Disjunction versteht genau, was Cyberpunk so großartig macht

Science-Fiction-Szenarien sind meist fantastisch, fast schon magisch. Das Cyberpunk-Genre wirkt dagegen oft erschreckend nahbar. Disjunction nutzt diese Stärke des Settings voll aus.

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Stellt euch vor, Google würde entscheiden, wer Deutschland regiert. Stellt euch vor, Amazon beliefert euch mit neuen Augen, Armen, mit verbesserten Füßen oder einer brandneuen Niere. Stellt euch vor, in eurem Kopf werkelt ein kleiner Apple-Chip, der euch selbst in tiefster Dunkelheit sehen lässt. 

Das könnt ihr euch alles recht gut vorstellen, oder? Und das macht das Cyberpunk-Genre so spannend! Es ist keine Science Fiction der nächsten Jahrhunderte, keine Lichtschwert-Fantasie mit Weltraumzauberern, die auf weit entfernten Planeten gegen Aliens kämpfen. Cyberpunk ist manchmal schmerzhaft nah.  

Und genau deshalb ist Disjunction so ein faszinierendes Cyberpunk-Spiel. Weil es genau versteht, was das Genre so spannend macht. Und das, obwohl die eigentliche Story manchmal ziemlicher Mumpitz ist. 

Disjunction - Gameplay aus dem dystopischen Stealth-Rollenspiel Video starten 3:02 Disjunction - Gameplay aus dem dystopischen Stealth-Rollenspiel

Worum geht’s? 

Wir befinden uns im Jahr 2048. Die Bürger New York Citys haben vor wenigen Jahren dank einer Wirtschaftskrise ihre Jobs, ihre Wohnungen, ihr Leben verloren. Da der Central Park vor Obdachlosen überquoll, errichtete die Stadt immer mehr Unterkünfte im einstigen grünen Herzen des Big Apples. Die Lösung des Problems war das jedoch nicht.

Die verzweifelten Bürger verloren sich in Drogenexzessen, Diebstahl und Mord waren an der Tagesordnung und die Mitgliedschaft in einer Gang sorgte als eine der wenigen Möglichkeiten dafür, sich über Wasser zu halten. Die Stadt verlor die Kontrolle, schirmte den ehemaligen Park immer mehr ab und Central City war geboren. Nun wird der Druck auf New Yorks Bürgermeister immer größer, er solle mithilfe einer Privatarmee die Ordnung wiederherstellen.

New York City im Jahr 2048. Wie der Central Park aussieht, wird leider unserer Vorstellungskraft überlassen. New York City im Jahr 2048. Wie der Central Park aussieht, wird leider unserer Vorstellungskraft überlassen.

Disjunction zeichnet mit viel Geschick eine nahe Zukunft voller sozialer und wirtschaftlicher Abgründe, die fast schon frustrierend greifbar wirkt. 

Da verkraften wir fast schon, dass die eigentliche Geschichte an keiner Stelle wirklich heraussticht. Wir spielen den Privatdetektiv Frank, der einen unschuldigen Anführer Central Citys aus dem Gefängnis bringen möchte, den Ex-Boxer Joe, der nach dem Tod seiner Tochter mit Hilfe seines Metallarms und -Kiefers auf Rachefeldzug ist und die Hackerin Spider, die ihre vor dem Zerfall bedrohte Gang in all dem Chaos zusammenhalten möchte. Die verwobene Story dieser drei Charaktere unterhält zwar ein wenig, bleibt jedoch sehr vorhersehbar und unterwältigt eher im Vergleich zu dieser faszinierenden Spielwelt. 

Wie spielt sich das? 

Wer in den letzten 25 Jahren irgendein Schleichspiel auf der Platte hatte, findet sich in Disjunction sofort zurecht. Wir schleichen uns von Pixel-Zimmer zu Pixel-Zimmer, indem wir die mechanischen und menschlichen Wachen entweder lautlos ausschalten, komplett umgehen oder uns wie Rambo mit verschiedenen Schusswaffen durch die Meute metzeln. Letzteres führt ab einem bestimmten Punkt jedoch selten zum Erfolg. 

... oder auch ein Massaker hinterlassen. ... oder auch ein Massaker hinterlassen.
Wir können uns durch die Gebiete schleichen ... Wir können uns durch die Gebiete schleichen ...

Etwas interessanter wird es bei den unterschiedlichen Figuren: Wie genau wir vorgehen, hängt nämlich von der spielbaren Person ab. Während Spider sich beispielsweise für kurze Zeit unsichtbar machen kann, ist Joe mit seinem Metallarm eher für die gröberen Angelegenheiten zuständig. Das bringt die bitter nötige Abwechslung ins Gameplay, da die restlichen Spielmechaniken bei jedem Durchlauf sehr ähnlich sind. 10-15 Stunden dauert es ungefähr, die Story in Disjunction durchzuspielen. 

Was gefällt uns? 

  • Die Spielwelt: Die Wirtschaftskrise, die daraus folgende Armut und das von Verbrechen und Drogen heimgesuchte Central City. Ich kann es vor meinem geistigen Auge schon sehen. Die Hintergrund-Einträge, die in der Spielwelt zu finden sind, lassen mich dazu noch tiefer in die Welt eintauchen. 
  • Das Gameplay: Wer Schleichspiele mag, kann hier sicherlich ein paar Stunden Spaß haben. Die verschiedenen Figuren bringen dazu noch genug Abwechslung, damit Disjunction nicht zu repetitiv wirkt, stechen aber auch nicht wirklich heraus. 
  • Die Musik: Wenn wir dank Joes Metallarm den vierbeinigen Roboter zerlegen und der Bass unser Handeln untermalt, dann kommt noch eine ganze Schippe Cyberpunk-Feeling obendrauf. Die synthetischen Klänge in Disjunction sind wie die Kirsche auf der Sahnetorte. 
  • Die freie Entscheidung: Ob wir ein Schlachtfeld hinterlassen oder unsere Gegner nicht einmal bemerkten, dass wir da waren, hat in manchen Momenten auch Einfluss auf die Story. In Dialogen können wir ebenfalls den Lauf der Geschichte beeinflussen. Das sorgt sogar für verschiedene Enden. Darauf liegt zwar sicher nicht der Fokus, es wertet die Geschichte aber noch etwas auf. 

Unsere Hauptfiguren bleiben bis zum Ende blass, der liebe Joe ist beispielsweise das Klischee einer harten Schale mit weichem Kern. Unsere Hauptfiguren bleiben bis zum Ende blass, der liebe Joe ist beispielsweise das Klischee einer harten Schale mit weichem Kern.

Was gefällt uns nicht? 

  • Die Story: In puncto Story wäre deutlich mehr drin gewesen – gerade angesichts des faszinierenden Szenarios. Die Geschichte ist trotz unterschiedlicher Enden oft zu vorhersehbar und die Figuren bleiben bis zum Ende sehr blass. Auf unsere Liste der 100 besten Storyspiele schafft es Disjunction jedenfalls sicher nicht.
  • Die Grafik: Zu Beginn des Spiels begeistert der Pixellook mit einem wunderschönen Sonnenaufgang über den Dächern von New York City. Die anfängliche Euphorie lässt aber schnell nach, da danach der gesamte Spielablauf zwischen tristen Metallwänden abläuft. Zu gern hätten wir Central City auch mal außerhalb der Gebäude gesehen, zwischen den verbliebenen Bäumen umhergeschlichen und dadurch die Spielwelt mehr erkundet. 

Wenn ihr lieber grafisch wunderschöne Cyberpunk-Welten erkunden wollt, könnt ihr euch bereits auf Nivalis freuen:

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