Echtzeitstrategie-Spiele - Zurück zur Kampagne!

Die Kunst der großartigen Echtzeitstrategie-Kampagne droht verloren zu gehen – eine fatale Entwicklung für das Genre, findet Maurice Weber.

Direkt hintereinander Novas Geheimmissionen für Starcraft 2 und dann Ashes of the Singularity zu spielen, malt ein trauriges Bild vom Zustand der Echtzeitstrategie. Bei Ersterem bekomme ich eine fantastische Starcraft-Kampagne mit Story, coolen Missionen und allem drum und dran - aber nur als DLC, der nach 90 Minuten schon wieder vorbei ist. Bei letzterem ein dickes, neues Vollpreisspiel, dessen Entwickler sich die Kampagne wohl am liebsten komplett gespart hätten, so wenig haben sie sich um einen spannenden Feldzug bemüht.

Und sie sind längst nicht die einzigen. Wer sich die Echtzeitstrategiespiele der letzten Monate und sogar Jahre anschaut, dem fällt nur zu deutlich auf: Die Kunst der guten Kampagne beherrschen nur noch die allerwenigsten Entwickler. Planetary Annihilation schießt Story komplett in den Wind, Etherium serviert nur eine kurze Vorstellung des Szenarios und danach nichts weiter, Act of Aggression scheitert beim Versuch, eine coole Verschwörungsgeschichte zu erzählen. Das Genre wird heute ja gerne totgesagt, aber ich finde: Mit so schwachen Solo-Modi wäre es überhaupt nicht erst zu ruhmreichem Leben erwacht.

Nur ein glorifiziertes Tutorial?

Was wäre Command & Conquer ohne den charismatischen Kane? Was wäre Command & Conquer ohne den charismatischen Kane?

Ich höre schon das erste Gegenargument: RTS-Kampagnen sind doch nur ein verlängertes Tutorial für den Mehrspielermodus! Und der ist im Genre die Hauptsache! Worauf ich antworte: Seit wann? Die Klassiker, die das Genre seinerzeit groß gemacht haben, steckten ab der ersten Stunde enormen Aufwand in ihre Kampagnen.

Wer könnte Command & Conquer und seine herrlich trashigen Realfilm-Zwischensequenzen vergessen? Oder die fiesen Story-Wendungen der Starcraft-Kampagne? Die Mehrfronten-Missionen von Age of Empires? Diese Spiele schafften es, Charaktere wie Kerrigan oder den irren Messias Kane zu Kultfiguren unter Spielern zu machen. Sie schufen sich damit Markenzeichen, die uns genauso im Gedächtnis blieben wie der Zerg- oder Tankrush und dazu beitrugen, dass ihre Serien (oder zumindest ihr guter Ruf) jahrzehntelang überdauerten.

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Worin liegt also der Wert einer Kampagne? Zunächst einmal tatsächlich in dieser abfälligen Behauptung, sie sei doch nur ein Tutorial. Da ist sicher etwas dran - eine Kampagne ist ein toller Weg, den Spieler mit der Mechanik eines Strategietitels vertraut zu machen. Und das auf eine Weise, die auch Lust aufs Weiterspielen macht. Viel mehr, als sich unvorbereitet oder nur nach einem lustlosen »Rechtsklick, um die Einheit zu bewegen«-Tutorial direkt in den Multiplayer zu stürzen und da auf die Nase zu kriegen.

Warcraft 3: The Frozen Throne gehört bis heute zu den besten Beispielen dafür, was man mit wirklich guten Echtzeitstrategie-Kampagnen alles anstellen kann. Warcraft 3: The Frozen Throne gehört bis heute zu den besten Beispielen dafür, was man mit wirklich guten Echtzeitstrategie-Kampagnen alles anstellen kann.

Aber wer schon den Singleplayer abbricht, weil er keinen Spaß mehr macht, der stürzt sich danach bestimmt nicht begeistert in den Mehrspielermodus. Und erst recht nicht, wenn es überhaupt keine Kampagne gibt. Dann erscheint das Spiel vor allem zum Vollpreis viel weniger attraktiv, ein Teil der Zielgruppe geht verloren.

Der Autor
Maurice Weber erkannte schon früh, wie wertvoll tolle Einzelspielerkampagnen in Strategiespielen sein können: Er heimste im Geschichtsunterricht eine Bestnote nach der anderen ein, weil er die behandelten Feldzüge alle schon in Age of Empires 2 nachgespielt hatte. Dass Echtzeitstrategie heutzutage immer mehr für persönlichkeitsarme Science Fiction steht, beobachtet er mit Bedauern.

Aber viel mehr noch: Eine Kampagne verleiht einem Spiel seine Persönlichkeit. Sie macht den Unterschied, ob ich GDI und die Bruderschaft von Nod als zwei Panzerarmeen mit unterschiedlichen Farben begreife oder eben als standhafte Verteidiger des Friedens und die Jünger eines größenwahnsinnigen Heilsbringers. Und das injiziert auch die Mehrspieler-Gefechte mit einer Atmosphäre, die ihnen sonst einfach fehlen würde. Strategiespiele müssen keinen Literatur-Nobelpreis gewinnen. Aber sie brauchen Stimmung und coole Fraktionen, die ich mit Feuereifer zum Sieg führen will!

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Auf spielmechanischer Ebene stellen einfallsreiche Kampagnen-Szenarien den Spieler vor einzigartige strategische Herausforderungen. Ganz simples Beispiel: In Mehrspielerschlachten verlangt die Balance, dass alle Teilnehmer die gleichen Siegchancen haben. Der Einzelspielermodus kann darauf pfeifen, mir auch mal eine furchteinflößende Übermacht entgegenwerfen und mir damit das Feldherrengeschick abverlangen, mich trotzdem zu behaupten. Ganz zu schweigen von noch viel abgedrehteren Einsätzen, in denen sich vielleicht mal die Karte selbst unter den Füßen meiner Truppen verändert. So kann das Spiel seine eigenen strategischen Möglichkeiten vielfältiger ausreizen.

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Warum das heutzutage so viel seltener gemacht wird, hat meiner Ansicht nach zwei Gründe: Zum einen liegt es schlichtweg im Trend, Spiele als langfristigen Multiplayer-Service auszulegen - ungeachtet der Tatsache, dass so viele Titel letztlich daran scheitern, genug Spieler an sich zu binden. Und zum anderen verlangt eine aufwendige Kampagne ein Budget, das kleine Strategiespiel-Entwickler heutzutage oft nicht mehr haben. Aber wenn das Genre wieder groß werden soll, dann muss es auch seine Singleplayer-Fans wieder stärker begeistern.

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