»Das Alter ist eine unheilbare Krankheit.« Das hat Seneca gesagt, damals in der Antike. Und damit zeichnet er damit gleich ein negatives Bild vom Alter und vom Älterwerden. Aber trifft das zu? Wenn wir über das Altern sprechen, sprechen wir über mehr als über Krückstock und Falten. Das Altersbild ist kein rein negatives, sondern unterscheidet sich je nach Gesellschaft und Kultur.
Verharren wir mal in unseren westeuropäischen Breiten. Welches Bild vom Alter(n) haben wir? Ingmar Bergmann, schwedischer Regisseur und notorischer Schwerenöter, bringt es auf den Punkt: »Mit dem Älterwerden ist es wie mit dem Bergsteigen: Je höher man steigt, desto mehr schwinden die Kräfte, aber umso weiter sieht man.«
Anders gesagt: Im gesellschaftlichen Diskurs wird das Thema Alter(n) doppeldeutig betrachtet: Wir verbinden damit sowohl negative als auch positive Aspekte. Klar, unsere körperlichen Kräfte schwinden, wir werden sprichwörtlich »alt und bucklig«. Zugleich verbinden wir mit dem Alter Tugenden wie Weisheit, Klugheit und Erfahrung - Bergmanns »Weitsicht«.
Ganz gleich, welches Bild vom Altern wir haben: Es betrifft uns alle, ob wir wollen oder nicht. Das alleine wäre Grund genug, dass sich Spiele damit auseinandersetzen. Was uns alle betrifft, verspricht ein hohes Maß an Identifikation und damit Immersion. Wir tauchen leichter in eine Spielwelt ein, wenn wir uns mit dieser identifizieren können.
Und dieses Eintauchen ist ja letztlich der heilige Gral der Spielemacher. Wenn wir als Spieler ganz in der Spielwelt angekommen sind, dann hat uns das Spiel sozusagen am Wickel. Es wäre also schon aus rein wirtschaftlichen Gründen naheliegend, das Thema Alter(n) in Spielen zu thematisieren.
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Gerade in Anbetracht der demographischen Situation wundert es aber noch mehr, dass Spiele das Thema weitgehend ausklammern. Denn Alter und Altern sind Zukunftsthemen, die ökonomische, politische und soziale Folgen haben. Es ist nahezu unvermeidlich, dass wir uns im echten Leben mit dem Alter(n) und den herrschenden - oder wünschenswerten - Altersbildern, deren Entstehung und Wirkungsweisen auseinandersetzen. Geburtenrückgang und Überalterung mancher Gesellschaften?
Steigende Altersarmut? Engpässe im Pflegesystem? Konflikte zwischen den Generationen, etwa bei der Rentenreform oder beim Umweltschutz? Alles Themen, die hochaktuell sind und spielerisch umsetzbar. Letzteres beweist etwa Cities: Skylines, dessen Bürger altern und irgendwann sterben. Wer nicht für genügend Arbeitsplätze sorgt, die neue Bewohner in die Stadt locken, hat es irgendwann mit einer »Todeswelle« zu tun: Die alten Bürger sterben massenhaft weg, die Stadt leert sich.
Ziemlich radikal, ja, aber zugleich ein Sinnbild für das Schicksal überalterter Gesellschaften. Sonst wird das Thema Alter(n) jedoch kaum aufgegriffen - warum nur? Wie könnte ein Spiel über das Altern aussehen? Und: Warum sollten wir es überhaupt wollen?
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Alter(n)? Nein, danke!
Skyrim. Pathetische Musik im Hintergrund des Rollenspiel-Epos, wir erstellen unsere Spielfigur: Mit ein paar Klicks und ein bisschen Scrollen verpassen wir ihr im Charaktereditor Falten. Tiefe Furchen, die uns so gar nicht aussehen lassen wie den strahlenden Helden, der einmal mehr die Welt rettet. Wir lassen unseren Charakter mit ein paar Handgriffen altern oder verhelfen ihm zu blühender Jugend.
Aber: alles nur Optik. Das angejahrte Aussehen unserer Spielfigur hat keinerlei Auswirkungen auf unsere Fähigkeiten, Interaktionen oder überhaupt auf die Spielwelt. Und: Die Optik verändert sich nicht mehr. Heißt: Wir sehen immer aus wie die uralt-hutzelige Redguard-Kriegerin, die wir anfangs erstellt haben. Komme, was wolle. Wir altern nicht (weiter). Das Altern ist ein lediglich kosmetischer Eingriff, der keine Wirkung auf den Spielmechanismus hat.
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