Halloween 2023 fiel für mich ins Wasser. Anstatt mich zu Hause vor klingelnden Kindern zu verstecken und Horrorfilme zu schauen, lag ich mit Corona auf der Couch und habe die Klingel ignoriert. In die Matschbirne wollte nicht viel rein und schon gar kein schablonenhafter, Jump-Scare-versiffter B-Movie-Horrorfilm. Ein wenig in Gruselstimmung war ich trotzdem.
Unfähig, etwas anderes zu tun und weil wir alle Streamingdienste bis auf Amazon Video (und Crunchyroll) gekündigt hatten, gab meine ebenfalls kranke Frau in einem Akt geistigen Aufflammens in die dortige Suche einfach »Spuk« ein und stieß auf einen Goldschatz.
Die Geisterakten
Mit deutschen Film- und Fernsehproduktionen könnt ihr mich jagen: Entweder sind es RomComs, Krimis oder irgendjemand mit dem Wort »Schweig« im Namen ist beteiligt. Genrekost muss man bei uns mit der Lupe suchen. Doch für »Die Geisterakten« habe ich eine Ausnahme gemacht.
Das sind die Geisterakten: Ein Team aus Leuten wie ihr und ich (sprich: keine Schauspieler) begibt sich an Lost Places, also verlassene Häuser, Ruinen oder alte Hotels, auf Geisterjagd. Mit allerhand Technik wollen sie beweisen, dass es dort spukt, und filmen sich dabei.
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Erstmals erschienen ist die Serie 2015. Bisher gibt es fünf Staffeln (drei davon für Prime-Mitglieder kostenlos) in 67 Folgen, die in ihrer Laufzeit stark variieren: von 90 bis 180 Minuten ist alles dabei, je nachdem, wie viel an der Location, um die sich die Episode dreht, los ist.
Was mich an der Serie reizt? Sie ist nicht geskriptet, besitzt also kein Drehbuch. Dadurch verschwindet die unsichtbare Wand, die mich glauben lässt, dass das Gezeigte nur ein Film ist. Alles, was man sieht, ist vermeintlich echt (mehr dazu am Ende des Artikels).
Außerdem ist die Serie nur durch den Gründer der Geisterakten produziert. Ja, Daniel Jansen hat eine eigene Werbeagentur und kennt sich mit Schnitt- und Tontechnik aus, aber die Serie ist weit ab einer Hochglanz-Produktion. Es gibt keine Schauspieler oder ein vorbereitetes Set. Hier gehen Menschen mit Kameras an verlassene Orte und filmen los.
Die Technik macht’s
In den meisten Fällen setzen die Geisterakten auf Technik und nicht auf Esoterik. Neben Messgeräten zum Erfassen elektromagnetischer Energie (K2-Meter), kommen unter anderem auch Vollspektrumkameras, die sichtbar machen, was das menschliche Auge nicht sieht, zum Einsatz.
Das Highlight ist das sogenannte »Portal«. Hier werden aus Radiowellen Stimmen mittels einer Software herausgefiltert, die verzogen angeblich Wörter von sich geben. Hinhören und miträtseln macht Spaß und niemand kann mir sagen, dass verzerrte oder rückwärtslaufende Stimmen nicht spooky sind.
Es wird in jeder Folge eingeblendet, wie die Geräte funktionieren. Ob sie wissenschaftlich wasserdicht sind, kann ich nicht sagen, dazu kenne ich mich zu wenig aus. Für manche mag das Portal nur ein frisierter Gitarrenverstärker sein.
Die Geisterakten sind im besten Sinne deutsch
. Das Team zieht aber niemals feste Schlüsse, sondern evaluiert nur die Situationen. So bleibt einem selbst überlassen, ob man nun glaubt, was man sieht, oder eben nicht.
US-Amerikanische Ghosthunter-Serien machen aus einem Fleck auf der Kamera gerne gleich einen Geist. Hier hinterfragen die Akteure ihr Material immer wieder selbst. Da wird aus einer sich bewegenden Tür nicht reißerisch ein Dämon gemacht, man wird als Zuschauer nicht für dumm verkauft.
Es gibt eine deutsche Eigenschaft, die ihr euch beim nächsten Fernseherkauf besser verkneifen solltet:
Wunderbar entschleunigend
Die Folgen besitzen zwar oft einen losen Spannungsaufbau, aber man wird nicht durch eine Story gepeitscht, die als Entschuldigung für gruselige Szenen dient.
Eine Episode ist in der Regel einer Location zugeschrieben und dauert zuweilen auch mal zweieinhalb bis drei Stunden. Die Serie setzt auf keine billigen Schocker, sondern lässt die Atmosphäre wirken und die Ergebnisse durch die verwendete Technik für sich sprechen.
Der Spaß für mich liegt im Miträtseln. Hat sich da was bewegt? Kann man aus verzerrten Radiowellen Wörter heraushören? Für den einen mag es langweilig sein, Menschen dabei zu beobachten, wie sie in Gängen von Bunkern hocken und Fragen wie »Bist du hier gestorben?« ins Dunkel rufen. Für mich war das herrlich entspannend, weil es nicht viel Aufmerksamkeit verlangt.
Wie guter Käse
Je länger man die Serie verfolgt, desto besser wird sie. Es kommen mehr technische Geräte dazu, alte werden verbessert und die Ermittler lernen dazu. Man erkennt und verfolgt einen Prozess, was sich sehr belohnend anfühlt.
Überhaupt sind die Akteure vor allem eins: echt und keine Schauspieler. Da wird auch mal übereinander gelacht oder lustige Musik unterlegt, wenn sich Ermittler Stephan mal wieder mit dem Schlüsselbund zur Location schwertut. Das ist sympathisch und macht die Geisterakten authentisch.
Wenn man nicht an den Spuk glaubt, dann kann man sich zumindest an den Orten ergötzen, an denen die Akteure auf Geisterjagd gehen: ein alter Bunker, verlassene Häuser, uralte Ruinen. Das könnte die Serie auch für Freunde von Lost Places interessant machen.
An eines muss man sich jedoch gewöhnen: Durch die Nachtsichtmodi der Kameras ist die Serie zu 90 Prozent grünstichig.
Fazit: Die Serie steht und fällt mit dem eigenen Glauben
Ja, man kann bei den Geisterakten seltsame Dinge sehen und hören. Schatten, die sich bewegen, Schritte, seltsame Phänomene aus dem Portal und plötzliche Temperaturstürze gehören dazu.
Die Serie ist aber auch auf Unterhaltung getrimmt. Gruselige Musik liegt unter und langweilige Passagen, in denen nichts passiert, werden weggeschnitten. Das kann für den einen oder anderen Zuschauer auf Kosten der Authentizität gehen.
Ich glaube nicht an Geister – und trotzdem haben mich die Geisterakten ein ums andere Mal zweifeln lassen. Geht man in gutem Gewissen davon aus, dass die Serie kein durchgebürsteter Fake ist, hatte ich manchmal auch keine Erklärung für die Phänomene.
Die Geisterakten haben Autor Maxe einen wohligen Schauer eingejagt. Die Mischung aus Entschleunigung, Miträtseln und den spannenden Locations ist einzigartig. Kanntet ihr die Geisterakten bereits vorher? Habt ihr euch ein Faible für Grusel? Welche Filme oder Serien könnt ihr empfehlen? Schreibt es uns gerne in die Kommentare.
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