Ich hatte nie eine Chance. Alles, was zu meiner Versklavung nötig war, hatte ich schon gesehen. Und wie hätte ich den Kontakt damit denn auch vermeiden sollen? In dem Alter. Mit diesem Hobby. Und mit diesen Freunden! Gerade hatte ich mit einem meiner besten Schulfreunde namens Falk das aufwändig gerenderte Warcraft 3-Intro bestaunt, da wandelte sich unser verblüffter Gesichtsausdruck schnell in debiles Grinsen. »Sammelt die Horde und führt Euer Volk dem Schicksal entgegen!«, hieß es in der Einleitung, dabei hätte es auch genauso gut lauten können: »Sammelt die Clique und führt Eure Schulnoten dem Abgrund entgegen!«
Warcraft 3 als Mod-Remake: Warcraft: Armies of Azeroth startet in die Alpha
Denn als wir nur einen Augenblick später mit Kriegshäuptling Thrall ins verregnete Arathi-Hochland aufbrachen, ahnten wir schon, dass wir die gerade beginnenden Sommerferien über die üblichen sechs Wochen hinaus ausdehnen würden. Warcraft 3 zog mich innerhalb weniger Minuten in seinen Bann. Unmittelbar, konsequent - magisch. Ich hätte die Freizeit anderweitig nutzen und das Mädchen treffen sollen, mit dem ich noch vor einer Woche gemeinsam Kuchenteig geknetet hatte (und auch wirklich nur den). Aber nun war es zu spät. Mein Herz gehörte Blizzard, schon wieder! Dabei hätte ich es doch wissen müssen!
Ziemlich genau zwei Jahre zuvor gelang mir ein beispielloser Coup: Ich überzeugte meine computerspiel-kritische Mutter mit diplomatischem Geschick, Beharrlichkeit und blumigen Versprechungen vom Kauf des fantastischen Diablo 2. Anschließend versumpfte ich mit meinen Freunden voller Glückseligkeit in Sanktuario. Als ich nach einjähriger Paladin-Karriere endlich aus diesem süßen Sumpf entsteigen wollte, ließ uns der Herr der Zerstörung ein neues Matschbad in Form des Addons Lord of Destruction ein. Ich fasste Barbar und Zauberin also kurzerhand an den Händen und sprang wieder zurück. Man muss deshalb festhalten, dass ich von Blizzard durchaus gewarnt war.
Set-Besuch beim Warcraft-Film: Kopfschütteln in Azeroth
Warcraft wird persönlich
Nun also Warcraft. Ich wusste, dass wir schon bald ein zehn Meter langes Netzwerkkabel hinüber zum Haus der Nachbarn spannen würden, um gemeinsam denkwürdige Mehrspielerschlachten zu schlagen. Doch bis dahin wollte ich diese Welt erst einmal ungestört erforschen. Also Spiel gekauft (diesmal ohne Mutti), ab nach Hause (ohne Kumpel) und losgelegt (ohne das blonde Mädchen).
Schon im Prolog der Kampagne fesselt mich Warcraft 3 mit seiner packenden Geschichte. Nach einer unheilvollen Vision verfolge ich mit Thrall einen Propheten in Rabengestalt, rette mit meinen Kriegern den - mit Verlaub - saucoolen Orc-Helden Grom Hellscream vor den garstigen Menschen und breche mit der Horde schließlich nach Kalimdor auf. Ehe ich es mich versehe, bin ich mit Warcraft enger verbunden als mit allen anderen Strategiespielen zuvor.
Denn Warcraft wird persönlich: Anstelle von hundert gesichtslosen Einheiten kontrollierte ich meinen Helden, einen echten Charakter mit individuellen Eigenschaften. Mit ihm sammele ich Erfahrung, als ich die ersten Gnolle im Wald erlege. Mit ihm steige ich im Level auf und erlerne zum Beispiel einen Kettenblitz-Zauber, der gleich vier glitschige Murlocs auf einmal brutzelt. Und mit ihm erbeute ich abseits der Hauptwege nützliche Gegenstände von mächtigen Monstern - genau das liebte ich doch schon an Diablo.
Um meinen Helden herum schare ich ein Dutzend unterschiedlicher Mitstreiter, jeder Einzelne davon ist wichtig für mich. Hier zählte nicht Masse, sondern Klasse. Denn meine relativ kleine Armee ist auf eine clevere Mischung aus einzelnen Spezialisten angewiesen: Die schnellen Räuber reiten auf Wölfen und ziehen feindliche Flugeinheiten mit ihren Netzen zu Boden, die Troll-Kopfgeldjäger werfen Giftspeere aus der Distanz und regenerieren Lebensenergie. Die Schamanen wiederum motivieren meine Truppen mit Zaubern und bannen Flüche.
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Völkerschlacht zu Azeroth
Die individuellen Stärken und Schwächen bei allen vier Fraktionen (Orcs, Menschen, Untote und Nachtelfen) führen zu einem ausgewogenen Schere-Stein-Papier-Prinzip, das auch im Multiplayer nahtlos Bestand hat. Jede Einheit besitzt spezielle Zauber und kann weiterentwickelt werden, was natürlich Ressourcen kostet. Für das nötige Baumaterial fördere ich Gold und hacke Holz in den umliegenden Wäldern. Natürlich stampfe ich damit eine stattliche Basis aus dem Boden - nur so kann ich eine schlagkräftige, gut entwickelte Truppe ins Feld führen.
Obwohl Warcraft nie so komplex wie ein Aufbauspiel wird, fühlt sich auch der Basisbau genau richtig an. Jedes Gebäude zählt, mitunter entscheidet sogar die Baureihenfolge über Sieg und Niederlage. Zum Glück fordert mich nicht jede einzelne Mission als Baumeister. Immer wieder eskortiere ich mit begrenzter Truppenstärke wichtige Figuren durch die Welt oder verteidige verzweifelt eine Stellung, während der Countdown bis zum Sieg quälend langsam heruntertickt - ganz ohne Basisbau. Dazu kommt ein Tageszeit-System, das neutrale Monster bei Nacht friedlich schlummern lässt und Elfen gar Unsichtbarkeit gewährt.
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