Auf meinem Platz liegt ein Zettel. Es ist keine Einkaufsliste, kein »Oma Erna hat angerufen«-Post-it. Der aufgedruckte Text ist kurz gehalten, in klar verständlichem Englisch, mit viel Platz für eigene Notizen. Es handelt sich um ein Feedback-Formular mit der Bitte an mich und die gut 20 anderen Journalisten und Industrievertreter im Raum, unsere Eindrücke zu schildern, Noten zu vergeben, Kritik anzubringen.
Das ist für das Ende der knapp einstündigen Präsentation vorgesehen. Nachdem wir rund 50 Minuten zusammen auf unseren gepolsterten Sitzbänken sowie teilweise auf den kahlen Stufen daneben gesessen und in völliger Dunkelheit auf den grell leuchtenden Bildschirm an der gegenüberliegenden Wand gestarrt haben, versessen darauf, uns jedes Detail des gezeigten Spiels ins Gedächtnis einzuprägen.
Im Rückblick hätten wir uns diese mentale Übung schenken können, hätten das Dargebotene einfach genießen können, ohne uns darüber Gedanken zu machen, wie wir das Gesehene anschließend in Artikeln und Videos aufbereiten würden für die Menschen da draußen. Für die Normalo-Spieler. Die Fans. Also all jene, die Cyberpunk 2077 auf der Gamescom 2018 nicht zu sehen bekamen - jedenfalls bis die Gameplay-Demo dann doch im Stream auf Twitch und bei Youtube veröffentlicht wurde.
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Der Autor
Peter Bathge ist einer dieser Wahnsinnigen, die The Witcher 3 nicht mögen und nie über das erste Gebiet hinaus gespielt haben. Messedemos und vor Release veröffentlichte Videos zu kommenden Spielen beäugt er seit der E3 2012 kritisch: Denn das damals gezeigte »Gameplay« zu Watch Dogs versprach nicht nur grafisch ein gänzlich anderes Spiel als das Action-Adventure mit Ubisoft-Formel, das letztlich 2014 erschien. Von der Cyberpunk-2077-Präsentation auf der Gamescom war er dann auch nicht übermäßig beeindruckt, schon früher fragte er sich, woher der Hype kommt. Sein erster Gedanke: »Das sieht jetzt auch nicht viel besser aus als Deus Ex: Mankind Divided!«
PLUS
15:37
Was bei Cyberpunk 2077 noch schiefgehen kann - Die größten Herausforderungen der Entwickler
Cyberpunk 2077: Leak-Linderung per Gameplay-Video
Während der Messe ging das Gerücht um, Entwickler CD Projekt Red hätte die live vorgespielte Gameplay-Demo zu Cyberpunk 2077 als Video auf den internen Servern liegen, bereit für die sofortige Veröffentlichung. Aber eben nicht als Teil einer von langer Hand geplanten Marketing-Strategie - sondern als Notfallplan, falls das Undenkbare geschehen, falls die Präsentation illegal gefilmt und geleakt werden sollte.
In einem solchen Fall wollte das polnische Entwicklerstudio dem Vernehmen nach dem Leak den Wind aus den Segeln nehmen und lieber das offizielle Videomaterial in 4K-Auflösung nachschieben, als sich damit abzufinden, dass eine niedrig aufgelöste Wackelkamera-Aufnahme durchs Netz geistert.
Der befürchtete Leak ereignete sich nie, trotzdem landete der Gameplay-Walkthrough zu Cyberpunk 2077 im Netz. Und das, obwohl CD Projekt Red kurz zuvor noch mal die Absicht bekräftigt hatte, zu diesem frühen Zeitpunkt der Öffentlichkeit noch kein Ingame-Material zu zeigen. Was war passiert? Ich habe da so eine Vermutung. Und sie hat mit besagtem Feedback-Zettel zu tun, der auf meinem Sitz auf mich wartete, neben einem Becher voll angespitzter Bleistifte ...
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