheint endlich wieder mal einen Grafik-Sprung zu machen. Spielerisch hatten wir dagegen den Eindruck, abermals Mehr vom Gleichen zu bekommen. Doch die Vorzeichen sind gar nicht so schlecht. Denn der nun schon elfte Teil der Serie bekommt mit Sledgehammer Games einen neuen Entwickler und somit mehr Zeit (statt zwei Jahre sind es nun drei im Wechsel-Rhythmus zwischen den Entwicklern), zudem Sledgehammer kein Pionier auf CoD-Gebiet ist, durfte der Entwickler doch schon am Mehrspieler-Modus von Modern Warfare 3 mitwirken. Richtig interessant werden dann zwei erfrischende Komponenten von Advanced Warfare. Zum einen der neue Exo-Suit, welcher ähnlich wie in Crysis mehr Bewegungsfreiheit und Taktik in die 0815-Balllereien bringen soll und kein Geringerer als Schauspieler Kevin Spacey (House of Cards, American Beauty) mischt in der Kampagne mit.

Sledgehammer führt diese und weitere Neurungen zunächst geschickt in die Geschichte ein. Im Jahre 2054 eskaliert die Lage zwischen Nord- und Südkorea und es kommt zum Angriff auf Seoul. Mittendrin sind wir in der Haut von Private Mitchell, der mit den US Marines die Lage beruhigen will. Beruhigen ist dabei zwar das falsche Wort, denn wir schießen darauf natürlich alles, was sich bewegt zu Klump und auf wen genau und wieso jetzt eigentlich genau, wird auch nicht klar. Jedenfalls verliert Mitchell bei dem Einsatz nicht nur seinen besten Freund sondern auch noch gleich seinen linken Arm. Für das Militär sind wir also nicht mehr zu gebrauchen, doch da kommt Kevin Spacey ins Spiel. Dieser mimt nämlich den charismatischen Jonathan Irons, Chef von Atlas, der größten (und natürlich amerikanischen) Privatarmee der Welt. Und Irons sieht in uns offenbar eine große Zukunft und stellt uns kurzerhand bei Atlas ein. Wie das bei Mitchells Verletzung gehen soll? Die Antwort: Der Exo-Suit.

So gut wie hier sieh tdas eigentliche Spiel nie aus.

So gut wie hier sieht das eigentliche Spiel nie aus.

 

Zugegeben: Der Plot von Advanced Warfare ist reichlich albern, ergibt aber dennoch halbwegs Sinn und lässt uns nicht im Regen stehen. Tatsächlich macht diese Albernheit ein bisschen den Reiz des Ganzen aus. Denn bei all dem Blödsinn müssen wir hin und wieder schmunzeln, zudem macht die gute Performance von Spacey einfach Spaß. Ein ungewöhnlicher Mix. Problem dabei ist leider, dass Advanced Warfare sich viel zu ernst nimmt und genreüblichen Pathos-Bombast mit einer dicken Portion Dramatik inszenieren will. Die Geschichte fährt dann leider auch endgültig gegen die Wand, sobald Irons vom undurchschaubaren mächtigen Boss eines militärischen Monopols zum super bösen James Bond-Schurken mutiert, der die Welt ausradieren will. Das Ergebnis ist also eine Handlung, die einen schönen roten Faden hat und uns gut durch das Spiel führt, beim Nachdenken jedoch eigentlich ein unfassbarer Schwachsinn ist. Advanced Warfare ist in dieser Hinsicht eigentlich ein Unfall, bei dem man nicht wegsehen kann.

Punkten kann das Spiel mit einigen netten Ideen, welche das gewöhnliche Spielprinzip auflockern. Ein gutes Beispiel ist eine scheinbare 0815-Schleichmission am Anfang, wie wir sie schon ixmal in den Modern Warfare Spielen erlebt haben. Doch dann entpuppt sich beim Scheitern des Einsatzes das Ganze als virtuelle Übung auf dem Atlas-Gelände. Ziemlich cool und überraschend. Ebenso angetan hat es uns der Exo-Suit mit seinen verschiedenen Fähigkeiten. Da wären flotte Ausweichmanöver und meterhohe Sprünge, mit denen wir ebenso auf Dächer springen , wie auch Feinden in den Rücken fallen können. Dazu kommen nette Gadgets wie – Spiderman lässt grüßen – Handschuhe, mit denen wir Wände hochklettern dürfen oder Greifhaken, die uns auf höher gelegene Positionen ziehen. Hinzu kommen taktische Granaten, wie EMPs (gegen Drohnen) oder lenkbare Splittergranaten. Tatsächlich kommt so ein bisschen Taktik und mehr Bewegungsfreiheit in die Spielmechanik. Das große Problem dabei ist aber, das Advanced Warfare die meisten dieser Gadgets uns nur dann einsetzen lässt, wenn es das Spiel auch vorsieht. Wie schon bei den Vorgängern werden wir hier an der Leine gezogen und haben nur sehr selten freie Auswahl zwischen den Geräten. So bleibt der taktische Exo-Suit, der uns mehr spielerische Freiheit geben soll, letztendlich nur eine Illusion. Sehr schade.

