Black Friday nervt! Warum ich die Cyberweek bewusst ignoriere

Schnäppchen hier, Blitzangebote da, Rabatte überall: Für Heiko nimmt die Cyberweek dieses Jahr absurde Züge an, die er nicht mehr nachvollziehen kann.

Eine Warnung vorweg: Falls ihr vom folgenden Text eine ausgewogene, rationale Argumentation erwartet, dann lest besser was anderes.

Und ja, mir ist vollkommen bewusst, dass ihr auf GameStar.de gerade jede Menge Artikel findet, die euch eine Navigationshilfe durch den Cyberweek-Dschungel liefern. Aber zum Glück für all die Schnäppchenjäger dort draußen bestimmt nicht die Genervtheit des Chefredakteurs die Themenauswahl einer Website.

Denn Heidewitzka, bin ich gerade genervt!

Warum ich beim Shopping unerträglich bin

Vielleicht stinkt mir die Cyberweek deshalb so sehr, weil ich schon immer ein sehr rationaler Einkäufer war, was mich zu einem komplizierten Shopping-Partner macht, vorsichtig formuliert. Bei mir sind komplette Beziehungen daran zerbrochen, weil mir einfach nicht in den Kopf will, warum man unbedingt 20 Geschäfte abklappern muss, nur um auch ganz sicher den bestmöglichen Preis zu bekommen. Meine Freizeit ist mir wesentlich kostbarer als die paar Euro, die ich möglicherweise (!) sparen könnte.

Der Autor

GameStar-Chefredakteur Heiko Klinge ist sehr wohl in der Lage, sehr viel Geld für unvernünftige Dinge auszugeben. Zuletzt etwa rund 200 Euro als Backer des Brettspiels ISS Vanguard, von dem er noch keine Ahnung hat, ob es wirklich gut wird. Aber hallo, es ist quasi ein Mass Effect als Tabletop – wer kann da bitte widerstehen? Von bewussten Luxus-Investitionen abgesehen hat Heiko sein Kaufverhalten aber komplett systematisch durchgetaktet. "Shoppen" ist für ihn eine Notwendigkeit, keine Freizeitbeschäftigung. Böse Zungen behaupten, dass er in zehn Jahre alten Klamotten rumlaufen würde ("Die sind doch noch gut!"), wenn seine Frau nicht regelmäßig ein modisches Machtwort spräche. Sie könnten Recht haben.

Das Internet hat diesen für manche Menschen schwer erträglichen Wesenszug eher verstärkt denn gemildert. Schließlich kann ich hier innerhalb weniger Minuten finden, was ich wirklich brauche und das aus meiner Sicht fairste Angebot herausfiltern. Ja, Überraschung, nicht jeder Online-Anbieter spielt fair:

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Ich kaufe auch nie auf Vorrat. In meiner Dusche befindet sich genau ein Duschgel und ein Shampoo. Und erst wenn’s alle ist, wird Nachschub besorgt. Mir erschließt sich nicht, warum ich Dinge hamstern soll, nur weil sie gerade günstiger sind. Entsprechend gibt’s für mich auch kaum was Schlimmeres, als Lebensmittel wegwerfen zu müssen, weil ich mich bei der Bedarfsanalyse verkalkuliert habe.

Bedarfsanalyse. Spätestens jetzt dürftet ihr ein recht klares Verständnis davon haben, wie empfänglich ich für die emotionale Komponente des Shoppings bin. Wie ein Stein.

Ich weiß, was ich brauche. Und wann ich es brauche. Falls ich es mal nicht weiß, dann mache ich mich schlau. Bei Expertinnen und Experten, denen ich vertraue – egal ob im Freundeskreis oder Internet.

Hört auf mich anzubrüllen!

Was ich hingegen nicht brauche: Permanent ungefragt gesagt zu bekommen, was ich denn zu brauchen habe! Weil es jetzt so billig ist wie noch nie! Wenn nicht jetzt, wann dann!? Aber aufpassen, dieses Angebot ist streng limitiert! Wenn du jetzt nicht zuschlägst, dann wirst du es verpassen!

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Egal ob im Internet, Fernsehen, Radio oder auf der Straße: Aktuell werde ich permanent von Menschen angebrüllt, die mir etwas andrehen wollen. „Cyber“ ist bei dieser Week schon lange nichts mehr, aktuell will mich Facebook bei wirklich jedem Besuch davon überzeugen, dass ein Familienset Handtücher für 198 Euro (statt angeblich 329!) ein Spitzenangebot sei.

Diese Penetranz nervt nicht nur, sondern fühlt sich für mich auch regelrecht unangenehm an. Mal ganz abgesehen davon, dass ich mich nur ungern für dumm verkaufen lasse.

  • Nein, die UVP ist kein seriöser Maßstab für Rabattangaben!
  • Künstliche Verknappung und Countdowns sind billige Marketing-Tricks und lösen in mir vieles aus, aber sicher keinen Kaufimpuls.
  • Wenn ich etwas allein aus dem Grund kaufe, weil es gerade besonders günstig ist, dann spare ich kein Geld. Sondern ich gebe es aus.
  • Ja, vielleicht mag der neue Fernseher nach der Cyberweek wieder etwas teurer werden. Aber ganz sicher nicht so viel, dass ich meines Lebens nicht mehr froh werde, wenn ich jetzt nicht zuschlage. Mal ganz abgesehen davon, dass ich mein Geld bis ich ihn wirklich brauche auch anders sinnvoll anlegen kann. Und sei es nur in ein gutes Essen mit Freunden.

Ich weiß, was ich will. Ich weiß, wann ich es will. Und je mehr ihr mich anbrüllt, desto eher werde ich euch ignorieren, wenn ich tatsächlich mal was brauche.

Ein naiver Wunsch

Ich gönne allen ihr persönliches Schnäppchenglück, wenn sie sich dank der Cyberweek einen echten Wunsch erfüllen können. Mir liegt es auch komplett fern, den moralischen Zeigefinger zu heben. Hey, ich habe erst letztes Jahr meine Heimkino-Anlage erneuert, obwohl UHD-Fernseher wie Verstärker eigentlich noch bestens in Schuss waren – nur nicht HDR-fähig, geschweige denn Dolby Vision. Da musste passend zu den neuen Konsolen dringend Abhilfe geschafft werden! Viele Menschen werden das wahrscheinlich ebenso wenig nachvollziehen können wie ich ausgedehnte Shopping-Touren.

Aber ich merke einfach, wie ich meinen Konsum zunehmend stärker hinterfrage und entsprechend immer sensibler darauf reagiere, wenn mir Dinge angedreht werden sollen, die ich eigentlich gar nicht brauche. Oder die sich gar als Fehlkauf entpuppen, weil ich mir vor lauter Sale-Stress nicht die Zeit fürs Informieren nehme.

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Selbst bei Spielen greife ich nur noch dann zu, wenn ich wirklich Zeit habe, sie auch zu genießen. Wir Gaming-Fans wissen schließlich am besten, dass der nächste Sale maximal ein paar Wochen entfernt ist.

Mir ist völlig klar, dass mein Wunsch die Cyberweek-Marktschreierei etwas herunterzufahren, an Naivität kaum zu überbieten ist. Aber ich glaube fest daran, dass es dort draußen noch mehr Menschen wie mich gibt, die einfach nur ein gutes Produkt zu einem fairen Preis wollen. Die dafür weder angeschrien noch künstlich unter Druck gesetzt werden müssen. Und die sich ganz genau merken, wer in dieser Woche des Wahnsinns seine Kunden wirklich ernst nimmt und nicht für dumm verkauft.

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