Elden Ring: Warum mich das zweite Gebiet mit der Open World versöhnt hat

Beim ersten Anspielen enttäuschte Elena die Open World von Elden Ring. In Liurnia können die Dark-Souls-Macher aber endlich ihre wahren Stärken ausspielen.

Nach 15 Stunden mit Elden Ring und acht Bossen war ich erschöpft, begeistert ... und enttäuscht. Denn das Open-World-Spiel erbt viele Stärken von Dark Souls, seien es nun die unbarmherzigen Kämpfe oder die atmosphärisch dahinsiechende Welt, aber ausgerechnet beim Leveldesign hat sich ein Parasit eingenistet, der schon seit Jahren Ubisoft und Co. befällt: Banditenlager, Höhlen mit Bossgegnern oder in der Welt verteilte Crafting-Ressourcen trüben meinen Abenteuerlaune im ersten Areal Limgrave.

Wofür brauche ich eine Open World, wenn ich dafür auch dicht konzentrierte, ineinander verschlungene Wege haben könnte? Voller Leitern ins Ungewisse, Abkürzungen, verräterischer Schatztruhen, die mich plötzlich angreifen oder gefallener Helden, die mir mit letzter Kraft ihr marodes Schwert überreichen? Mir fehlte die Seele von Dark Souls, die weit mehr ausmacht, als nur der Schwierigkeitsgrad. Alles war zu berechenbar, zu sehr wie bei der Konkurrenz. Zumindest, bis ich nach Liurnia kam.

Nur sechs Stunden im zweiten Gebiet lassen meine Open-World-Skepsis bei Elden Ring fast verpuffen, obwohl sich viele Elemente aus Limgrave wiederholen. Aber was ich darüber hinaus entdecke, werde ich so schnell nicht vergessen.

Die Autorin: Elena (@Ellie_Libelle) sieht in Dark Souls, Bloodborne und Sekiro viel mehr als nur schwere Spiele. Sie faszinieren vor allem die düsteren, sterbenden Welten, die ihre Geheimnisse und Offenbarungen hinter unzähligen Gängen, Leitern, Treppen, Türen, Schächten und Gegnern verstecken. Bei Elden Ring hatte sie deshalb die Sorge, dass die Open World dem Erkunden diesen Zauber raubt. Während Limgrave diese Angst zu bestätigen schien, bot ihr das zweite Gebiet Liurnia aber wieder viel von der kompromisslosen Level-Eleganz, die sie an From-Software-Spielen so sehr begeistert.

Braucht ihr vorher eine kleine Auffrischung, wie Open World und Gameplay von Elden Ring funktionieren, hilft Kollege Michi aus:

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Das Highlight ist die Welt selbst

Öfter als jeder Boss hat mich im zweiten Gebiet die Spielwelt besiegt - und genau das hat mir gefehlt! Denn trotz seiner Klippen, Kluften, Ruinen und Hügel war Limgrave größtenteils ebenerdig, was mir nur wenig Raum für waghalsige Klettermanöver ließ. In Liurnia of the Lakes führen hingegen schon meine ersten wackeligen Schritte an Felsvorsprüngen hinab, immer nur einen Tastendruck von einem schmerzhaften Sturz entfernt.

Ich jage auf dem Pferderücken durch enge Schluchten und auf schmalen Pfaden ihre Wände entlang, hechte über wackelige Brücken und lasse mich von oben auf halb versunkene Häuserdächer fallen. Das Land ist von einem riesigen modrigen Sumpf durchzogen, in dem immer wieder Giftbestien aus dem Nebel auftauchen oder ein schlummernder Drache, an dem ich angespannt vorbeihusche, bis mich die wandelnde Schildkröteninsel aus dem ersten Gameplay-Trailer in der Ferne innehalten lässt. Über ihr ächzt ein halb zerfallenes Aquädukt, es muss doch einen Weg nach oben geben!

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Den habe ich noch nicht entdeckt, also weiß ich leider nicht, ob das Reptil-Eiland begehbar ist. Dafür stoße ich auf ein wackeliges Gerüst, das mich in eine Mine voller grün leuchtender Edelsteine führt und schlängle mich einen mit Nadelbäumen bewaldeten Berg hinauf, wo Tempelüberreste mit seltsamen Portalen thronen. Die Neugier besiegt die Vorsicht, ich durchschreite es und lande prompt in den acht Armen eines scheußlichen Spinnenbosses im Hof einer zerfallenen Burg, die vorher noch scheinbar unnerreichbar hoch über der Wolkendecke emporragte.

Da ist es wieder, das Gefühl eine verschachtelte, in sich verschlungene Welt zu erkunden, die sich immer um die gleichen Anker windet und dabei eine überraschende Logik offenbart. Trotz Banditenlagern, Mini-Dungeons und Schatztruhen fühlt sich Elden Ring plötzlich wieder wie ein unberührtes Land an, in dem ich als einsame Abenteurerin auf Entdeckungsreise gehe. Genau das habe ich beim ersten Anspielen zwischendurch immer wieder vermisst:

Staunen, Fluchen, Flüchten

Es gibt aber noch viel mehr zu sehen, als beeindruckend verzahnte Landschaften. Als ich mit Bergziegen-Pferd Torrent einmal einen Abhang hinabkraxle, finde ich mich auf einmal zum Beispiel in einem kleinen Dörfchen wieder, das von den liebevoll Potboy getauften Vasenkreaturen mit langen Ärmchen bevölkert ist. Sie greifen mich nicht an, sondern schlafen im Gras oder hüpfen drollig zwischen Blumenbeeten herum.

