Als Majd erklärt ihr Nour mittels Handy-Nachrichten die Reparatur ihres kaputt gegangenen Reißverschlusses, übersetzt griechisches Graffiti und zeigt ihr mittels Online-Kartenausschnitt den Weg zu einem Zufluchtsort vor bedrohlichen Verfolgern. Je nach Ereignis erhaltet ihr als Reaktionsmöglichkeit die Auswahl zwischen zwei Textoptionen oder drei Smileys. Nours Route verfolgt ihr über eine extra Karte, auf der die einzelnen und durch eure Entscheidungen beeinflussten Stationen markiert sind.
In lebensgefährlichen Situationen entwickelt das Instant-Messaging-Format echte Spannung, da Nours Antworten dann gar nicht schnell genug kommen können. Viele Schrecken und unvorhersehbare Schwierigkeiten der Flüchtlinge werden durch Nours Reaktionen eindrücklich für euer Kopfkino vermittelt.
An reale Begebenheiten angelehnte Ereignisse wie der Zusammenstoß zwischen Flüchtlingen mit ungarischen Grenzpolizisten, ein ertrunkenes Flüchtlingskind an der türkischen Küste oder ein Flüchtlings-Protestmarsch gestalten die Geschichte noch eindringlicher. Indes verläuft nicht jeder Fluchtversuch erfolgreich: insgesamt neunzehn unterschiedliche Enden zeigen euch mehrere Zielorte, aber auch das Scheitern von Nours Flucht
Bildung durch die Hintertür
Den durch die Kooperation der Entwickler mit dem Kultur-Fernsehsender ARTE vorhandenen Bildungsauftrag des Spiels merkt ihr vor allem an den etwas gewollt wirkenden Stellen, bei denen Majd seine Frau mit Informationen zu den Stationen ihrer Reise sowie mit geschichtlichen Hintergründen versorgt.
Ob eine Ärztin auf der Flucht zum Beispiel dringender wissen muss, dass Izmir während der Römerzeit Smyrna hieß, als ihr praktische Hilfe für die aktuelle Situation anzubieten, wagen wir zu bezweifeln. Und obwohl es durch Majds Storyanteil durchaus möglich wäre, bleiben die Autoren zudem echte Einblicke in Majds Alltag schuldig - eine verpasste Gelegenheit, auch die Situation der Daheimgebliebenen und im Krieg befindlichen Syrer näher zu beleuchten.
Man merkt dem Spiel an, dass es zuerst als Smartphone-App entwickelt wurde und die Macher für die PC-Version das vorhandene Format nur durch wechselnde, auf Nours Fotos basierenden Hintergründe ergänzt haben. Da es nur einen Speicherstand gibt, könnt ihr euch nur am aktuellen Tag anders entscheiden, alternativ beginnt ihr Nours Reise einfach von vorn.
Einen Fluchtversuch spielt ihr in etwa eineinhalb bis zwei Stunden durch, bereits bekannte Textabschnitte lassen sich jedoch nicht überspringen - ihr müsst sie nochmal komplett durchspielen, was den Spannungsfaktor von Durchgang zu Durchgang deutlich reduziert. Die nervigen Soundeffekte und wenig abwechslungsreiche Hintergrundmusik sind unschöne, jedoch glücklicherweise deaktivierbare Begleiterscheinungen.
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