Schon in den ersten fünf Minuten gibt Ihnen Arcania: Gothic 4einen Vorgeschmack auf all das, was es später falsch machen wird. Im Mini-Tutorial – einem Traum des Helden – hacken Sie sich durch Horden von Skelettkriegern. Ohne Herausforderung, ohne erkennbaren Grund, eine Pflichtübung voll Stumpfsinn. Keine Frage, danach wird das Rollenspiel besser, es entwickelt Spielfluss, es funktioniert. Aber begeistern, fesseln, packen, das kann Arcania nicht.
Dabei hätte diesmal alles gut werden können, nein, müssen. Nach dem ebenso überambitionierten wie fehlerzerfressenen Gothic 3hatten sich der Entwickler Piranha Bytes und der Publisher Jowood zerstritten. Jowood behielt die Serienrechte und heuerte mit dem Kehler Studio Spellbound (Helldorado) ein erfahrenes Team an, das den Namen Gothic wieder reinwaschen sollte. Das war vor drei Jahren, zur Geburtsstunde von Arcania.
In der Zwischenzeit hat Piranha Bytes selbst ein Neuwerk vorgelegt: Risengilt als das bessere Gothic, weil es den Charme der Serie erbt und sich zugleich weitgehend fehlerfrei spielt. Vor allem, weil die Entwickler ihren Ehrgeiz zurückschraubten; nach dem Übermaß von Gothic 3 schrumpft Risen wieder auf das überschaubare Niveau von Gothic 2.
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Arcania, das offizielle Gothic 4, entpuppt sich nun im Test als Paradoxon. Denn es bricht in vielerlei Hinsicht mit der Gothic-Tradition, krankt aber ausgerechnet am wichtigsten Pferdefuß seines direkten Vorgängers: Auch Arcania wirkt überambitioniert und viel zu groß. Man merkt dem Spiel an, dass es nicht fertig ist, auch wenn diesmal keine Fehlerflut den Abenteuerspaß trübt. Sondern spielerische Monotonie.
Begrenzte Spielwelt
Um es nochmals zu betonen: Arcania! Ist! Kein! Gothic! Zumindest kein echtes. Denn wo die Vorgänger spielerische Freiheit hochielten, Sie als ahnungslosen Recken in eine frei begehbare Spielwelt warfen und Ihnen dort grundlegende Entscheidungen abverlangten, verläuft Arcania in viel engeren Bahnen.
Mit Ihrem Helden erkunden Sie zunächst das kleine Start-Eiland Feshyr und danach die große Hauptinsel Argaan. Dort hangeln Sie sich an der Hauptquest entlang von einem abgeschlossenen Gebiet zum nächsten. Erst wenn alle Aufgaben gelöst sind, öffnet sich das Tor zum jeweils nächsten Areal. Der Gothic-typische Entdeckerdrang spielt in Arcania also eine untergeordnete Rolle.
Das wäre kein Problem, wenn die Entwickler die Spielwelt-Abschnitte sinnvoll gefüllt hätten. Haben sie aber nicht. Denn in jedem Gebiet müssen riesige Flächen ohne besondere Schauplätze oder andere interessante Ecken auskommen. Es gibt zu wenig zu entdecken auf Argaan. Klar, gelegentlich stolpern Sie über eine versteckte Schatzkiste, deren Inhalt aber selten wert- und sinnvoll ausfällt.
Schade drum, denn die Landschaften an sich sind schön und abwechslungsreich. So erklimmen Sie Feldterrassen im Umland der wuchtigen Küstenburg Stewark, steigen zu einem Kloster auf einem Vulkanfelsen empor, durchwaten den Sumpf um die Baumstadt Tooshoo, jagen Raptoren im Dschungelgestrüpp, kloppen sich in den felsigen Schwarzen Schluchten mit Skelettkriegern und erkunden die Tempelruinen unter den Bergen Argaans. Es gibt sogar einen verschneiten Abschnitt, der aber nur rund fünf Minuten dauert.
Atmosphäre-Stolpersteine
Bei Ihrer Abenteuertour stoßen Sie oft auf unnatürliche Grenzen. So können Sie manche Felsen und Mauern nicht überspringen, obwohl sie eigentlich niedrig genug wären. Außerdem bleiben Sie an Kanten grundsätzlich hängen. Wer einen Abhang hinunterhüpfen möchte, muss also die Sprungtaste drücken und in Kauf nehmen, dass der Held eventuell zu weit hopst und abstürzt. Selbst auf Straßen verhaken Sie sich so manchmal an Bodenwellen. Das nervt und kostet Atmosphäre.
Dafür belebt Spellbound die Arcania-Welt mit Tageszeiten-Wechseln, die allerdings inkonsequent ausfallen. Denn der Hell-Dunkel-Kreislauf wirkt sich nicht spielerisch aus. So folgen die Argaaner keinem Tagesablauf, ein Zimmermann hämmert auch nachts auf seine Planken. Außerdem können Sie nicht schlafen, um Zeit vergehen zu lassen. Wer im Menü die »Rollenspiel-Aktivitäten« einschaltet, darf sich zwar in Betten legen, doch dabei läuft die Tageszeit im Normaltempo weiter.
Und wo wir gerade beim Thema sind: Zu den »Rollenspiel-Aktivitäten« zählt auch das Bücherlesen, das ebenfalls nichts bringt. Im Vergleich mit den lebendigen Spielwelten von Risen und Gothic ist das ein Unterschied wie, nun ja, Tag und Nacht.
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