Das verschenkte Potenzial fällt dann besonders negativ auf, wenn das Spiel an einigen Stellen die schlechtesten Seiten und größten Schwächen der Call of Duty-Serie hervorbringt. Zugegeben, die Ballereien waren schon immer durch zahllose und ziemlich dumme KI-Gegner geprägt, doch nie zuvor war der geringe Anspruch darin so offensichtlich wie in Advanced Warfare. Da wir etwa fast immer in Begleitung mindestens eines Squad-Mitglieds sind, wird uns vor allem dieses mal besonders klar, wie unbrauchbar diese sind. Selbst wenn nur noch ein gegnerischer Soldat übrig ist, unser Kollege vermag es einfach nicht, ihn zu treffen. Den Abzug dürfen ausschließlich wir drücken. Die Gegner selbst verharren dabei stur auf ihren Positionen, völlig unabhängig, wie wir uns bewegen, und durchlaufen brav ihre binäre Prozedur aus „Kopf einziehen“ und „aus der Deckung gucken“. Den Tiefpunkt des ganzen erreicht das Spiel im Level „Armada“, der uns einfach auf ein Flugdeck mit hunderten von feindlichen KI-Soldaten schickt. In seinen Schießereien setzt Advanced Warfare endgültig auf Quantität statt Qualität.

Im Detail betrachtet sieht AW recht hässlich aus.

Im Detail betrachtet ist AW sogar recht hässlich.

 

Bei den Vorgängern war das alles nicht so schlimm, da es immer wieder tolle Schauwerte zu bestaunen gab, die uns vom anspruchslosen „Schieß-Mich-Tot“ ablenkten. Sledgehammer hat jedoch weitestgehend auf spektakuläre Momente verzichtet. Die einstürzende Golden Gate Bridge in der Mitte des Spiels fällt zwar sehr beeindruckend aus, bleibt aber der einzig wirklich im Gedächtnis bleibende Moment in der ca. sieben Stunden langen Kampagne, zudem man diesen schon von der gamescom-Präsentation kannte. Sledgehammer Games verfolgt zwar einen guten Ansatz, nicht mehr das ganze Spiel mit Explosionen vollstopfen zu wollen und die Action eher etwas subtiler einsetzen zu wollen. Wenn dann jedoch außer ziemlich öden und anspruchslosen Ballereien nicht mehr viel übrig ist, fehlt es Call of Duty komplett an Substanz.

Technisch macht Teil Elf der Reihe einen Sprung nach vorne, wenn auch einen kleinen. Der Klang der Waffen etwa fällt nun deutlich klarer und kräftiger aus und macht so endlich wieder einiges her. Optisch bekommen wir dagegen nicht wie versprochen die große Next-Gen Revolution, die ja schon in Ghosts ausblieb. Zwar sind die Skriptsequenzen und Dialoge in der Spielgrafik sehr schön anzusehen, wurden im Vergleich zum eigentlichen Spiel jedoch deutlich aufgehübscht. Übernehmen wir über Mitchell wieder die Kontrolle, schaltet die grafische Qualität nahtlos zwei Gänge zurück. Dann ist der Gesamteindruck zwar immer noch besser als in Ghosts, dennoch können wir an allen Ecken und Enden ziemlich hässliche und unsauber texturierte Stellen entdecken. Hübsch ist Advanced Warfare trotz aufpolierter Optik noch immer nicht.

Ärgerlich ist die Technik umso mehr, da sie uns mit lauter Problemen ärgert. Generell will Advanced Warfare nur selten konstant flüssig laufen. Die Bildrate bricht vor allem bei den nachbearbeiteten Sequenzen komplett ein. Einstellungen wie Ambient Occlussion und Anti Aliasing fordern zudem auch starke Rechner bis aufs Äußerste. Bereits leicht dosiertes Herunterschrauben dieser Einstellungen lassen das Spiel deutlich schlechter und verwaschen aussehen. Sehr nervig: Wenn wir in den Grafikeinstellungen herumprobieren wollen, welches Setup denn nun am besten für unseren PC und die Optik ist, wird der Level jedes mal komplett neu geladen, was mehrere Minuten dauert.

