Nächstes Jahr werde ich zehn Jahre alt! Also zumindest als Redakteur der GameStar. Und wisst ihr, was ich an meinem Job liebe? Dass ich euch Dutzende Highlights meiner GameStar-Zeit runterbeten könnte (und wahrscheinlich in zig Videos und Artikeln schon habe).
Als Trainee-Jungspund zum ersten Mal überhaupt in die USA zu reisen, um in Los Angeles als einziger Medienmensch von Star Wars: Battlefront (2015) enttäuscht zu sein. Michael Fassbender und Marion Cotillard im Hotelzimmer zum desaströsen Assassin’s-Creed-Film zu interviewen.
In Prag Kingdom Come zu spielen, in Breslau Dying Light, in Seattle Destiny 2, in Ankara Mount & Blade 2 – ich habe in meiner GameStar-Zeit weit mehr von der Welt gesehen als in allen 24 Jahren zuvor. Und die ganzen tollen Menschen – große Designlegenden wie Harvey Smith, Hidetaka Miyazaki, und noch wichtiger: mein famoses eigenes Team und ihr da draußen, die ihr zu Podcast-Treffen und gamescoms kommt, um Hallo zu sagen. Letztens warte ich im McDonald’s auf meinen Cheeseburger, ein GameStar-Fan steht plötzlich vor mir und sagt: »Danke für eure tollen Berichte, macht bitte unbedingt weiter so.« Von sowas zehre ich Wochen.
Aber bevor ich jetzt in Danksagungen abschweife oder bloß über Auslandskamellen spreche, die ich eh schon zehnmal erzählt habe, spreche ich mal über ein Thema, über das ich noch nie geredet habe: Was für eine stürmische Zeit die letzten neun Jahre waren.
Einen Überblick über alle persönlichen Rückblicke unserer Redakteure findet ihr in unseren Webstories:
Online-Journalismus ist der Hammer!
Ich habe mein GameStar-Handwerk noch im Print gelernt, als einer der letzten. 2013 gab es unsere Homepage-, YouTube- und Social-Ableger natürlich schon ewig, aber ich ging durch die klassische Schule: Artikel noch selbst in der Layout-Abteilung einkürzen, Laufzettel ausfüllen, meine Welt als Praktikant bestand aus Printabgaben, möglichst perfekten Screenshots, Heftstandards (auch Inhaltsverzeichnisse schreiben sich nicht von selbst) und so weiter.
Ich tippte meine Preview zu No Man’s Sky, pflegte Petras ellenlange Korrekturen ein, wählte sorgfältig die Bilder aus und wenn dann am Ende ein fertiger Artikel auf zwei Seiten im Heft erstrahlte … purer Zucker.
Neun Jahre später sieht mein Alltag komplett anders aus. Ich bin Online-Journalist.
Zu jedem Zeitpunkt habe ich vier, bis fünf Tools gleichzeitig offen – ich prüfe live, welche Artikel wie gut auf der Homepage performen, welche Highlight-Kachel auf der Startseite am häufigsten geklickt wird, wie viele Menschen heute schon GameStar Plus abonniert haben, studiere unsere Planungsdokumente.
Das klingt jetzt vielleicht trocken und natürlich bin ich nie Gaming-Journalist geworden, um Excel-Tabellen zu wälzen, aber lasst mich die Lanze brechen: Online-Journalismus ist der Hammer!
Wenn ich jetzt ein neues Assassin’s Creed teste, bastle ich nicht einfach den Test, sondern kann live schauen, wonach ihr da draußen sucht. Ihr wollt mehr über die Spielzeit wissen? Dann tippe ich ein kleines FAQ, welcher Spielertyp auf Basis meiner Erfahrung wie lange für die Kampagne braucht.
Das Spiel stürzt dauernd bei euch ab? Ich spreche mit der Tech-Abteilung, ob wir da keinen Service-Artikel bringen können. Der Day-One-Patch lässt auf sich warten? Ich rufe bei Ubisoft an und schreibe euch eine kleine News, wann das Ding kommt.
Online-Journalismus ist so viel mehr, als bloß Google-Keywords in Artikel zu klatschen. Ich kann heute ein leidenschaftliches Plädoyer für mein liebstes Rollenspiel schreiben und es bestünde eine große Chance, dass es 100.000 Rollenspiel-Fans aufs Handy gespült wird, die vielleicht noch nie was von GameStar gehört haben. Ja, ich weiß, Vernetzung hat auch ihre Schattenseiten, aber natürlich freue ich mich, für ein großes Publikum zu schreiben.
Pokémon Go und die GameStar-DNA
Doch der Weg hierhin war weit. Dass ich als Print-Redakteur nicht nur Previews, Tests, sondern auch News, Guides, FAQs und Co. schrieb, war Teil eines gigantischen Transformationsprozesses, der locker sechs Jahre gedauert hat. Dass die Medienbranche sich rasant verändert, ist nicht neu. Und GameStar hatte immer ein Händchen, auf solche Prozesse gut zu reagieren – nur passiert das ja nicht automatisch.
Wenn plötzlich dein reichweitenstärkster Artikel des ganzen Jahres eine Liste aller Scheunenfunde in Forza Horizon ist, dann gibt dir das natürlich zu denken. Die heutige GameStar.de ist das Ergebnis Hunderter kleiner wie großer Entscheidungen, Erfolge, Fehler, Learnings.
2016 erschien plötzlich ein Pokémon Go, und die ganze Welt redete über nichts anderes. Und ich weiß noch, wir standen damals als frisch zusammengewürfelte Online-Redaktion vor der Planungstafel und haben überlegt: Sollten wir auf den Zug aufspringen? Also bin ich zusammen mit Mirco in die Münchener Innenstadt marschiert, habe Leute nach ihrer Meinung zum Spiel gefragt, aber irgendwie lief das alles ins Leere, während die Konkurrenz uns mit extrem starken google-optimierten Service-Artikeln davon lief.
Heute klammern wir das aus. GameStar konzentriert sich auf Themen, die zu unserer DNA passen. FIFA, aber kein FIFA Ultimate Team mehr. Smartphone-Spiele nur dann, wenn wir sie den Rollenspiel-, Open-World und Strategiefans in unserer Community wirklich als Blick über den Tellerrand empfehlen wollen. Und am Horizont warten schon die nächsten großen Trends – allen voran TikTok –, dass wir irgendwie auf sie reagieren. Werden wir. Auf unsere Art, so wie wir es mit dem GameStar Podcast gemacht haben.
Ich habe fast meine ganzen 20er damit verbracht, erst Print-, dann Online-Journalist zu werden. Manche Kniffe waren immer wichtig – gutes Schreiben, journalistisches Feingefühl, kreative Ideen, Leidenschaft für Spiele –, andere Fähigkeiten musste ich in Windeseile neu erlernen. Und ich würde es im Rückblick exakt so wieder tun. Nur den Test zu Deus Ex: The Fall an jemand anderen abgeben … herrje, war das schlimm.
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