Ein hysterisches Lachen. Erstmals hören wir es, als wir nördlich von Chernogorsk einige Konservendosen einsammeln. Wenig später schallt es bei Komarovo erneut durch die Gassen. Und dann hören wir es wieder. Wir durchsuchen gerade eine verlassene Holzhütte nach brauchbaren Gegenständen, als er plötzlich hinter uns steht. Ein Schweißerhelm verdeckt sein Gesicht. Seine Jacke leuchtet in auffälligem Rot, seine Jeans ist vom Regen durchnässt. Und an der Feuerwehraxt in seiner Hand klebt noch das Blut des letzten Opfers. Ohne zu zögern lässt er sein Beil auf uns hinabsausen. Totenstille.
Menschenfleisch
Zunächst denken wir, dass es sich bei unserem kichernden Axtmörder einfach um einen Spieler handelt, der Spaß daran hat, seinen Mitüberlebenden durch furchteinflößendes Gelächter über den spielinternen Voicechat Angst einzujagen - bei DayZ haben wir schließlich schon so ziemlich alles gesehen. Erst später wird uns klar, was wirklich dahintersteckt. Seit unserem letzten Besuch in Chernarus vor etwa einem Jahr hat das Entwicklerteam der Standalone-Version von DayZ nämlich zahlreiche neue Features und Spielinhalte hinzugefügt, die Überlebenden einige unangenehme Überraschungen bescheren können.
Kolumne zu Selbstmordanimationen und Kannibalismus in DayZ
Mit den neusten Updates führt das Entwicklerteam Kannibalismus und brutale Selbstmordanimationen in DayZ ein. Diese bedenkliche Entwicklung können und wollen wir nicht unkommentiert lassen. Eine Kolumne zum Thema von Johannes Rohe finden Sie hier.
Als wir wenig später an den Ort unseres plötzlichen Ablebens zurückkehren, bietet sich uns ein bizarrer Anblick: Unsere regungslose Ex-Spielfigur liegt neben einer Feuerstelle, auf der noch ein paar saftige Steaks brutzeln - Steaks aus Menschenfleisch, offenbar herausgeschnitten aus unserer Leiche. Unser Peiniger liegt tot daneben. Im Inventar des Kannibalen finden wir neben diversen Mordwerkzeugen noch mehr menschliche Proteinquellen.
DayZ - Screenshots der Standalone-Version ansehen
Kopfkrankheit und Suizidgedanken
Doch wer aus Verzweiflung oder perverser Mordlust darauf verfällt, die Leichen seiner Mitspieler zu verspeisen, infiziert sich mit Kuru. Die im Spiel mittlerweile nur noch als »Brain-Disease« bezeichnete Infektion des Zentralnervensystems gibt es auch im echten Leben und wird auch Lachkrankheit genannt, weil sie sich in ihrem Verlauf durch ein unnatürliches Lachen des Erkrankten äußert. In der ohnehin schon angespannten Atmosphäre der Spielwelt Chernarus sorgt das Kannibalismus-Feature für weitere Adrenalinstöße und eine zusätzliche abgefahrene wie abscheuliche »Interaktionsmöglichkeit« mit den Mitspielern. Und für reichlich Diskussionsstoff.
Entwicklungswirren
Eigentlich sollte die Standalone-Version von DayZ lediglich eine eigenständig lauffähige und fehlerbereinigte Variante der für Arma 2 entwickelten gleichnamigen Modifikation werden - und bereits im Dezember 2012 (!) erscheinen. Mittlerweile schreiben wir Januar 2015, und eine F ertigstellung des Projekts ist immer noch in weiter Ferne. Der Grund: Dean Hall und sein Team entscheiden sich Anfang 2013 kurzfristig dazu, doch lieber auf eine an die Bedürfnisse einer Online-Survival-Simulation wie DayZ angepasste Engine (Infusion) zu setzen. Im Dezember 2013 ist DayZ im Early-Access-Programm auf Steam erschienen. Die finale Version ist für 2016 vorgesehen und wird deutlich mehr Features bieten als ursprünglich geplant.
In unzähligen Forenbeiträgen wurde zum Release von Patch 0.51 darüber diskutiert, ob Kannibalismus denn nun wirklich etwas in einem Computerspiel zu suchen habe. Einige Spieler drohten sogar damit, DayZ den Rücken zu kehren, sollte das Entwicklerteam die Funktion nicht wieder entfernen. Andere wiederum sahen ihre spielerische Freiheit durch eine weitere Option ergänzt und empfanden die Neuerung als atmosphärisch durchaus stimmig. Mittlerweile hat sich die Aufregung allerdings wieder gelegt. Wie viele Spieler DayZ tatsächlich aufgrund des Kannibalismus-Features verloren hat, ist unklar. Viele dürften es den Steam-Charts zufolge aber nicht sein.
Tatsächlich ist es (bisher) aber gar nicht notwendig, in der Spielwelt auf Menschenfleisch zurückzugreifen. Zu üppig ist momentan noch die Loot-Verteilung, als dass irgendjemand derart Hunger leiden müsste. Fast in jedem verlassenen Haus findet sich mindestens eine Konservendose mit schmackhaftem Inhalt. Das führt zwar zumindest anfangs zu einer gesteigerten Sammelleidenschaft, der Survival-Aspekt leidet auf Dauer aber unter dem Überangebot an Nahrung.
Der Kannibalismus ist aber nicht das einzige umstrittene neue Feature. Wer kürzlich die Tasten F10 und F11 im Spiel betätigt hat, wird sie wohl schon einmal gesehen haben, die neuen Selbstmordanimationen. Je nach ausgerüstetem Gegenstand hält sich die Spielfigur mal ein Gewehr unters Kinn, mal eine Pistole an die Schläfe oder zieht sich ein Messer durch die eigene Kehle. Strittig ist hier jedoch nicht die Funktion des Selbstmordes und freiwilligen Respawnens an sich, sondern viel mehr die explizite Darstellung des Suizidaktes. Immerhin: Blut- und Verletzungseffekte fehlen.
Donnerwetter
Deutlich harmloser ist das neue Wettersystem. Regen und bedrohliche Gewitterwolken am Himmel sorgen nicht nur für reichlich Atmosphäre, sondern zwingen uns auch zu der einen oder anderen Pause unter einem Baum oder in einer Scheune. Wer nämlich keine wetterfeste Kleidung trägt, ist schnell bis auf die Haut durchnässt. Und dann drohen eine Unterkühlung und ohne ein wärmendes Lagerfeuer oder Bewegung über kurz oder lang eine tödliche Krankheit. Gegen eine ausgewachsene Lungenentzündung hilft nur die entsprechende Medikation. Und Medikamente finden wir mit vereinzelten Ausnahmen fast ausschließlich in Krankenhäusern. Sollten wir uns also gerade weit entfernt von den fünf großen Städten und den anderen Hospitalstandorten befinden, wenn die Krankheit ausbricht, haben wir einen quälenden Wettlauf gegen die Zeit vor uns.
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