Am Nachmittag des 29. Oktober 2013 geht Command & Conquer den Weg von Arschgeweih und Baggy Pants: Ein weiteres Phänomen der 90er-Jahre scheint endgültig am Ende. Mit einer knappen Pressemeldung beerdigt Electronic Arts den jüngsten Free2Play-Spross der einst ruhmreichen Strategiereihe noch vor dem Betatest und feuert im selben Atemzug das ganze Entwicklerteam.
Es ist der neue Tiefpunkt eines langen Abstiegs, vielen alten Fans gilt C&C als Paradebeispiel für eine Serie, die zuletzt tiefer und tiefer ins Elend rutschte - und der nun womöglich die Totenglocke läutet. Anders als Sackhosen und Steißtattoos trauert C&C jedoch eine bis heute große Anhängerschaft nach, die den Sündenbock für den Niedergang längst ausgemacht hat: Electronic Arts, das die Strategieserie seit 1998 vertreibt.
Fragt sich natürlich, ob der Publisher eine derart beliebte Marke tatsächlich sterben lässt. Doch zu ihrer Zukunft schweigt EA derzeit eisern, auch ehemalige Entwickler möchten sich nicht offen äußern - bis auf einen: Wir sprachen mit Louis Castle, dem Mitbegründer des C&C-Mutterstudios Westwood und späteren EA-Kreativchef, über die Wurzeln der Erfolgsmarke und ihrer Misere, über verzettelte Designer und vertane Chancen. Über die Jahre fehlte der großen Strategieserie nämlich vor allem eines: die richtige Strategie.
Der Niedergang von C&C - Eine Tragödie in drei Akten
Unsere dreiteilige Reportserie zeichnet die Entstehungsgeschichte von Command & Conquer nach, die Geschichte der einzelnen Serienteile von Alarmstufe Rot bis C&C: Generäle - und den Niedergang nach der Einstellung des neuen Command & Conquer anno 2013. Zur Ankündigung des C&C-Remasters haben wir die Artikel neu veröffentlicht.
Teil 1:Der Niedergang von C&C - Der Aufstieg des RTS-Messias
Teil 2:Der Niedergang von C&C - Am Höhepunkt angekommen
Teil 3:Der Niedergang von C&C - Der tiefe Fall
Die wichtigste Serie
Dass EA beim neuen Command & Conquer den Serverstecker zieht, hat Gründe, dazu kommen wir noch. Um die ganze Tragweite dieser Entscheidung zu erfassen, um zu verstehen, warum sie für Veteranen nur das Tüpfelchen auf einem »i« darstellt, das sich unter der Last vergangener Tüpfelchen längst schlimmer krümmt als eine Banane in der Autopresse, um die Bankrotterklärung von C&C also wirklich nachfühlen zu können, muss man erst mal eines verstehen: Command & Conquer ist nicht irgendeine Echtzeit-Strategieserie. Es ist DIE Echtzeit-Strategieserie.
Eine Reise zu ihren Wurzeln führt zugleich zurück zu den Wurzeln des Genres, und die reichen bis ins Jahr 1984. Mit 20 Lenzen verkauft Louis Castle damals Apple-Computer bei Century 23, einem Laden in Las Vegas, in dem sich auch regelmäßig junge Hacker treffen. Einer davon, der 21-jährige Brett Wesley Sperry, hat Castles Traumjob: Er programmiert freiberuflich Spiele, genauer gesagt ein Rollenspiel namens Dragonfire, dessen fertigen Programmcode er an den Publisher Epyx schicken muss.
Doch Internet und E-Mails sind Anfang der Achtziger noch Science-Fiction und Disketten mit fünf Dollar pro Stück zu teuer, also wendet sich Sperry hilfesuchend an Castle, der einen Matrixdrucker besitzt. Damit drucken die beiden den Code aus, und wer Matrixdrucker kennt, weiß, dass man währenddessen schon mal Zeit hat, der Kontinentalverschiebung zuzuschauen. Während der graue Kasten also druckt und druckt, kommt Castle erstmals länger mit Sperry ins Gespräch und zeigt ihm das Spiel Bloodstone, an dem er in seiner Freizeit werkelt - und an dessen Optik er herumexperimentiert.
Als Kunstschüler interessiert sich Castle nämlich weniger für das Programmieren an sich, als für die Gestaltung. Er zeichnet 2D-Grafik, die für damalige Verhältnisse sehr plastisch aussieht. Sperry verneigt sich vor der Kunstfertigkeit des Bekannten, das Gespräch führt zur Freundschaft, die Freundschaft schließlich 1985 zur Gründung eines gemeinsamen Studios: Westwood Associates.
Die Stunde der Runde
In den Folgejahren arbeiten Castle, Sperry und eine stetig steigende Anzahl Mitstreiter an so gut wie allem, was über Monitore flimmern kann. »Wir fingen mit Rollenspielen an, bastelten dann Sportspiele, gingen zu Adventures über, entwickelten Flugsimulationen und sogar Kinderspiele«, erzählt Castle. Es ist das Credo des jungen Studios: Wir machen, was wir wollen. Das soll später ihr Verhängnis werden, doch noch feiern sie damit Erfolge, bis in die frühen Neunziger wächst das Team auf 30 Mitarbeiter.
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