Diablo 3 - Die Hölle ist zugefroren

Kaum ein Spiel wird mehr herbeigesehnt als Diablo 3 von Blizzard. Warum das nicht zwingend etwas mit der spielerischen Qualität des Action-Rollenspiels zu tun hat, erklärt Michael Obermeier in der Kolumne.

Michael Obermeier

Irgendwie paradox: Ich kann mir weder Telefonnummern noch Geburtsdaten oder PIN-Nummern merken, tippe aber blind die CD-Keys von Diablo 2inklusive Addon Lord of Destructionin die jeweilige Setup-Maske. Dabei weiß ich die Buchstaben-Zahlen-Folge nicht einmal auswendig – gemerkt habe ich mir nur die Handbewegung auf dem Keyboard. Vermutlich weil ich in meinem Leben wohl kein anderes Spiel, Programm oder Betriebssystem so oft installiert habe wie Blizzards Action-Rollenspiel.

Ungefähr einmal im Jahr pflegt mein Freundeskreis das immergleiche Ritual: Vier CDs jonglieren, zwischendurch zweimal die magische Tastenfolge abspulen, Patches herunterladen, optionale Grafik-Aufhübsch-Mod installieren, merken dass Mod und Patch nicht miteinander wollen, fluchen, Mod wieder löschen, sich die 800x600-Auflösung schönreden, und los geht’s.

Nach zwei Stunden Installation, Server-Suche und Charakter-Absprache dauert es aber meist nur weitere zwei Stunden, bis die Faszination Diablo 2 auch schon wieder verflogen ist. Kaum im zweiten Akt angekommen, merkt man den Mitspielern an, dass die Luft raus ist. Weiter als zum dritten Kapitel habe ich Diablo 2 seit Jahren nicht gespielt. Warum also tun wir uns den ganzen Aufwand an, wenn wir offensichtlich ohnehin keinen Spaß mehr an Diablo 2 haben?

Düster geht's im ersten Akt von Diablo 2 zu. Düster geht's im ersten Akt von Diablo 2 zu.

Seit ich Diablo 2 zum ersten Mal durchgespielt habe, sind zehn Jahre vergangen. Aus spielebegeisterten Schulkameraden sind in der Zwischenzeit studierende oder berufstätige Erwachsene geworden. Einige von uns sind weggezogen, die tagelangen Keller-LAN-Parties gibt es nicht mehr, und außer mir beschäftigt sich niemand aus der Clique regelmäßig mit Spielen. Wenn wir uns also wieder einmal für eine Runde Diablo 2 zusammenrufen, dann nicht, um ein uraltes Spiel zu spielen. Vielmehr ist es der Versuch, die »gute alte Zeit« wieder aufleben zu lassen. Für uns ist Diablo 2 eine Zeitmaschine, ein nostalgisches Relikt, ein Versprechen.

Wenn meine Freunde sich heute mit mir über Videospiele unterhalten, dann wollen sie nicht über Titan Quest, Torchlight, Hellgate, Dungeon Siege, Mythos, Deathspankoder Borderlandsreden. Da kaum einer von ihnen mehr regelmäßig spielt, gibt es für sie nur eine relevante Frage: »Wann kommt Diablo 3?«. Dass die Konkurrenten ebenfalls tolle Spiele sind, wesentlich besser aussehen und eine ähnliche Sogwirkung entfalten wie Diablo 2, ist meinen Freunden egal. Sie kennen Diablo. Sie liebten Diablo. Sie wollen Diablo.

Bringt Diablo 3 das alte Gefühl zurück? Bringt Diablo 3 das alte Gefühl zurück?

Aber ein anderes Diablo als das, das sie bekommen. Wie so oft zerschellt unsere verklärte Erinnerung auch bei Diablo 2 an der Realität: Kaum einer in meiner Clique hat mehr Zeit, sich ein Wochenende lang ins Spiel zu fuchsen, die Stimmung von damals will nicht mehr aufkommen und irgendwie war das früher auch alles toller.

Deshalb soll’s jetzt Diablo 3richten: Endlich wieder gemeinsam Monster dreschen und dabei tonnenweise Schätze einsammeln. Dass Diablo 3 für den Wegfall der Talentpunkte und den Online-Zwang kritisiert wird, bekommt man als Nicht-Vollblut-Spieler gar nicht mit. Ein Beispiel: Auch Duke Nukem Foreverdominierte trotz verhaltener Kritiken wochenlang die Verkaufscharts – weil sich offenbar genug Spieler zurücksehnen in die »gute alte« Zeit, die man innerlich mit dem Namen Duke Nukem (in dem Fall Duke Nukem 3D) verbindet. Aus demselben Grund wird sich auch Diablo 3 wie geschnitten Brot verkaufen, egal wie das Kritikerurteil letztlich ausfällt.

Ob’s dann wirklich so wird wie früher, muss sich erst noch zeigen. Ein Teil des Rituals fehlt aber schon jetzt: Den CD-Key merkt sich bei Diablo 3 nicht mehr meine Hand, sondern mein Battle.net-Account.

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