Diese liebenswerten Gesellen sind eher tollpatschig als gefährlich. Diese liebenswerten Gesellen sind eher tollpatschig als gefährlich.

Ein willkommener Moment der Entspannung, nachdem ich kurz vorher aus Versehen auf ein Schlachtfeld gestolpert bin, wo sich Untote und Geisterkreaturen die Köpfe einschlugen und mich sofort ein riesiger durchscheinend blauer Golem ins Visier nahm. Wenig später treibt aber schon ein skelettierter Fährmann meinen Puls in die Höhe, als ich tiefer in einen überfluteten Wald vordringe und sein Boot zwischen den modrigen Ästen auftaucht. Er ist ein mächtiger Boss, der unverwüstliche Gerippkrieger beschwört und mich schnell in die Flucht schlägt.

Viel mehr große Überraschungen erwarten mich nun direkt in der Welt und nicht weggesperrt hinter Dungeon-Türen. Seien es nun furchteinflößende Endgegner wie der Baumwächter, der mich mit seiner gewaltigen Axt zwischen den Wurzeln eines kleineren Erdbaums abfängt, während ich das goldene Blätterdach bewundere. Oder ein geheimnisvoller Tempel, der mit uralter Geduld ehrwürdig im Eingang einer Tropfsteinhöhle hinter zig Feinden wartet, aber seine Geheimnisse eisern vor mir verbirgt.

Selbst kleine Monster tragen dazu bei, dass sich die Open World nicht länger nach einer Ansammlung lästiger Laufwege anfühlt. Sie springen mich von oben an oder huschen mit giftigen Speeren bewaffnet als ganze Gruppe aus den Büschen, was ich nur überleben kann, wenn ich stets vorsichtig und wachsam bin.

Auch diesen Klingentänzern bin ich begegnet. Sie wollen mich nicht nur aufschneiden - wenn ich ihnen zu nahe komme, schließen sie mich wie eine eiserne Jungfrau im Mittelalter in ihren stacheligen Metallleib ein. Auch diesen Klingentänzern bin ich begegnet. Sie wollen mich nicht nur aufschneiden - wenn ich ihnen zu nahe komme, schließen sie mich wie eine eiserne Jungfrau im Mittelalter in ihren stacheligen Metallleib ein.

Fast schon eine richtige Story

Trotzdem fühlt sich das zweite Gebiet nicht zu vollgestopft oder verworren an. Ich habe immer ein klares Ziel vor Augen, weil eine übergreifende Geschichte alles in Liurnia durchdringt. Was das ist, wird sofort klar, als ich beim ersten Gnaden-Rastpunkt den Kopf hebe. Über einem Wolkenmeer schwebt eine gewaltige weiße Burg wie ein Märchenschloss - die Raya Lucaria, wie mich ein NPC in der Kirchenruine daneben pflichtbewusst aufklärt.

Die Raya Lucaria überblickt das gesamte zweite Gebiet, sodass auch ich sie als Fixpunkt beim Erkunden nutzen kann. Die Raya Lucaria überblickt das gesamte zweite Gebiet, sodass auch ich sie als Fixpunkt beim Erkunden nutzen kann.

Dahinter verbirgt sich wie im guten alten Skyrim eine Magierakademie. Aber Elden Ring wäre kein From-Software-Spiel, wenn ich dort einfach ein paar Kurse belegen könnte. Stattdessen ist das Tor versiegelt, viele Schüler durchgedreht und die verzauberte Ressource, die die Magie hier befeuert, in die falschen Hände geraten. Das erfahre ich wenig später am eigenen Leib, als ein einfacher Gegner plötzlich smaragdgrüne Blitze nach mir schießt.

Die gehen auf genau die Edelsteine zurück, die ich in der weiter oben erwähnten Mine bestaunen konnte und auch sonst ist der Fall der Akademie überall spürbar. Zum Beispiel, wenn ich auf der Suche nach einem Schlüssel für die Schlossbarriere durch die zerstörten Ruinen der einstigen Gelehrtenhäuser streife oder abtrünnigen Zauberern begegne. Plötzlich sehe ich Gegner und Gebäude mit ganz anderen Augen und empfinde zwischendurch sogar Mitgefühl für die gefallenen Bewohner des zerstörten Landes, das zu viel von einer bittersüßen Macht genascht hat.

Das zweite Areal hat damit alles, was eine gute Open World braucht, weil wunderschöne Landschaften mit interessanten Geheimnissen und einem stimmungsvollen Szenario Hand in Hand gehen. Wenn die vier verbleibenden noch unbekannten Gebiete dieses Niveau halten, könnte Dark Souls doch erstaunlich gut mit einer offenen Welt harmonieren.

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