Auf der IFA 2024 gab es einiges zu bestaunen. Frische Hardware, kommende Technologien und viele Einblicke in die Zukunft der Technikwelt. Einer dieser Einblicke blieb mir auch nach dem Ende der Fachmesse im Kopf: Das Portal Tom's Hardware hat mit Jack Huynh, AMDs Chef der »Computing und Graphics Business Group« ein längeres Interview geführt.
In diesem spricht Huynh über die Ausrichtung, die der Grafikkartenhersteller in den nächsten Jahren verfolgt. So werde AMD zumindest auf absehbare Zeit den High-End-Markt mehr oder minder aufgeben - und ich finde, dass das für uns PC-Spieler eine der besten Nachrichten seit Langem ist.
Erinnert ihr euch noch an Polaris?
Um die Aussagen des lesenswerten Interviews kurz zusammenzufassen: AMD werde sich in der nächsten Generation darauf fokussieren, Marktanteile im Grafikkartenmarkt zu gewinnen. Hierfür möchte sich Huynh aber nicht auf den Flaggschiff-Markt fokussieren.
Stattdessen soll eine größere Akzeptanz von AMD-Grafikkarten geschaffen werden, um infolgedessen mehr Spielentwickler dazu zu bringen, auf die Radeon-GPUs zu optimieren. Sobald man dies erreicht habe, könne man sich auch wieder an den sogenannten »Halo«-Produkten orientieren.
Diese Strategie ist im Hause AMD nicht neu: Insbesondere die Polaris-Generation innerhalb der RX-400- und RX-500-Serie ist mir als einer der besten Preis-Leistungs-Chips aller Zeiten in Erinnerung geblieben. Wer eine starke, für den damaligen Zeitpunkt moderne Grafikkarte wollte, griff zu AMD - und nur diejenigen zu den mindestens doppelt so teuren Nvidia-Karten wie der GTX 980 oder der GTX 1070/1080, die wirklich das letzte bisschen an Leistung herauskitzeln wollten.
AMDs aggressive Preisstrategie ging im damals so wichtigen Sektor zwischen 200 und 300 Euro auf: Die Polaris-GPUs waren der Schlüssel für größere Marktanteile, bis Nvidia mit der GTX 1060 (Pascal) zurückschlug.
Für uns Spieler war das gewissermaßen das GPU-Schlaraffenland. Die beiden Hersteller unterboten sich in der für alle Spiele (mindestens) ausreichenden Mittelklasse mit starken, nachvollziehbar bepreisten Angeboten. Einzig bereits damals aufkeimende Mining-Hypes rund um Ethereum machten der Verfügbarkeit in Teilen einen Strich durch die Rechnung.
Trotzdem: Wenn AMD also sagt, dass man sich Marktanteile außerhalb des High-End-Segments zurückholen möchte, dann besteht bei mir zumindest die Hoffnung, dass auf uns etwa mit der RX-9000-Serie neue Preis-Leistungs-Knaller bevorstehen.
Grafikkarten, die im Hinblick auf Stromeffizienz, Rasterleistung und vielleicht sogar Raytracing-Leistung alles in den Schatten stellen, was Nvidia mit den Modellen zwischen einer RTX xx50 und xx70 bringen kann oder will. Die jüngsten Angaben zum Grafikchip der PlayStation 5 Pro, die einen Vorgriff auf künftige RT-Möglichkeiten stellen soll, machen Anlass zur Hoffnung.
Der zweite Hoffnungsschimmer kommt ausgerechnet von Intel
Analog zum Wettbewerb zwischen Polaris und Pascal benötigt es aber auch in den kommenden Jahren einen konkurrenzfähigen Mitstreiter im Budget- und Mittelklassesegment. Andernfalls könnte AMD ebenso wie Nvidia im Enthusiastenbereich Preise angeben, wie man eben möchte.
Hier kommt der dritte GPU-Hersteller ins Spiel: Intel.
Ja, die ersten Arc-Grafikkarten hatten insbesondere zu Beginn extrem viele Treiberprobleme und Kinderkrankheiten, die es zu lösen galt und noch gilt. Was man aber den Intel-Entwicklern definitiv lassen muss: Fast im Wochentakt kommen neue Updates heraus, die spürbare, signifikante Verbesserungen in den Frameraten bringen. Und seien wir mal ehrlich, »mal eben in den Grafikkartenmarkt einsteigen« kann und darf auch mit Querelen gepflastert sein, solange ein Bemühen zur Verbesserung erkennbar ist.
Passenderweise verfolgte Intel Arc von Anfang an das Ziel der Budgetgrafikkarten. Wenn der Treiber lief, waren die Arc A750 und A770 absolut konkurrenzfähige Produkte - gegen die sich AMD im Zuge der neuen Strategie nun behaupten muss. Was liegt da näher, als mit einer brutalen Effizienz zu werben; gegenüber allem, was Intel mit den geplanten Generationen »Battlemage« und »Celestial« auf den Markt werfen kann?
Positiver Nebeneffekt: Auch Intel selbst müsste neue Argumente finden, um die gemachte Arbeit nicht gleich wieder niederzureißen. Etwa über den Preis. Stellt euch doch mal vor, wie der Markt aussehen würde, wenn Intel den Nachfolger der Arc A580, die perfekte 1080p-Grafikkarte für rund 150 Euro, und AMD die perfekte 1440p-Grafikkarte für rund 300 Euro bringen würde …
Neue Architektur soll AMD zum Ziel führen - Ryzen als Vorbild
Zu diesem Zweck hat AMD jüngst auch erklärt, dass die zugrundeliegende Architektur der Grafikkarten angepasst wird. Genauer gesagt: Statt einer Aufteilung zwischen Client- und Workstation-Lösung – also RDNA und CDNA – werden diese unter dem UDNA-Banner verschmolzen.
Das U im Namen steht hierbei für »Unified« und soll für eine einfachere Optimierung seitens Entwickler sorgen. Ein exakter Zeitplan für den Umstieg wird nicht genannt; zwischen den Zeilen deutete Huynh aber erste GPUs auf Basis UDNA frühestens zur RX 9000 an.
Mit der Architektur wird eine Cloud-to-Client-Strategie verfolgt: Auf Rechenzentren ausgelegte Grafikkarten werden für den Privatkundenmarkt schlicht herunterskaliert; bei Bedarf werden einzelne Teile wie der Speicher von HBM auf GDDR ausgetauscht.
Kommt bekannt vor? Dieselbe Strategie fährt AMD seit Jahren mit Epyc- und Ryzen-Prozessoren, insbesondere die X3D-Chips sind als Hauptverantwortliche für das Wiedererstarken der CPU-Abteilung zu nennen. Die Vorstellung der ersten Generation der Ryzen-Prozessoren wurde als »Zen-Moment« für das Unternehmen beschrieben, der den Grundstein für die bis heute andauernde Erfolgsgeschichte legte.
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Passenderweise soll den jüngsten Gerüchten zufolge auch die übernächste RX-9000-Generation ein solcher Zen-Moment werden. Die Hoffnung auf die Rückkehr der goldenen GPU-Zeiten mit Polaris und Pascal mittendrin ist angesichts dieser Nachrichten zumindest noch nicht ganz gestorben. Schauen wir mal, ob die Geduld des Marktes bis dahin nicht aufgebraucht ist.
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