Im Multiplayer setzt sich die Problematik fort. Schlimmer sogar. Zum jetzigen Zeitpunkt bekamen wir es sehr oft mit Abstürzen, ständigen Lags, schlechten Pings und heftigen Rucklern und Einbrüchen der Bildrate zu tun, von nicht dedizierten Servern mal abgesehen. Gerade in einem Call of Duty, welches auf schnelle Gefechte mit 60 Bildern pro Sekunde ausgelegt ist, ist das ein Desaster. Wir fühlen uns etwas an den schlimmen Start von Battlefield 4 im letzten Jahr erinnert. Der Mehrspieler-Modus, von dem wir uns eine deutliche Verbesserung gegenüber Ghosts und der Solo-Kampagne erhofft haben, ist somit nur bedingt spielbar. Zurzeit werden die Matches durch Frust dominiert. An Umfang mangelt es zumindest nicht. Sledgehammer hat Advanced Warfare 14 Karten und mehrere abwechslungsreiche Spielmodi verpasst. Wieder mit dabei ist das in Ghosts zu Beginn durch Abwesenheit aufgefallene Search & Destroy, aus einem Call of Duty natürlich nicht wegzudenken. Neu dagegen ist Uplink, welches an Obliteration aus Battlefield 4 erinnert, sowie Momentum, welches wir noch aus World at War kennen. Auch beim Klasseneditor und bei den Killstreaks setzt Sledgehammer auf ein System der Vorgänger. Das Pick 10 System aus Black Ops 2 heißt nun Pick 13 und die Streaks heißen wieder Scorestreaks. Ist auch nicht schlimm, denn in Black Ops 2 waren genau diese Mechaniken sehr sinnvoll und tun auch Advanced Warfare gut. Leicht modifiziert wurden sie trotzdem. Im Klasseneditor haben wir nun noch mehr Freiheiten, uns individuell zu spezialisieren und können bei Verzicht auf Sekundärwaffe und Granaten bis zu sechs Perks mitnehmen, die uns unter Anderem schneller, weniger verwundbar oder unsichtbar für Drohnen machen. Hinzu kommt ein gelungenes Loot-System, das uns nach den Partien mit zufälligen Belohnungen zum Weiterspielen motiviert.

Die Score Streaks erfreuen uns abermals durch weniger Aufdringlichkeit als in den Infinity Wards Ablegern der Serie, sind aber etwas seltsam ausbalanciert. Denn Streak-Belohnungen können nun kombiniert werden. Ob wir aber ganze 700 Punkte nun verwenden wollen, um endlich ein Geschütz plus Fernsteuerung zu besitzen, ist sehr fragwürdig. Genauso machen einige Belohnungen einfach kaum Sinn, da die leider sehr uninspirierten Karten nun fast ausschließlich auf Infanteriegefechte am Boden ausgelegt sind und noch schneller vonstatten gehen. Auch deshalb, weil der Exo-Suit uns nun mehr Bewegung erlaubt und fast alle Spieler nun über die Ebenen springen, statt zu laufen. Das ist einerseits neu und sehr gelungen, andererseits werden die Gefechte auch gerne mal sehr chaotisch und wir verlieren gerne mal den Überblick, wo unser Feind denn gerade eigentlich war. Steuern lässt sich die Spielfigur jedenfalls sehr direkt und angenehm. Spezielle Exo-Fähigkeiten wie der Schild oder ein kurzer Sprint nehmen wir dagegen kaum mit, sie nehmen nur Platz weg im Pick 13 System und stellten sich als ziemlich nutzlos heraus.

Das gelungene Pick System aus Black Ops 2 feiert sein Comeback

Das gelungene Pick System aus Black Ops 2 feiert sein Comeback.

 

Somit hat Sledgehammer Games viele gute neue und gute alte Mechaniken in den Mehrspieler-Modus eingeführt. Vieles will dabei einfach noch nicht ineinander greifen, da die Balance noch nicht sehr ausgewogen ist. Richtig nervig sind aber die vielen technischen Probleme, speziell die Performance. Ein weiteres Manko ist der Netcode, der wieder schlimme Hitboxen a la Modern Warfare 3 generiert. Treffer sind jedenfalls selten nachvollziehbar oder kommen gar nicht erst an. Kommen sie jedoch an, fällt uns auf, dass der Spieler viel zu viel einsteckt. Fast ein ganzes Magazin muss jetzt für einen Gegner dran glauben. Es gibt also viel zu tun für die Entwickler. Hoffentlich dauert das Flicken dabei nicht so lang wie bei Battlefield 4. Denn in einem Jahr erscheint ja schließlich mit großer Wahrscheinlichkeit bereits das nächste Call of Duty.

 

 


Wertung
Pro und Kontra
  • hübsche Ingame-Sequenzen...
  • verbesserter knackiger Sound
  • Handlung trägt gut durch das Spiel...
  • umfangreicher Multiplayer wieder mit S&D Modus
  • berreichender Exo-Suit...
  • Karten wieder kleiner als in Ghosts, mehr Nahkampf
  • ...an die das Spiel selbst nicht heranreicht
  • sehr fade überfrachtete Ballereien
  • ...ist aber sehr albern und schwach
  • sehr kurze Kampagne ohne Höhepunkte
  • ...der nur eingeschränkt einsetzbar ist und im MP nur teilweise durchdacht
  • diesmal viel offensichtlichere sehr dumme KI
  • langweiliges Kartendesign
  • technische Mängel, Performance-Probleme und Lags
  • Netcode, Hitboxen, Treffer-Feedback, Balance
  • keine dedizierten Server

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(2)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.