Ein Volk leidet, und uns ist es egal
In der Kampagne übernehmen wir nacheinander alle drei Fraktionen, jede verbringt fünf Missionen im Rampenlicht. Los geht’s mit den Beta, die nach einem vernichtenden Krieg auf dem Planten Ecosystem Nine Zuflucht gefunden haben. Als eine Forschungsexpedition der Menschen dort vorbeischaut, werten sie das als Invasion und die beiden Seiten gehen sich sofort an die Gurgel.
Die eigentliche Bedrohung offenbart sich erst kurz darauf: Das mysteriöse Goo ist drauf und dran, den ganzen Planeten zu verschlingen. Die Geschichte wird in ansehnlichen Rendervideos erzählt, allerdings bleiben die Figuren durchweg blass.
Unser Beta-Kommandant Saruk schwingt die üblichen tapferen Soldatenreden, entwickelt aber nie eine interessante Persönlichkeit. Genauso wenig übrigens wie die Fraktionen selbst. Wer sind die Beta eigentlich, und warum sind sie auf Ecosystem Nine geflohen? Ein Youtube-Trailer verrät uns mehr über ihre Hintergrundgeschichte als das eigentliche Spiel. Letztlich war es uns ziemlich schnurz, wer nun den Planeten an sich reißt und wer dem grauen Schleim zum Fraß vorgeworfen wird.
Petroglyph: Die Überlebenden von Westwood
Westwood begründete seinerzeit mit Dune 2 und Command & Conquer das Echtzeitstrategie-Genre. Und so ein Erfolg lockte natürlich große Publisher an wie das Spice den Junkie. Das Studio wurde 1998 von Electronic Arts geschluckt und 2003 schließlich dichtgemacht. Teile der Belegschaft blieben bei EA und wechselten zu EA Los Angeles, aber ein Teil des Teams sagte sich lieber los und gründete gemeinsam Petroglyph Games. Ihre Echtzeit-Expertise stellten sie eindrucksvoll mit Empire at War und Universe at War unter Beweis, aber keines dieser Spiele schaffte es zum Kassenschlager. Danach probierten sie sich mehrfach an Onlinespielen im Sinne von League of Legends, aber die standen unter keinem guten Stern: Battle for Graxia wurde 2013 eingestellt, und der Kickstarter für Victory sammelte nicht einmal ein Zehntel der benötigten 700.000 Dollar. Mit Grey Goo kehren Petroglyph nun in ihre traditionellen Jagdgründe zurück.
Freiheit ohne Überraschungen
Die Missionen geben sich redliche Mühe, abwechslungsreiche Ziele zu bieten. Mal müssen wir eine Stellung halten, bis Verstärkung eintrifft, mal wollen Flüchtlinge gerettet werden. Ihre eigentliche Stärke ist aber die Handlungsfreiheit: Grey Goo macht uns erfrischend wenig Vorschriften, wie wir unser Ziel zu erreichen haben. Wir können auch ohne die Verstärkung losstürmen und die feindliche Basis einäschern, bevor die Hilfsarmee überhaupt eintrifft. Allerdings erleben wir im Laufe der Missionen auch kaum überraschende Wendungen oder denkwürdige Augenblicke, etwa indem sich plötzlich die Missionsziele wandeln.
Auch an den Umgebungen haben wir uns recht bald sattgesehen, obwohl sie richtig hübsch sind. Sie erinnern uns an Pandora aus Avatar: idyllische Wasserfälle, wuchernde Alien-Vegetation und dazwischen sonderbare Fauna. Nur ist das auch so ziemlich der einzige Umgebungstyp, gelegentlich mal noch durchsetzt mit felsigem Ödland oder Spuren des Goo. Kampagnenexklusive Helden oder Spezialeinheiten suchen wir ebenso vergebens, sodass wir oft sogar das Gefühl haben, ein normales Gefecht zu spielen. Wenn auch ein angenehm kniffliges: Die KI bringt uns regelmäßig mit überlegenen Angriffswellen ins Schwitzen, nutzt Einheitentypen wie Artillerie voll aus und greift mit Vorliebe unsere verwundbarsten Stellen an.
Keine futuristische KI
Umso unbegreiflicher also, dass sich im Gefechtsmodus selbst der schwerste Computergegner lächerlich dilettantisch anstellt. Selbst wenn wir uns ein wenig Zeit lassen und keine übermäßig aggressive Strategie fahren, können wir seine Truppen schon im ersten Gefecht problemlos überwältigen und uns dann an seinen Rohstoffsammlern schadlos halten. Und damit kommt die KI nicht einmal ansatzweise klar. Zerstören wir einen ihrer Extraktoren, versucht sie verzweifelt, ihn sofort an der gleichen Stelle wieder aufzubauen – bevor wir überhaupt Zeit hätten, unsere Panzer woanders hinzubeordern. Auf ein anderes Ressourcenvorkommen auszuweichen, kommt ihr nicht in den Sinn, aber Befreiungstruppen kann sie sich so auch nicht leisten.
Interessanter wird es mit anderen Spielern, denn hier haben wir mehr Raum für clevere Tricks. Zum Beispiel sind im Wald verstecke Truppen unsichtbar, wenn der Feind nicht selbst Männer unter dem Blätterdach hat, so können wir einen fiesen Hinterhalt legen. Insgesamt fällt das Gefechtspaket von Grey Goo aber auffällig dünn aus: gerade mal sieben Karten, höchstens vier Spieler und keinerlei alternative Spielmodi. Ein Map-Editor ist zwar geplant, ändert aber nichts am geringen Release-Umfang. Somit gelingt es dem Spiel trotz eines soliden Kerns nicht, in irgendeiner Disziplin merklich hervorzustechen.
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