Kolumne zum Nintendo Digital Event der E3 - Wii Was?

Nintendos uninspirierte E3-Show wirkt auf Michael Graf fast so, als wollten die Japaner das Kapitel Wii U endlich beenden.

Was ist eigentlich mit Nintendo los? Die Firma, die wie keine andere für liebgewonnene Kindheitserinnerungen steht (NES! Gameboy!) betreibt auf der E3 etwas, das man getrost als Show-Verweigerung bezeichnen kann. Im Pressekonferenz-Stream zeigen die Japaner – außer vielleicht Xenoblade Chronicles X und Star Fox Zero, das aussieht wie frisch vom Gamecube – nichts großartig Interessantes. Oder zumindest nichts, mit dem sich Konsolen verkaufen lassen.

Oh, klar, es gibt jetzt Skylanders-Amiibos, was angesichts der Beliebtheit von Skylanders einer Lizenz zum Gelddrucken gleichkommt, volljährige und kinderlose Spieler aber eher peripher tangieren dürfte. Auch bei den 3DS-Spielen wäre mehr drin gewesen. Zelda: Triforce Heroes und Metroid Prime: Federation Force sind eben keine »richtigen« Handheld-Versionen der großen Mutterserien, sondern Multiplayer-Ableger, auf die kaum jemand gewartet haben dürfte.

Das neue Zelda für die Wii U soll in eine große, offene Spielwelt führen. Hat sich Nintendo etwa übernommen? Das neue Zelda für die Wii U soll in eine große, offene Spielwelt führen. Hat sich Nintendo etwa übernommen?

Vor allem sind sie weder das Zelda noch das Metroid, das ich sehen will! Mit einem vollwertigen Metroid für Wii U rechne ich ja schon gar nicht mehr, doch auch das »große« Zelda bleibt verschollen, es scheint, als habe Nintendo seine Flaggschiff-Konsole Wii U zwar nicht vergessen, aber zumindest an den Rand gedrängt. Der E3-Stream zeigt in meinen Augen nichts, was den Kauf einer Wii U rechtfertigen würde. Denn wenn eine Serie den Konsolenabsatz noch mal ankurbeln könnte, dann doch wohl Zelda.

Dennoch: Funkstille. Dabei führten jüngst schon Gerüchte um eine Release-Verschiebung zur Vermutung, dass das neue Zelda zum Starttitel für die nächste Nintendo-Konsole NX umfunktioniert werden könnte. Der Serienvater Shigeru Miyamoto widersprach zwar und gelobte in einem E3-Interview, dass Zelda weiterhin für die Wii U erscheinen werde und man »etwas zu zeigen« habe. Aber eben nicht jetzt. Aha. Gut möglich, dass sich die Entwickler mit dem Versprechen einer großen, offenen Spielwelt übernommen haben und das Spiel noch mal ummodeln müssen.

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Nintendo lebt!

Das soll nun übrigens keine der üblichen »Nintendo ist tot«-Kolumnen werden. Selbst nach den Enttäuschungen der letzten Jahre sitzen die Japaner (laut ihrem Geschäftsbericht) immer noch fest im Sattel und auf einem Barvermögen von umgerechnet fast vier Milliarden Euro. Vier Milliarden. Damit bekommt man mal eben die kompletten Star-Wars-Rechte. Oder ein paar Publisher. Außerdem schrieb Nintendo zuletzt nach vier verlustreichen Jahren erstmals wieder schwarze Zahlen – wenn auch begünstigt vom aktuellen Yen-Wechselkurs.

Noch dazu profitieren die Branchenveteranen von enorm starken Marken wie Pokémon und Mario, die zuverlässig Geld in die Kassen spülen – manche Firma würde dafür ihre Seele verkaufen. Alleine Mario Kart 8 wanderte über fünf Millionen Mal über die Ladentheke, Pokémon X/Y für den Nintendo 3DS sogar fast 14 Millionen Mal. Die Kooperation mit den Universal-Vergnügungsparks dürfte ebenfalls ein paar Groschen abwerfen, genauso wie Nintendos kommende Smartphone-Offensive.

Das Highlight der Nintendo-Show war die erste Minute, in der Reggie Fils-Aimé, Satoru Iwata und Shigeru Miyamoto als Muppets (siehe oben) auftraten und sich in die Star-Fox-Helden verwandelten. Das Highlight der Nintendo-Show war die erste Minute, in der Reggie Fils-Aimé, Satoru Iwata und Shigeru Miyamoto als Muppets (siehe oben) auftraten und sich in die Star-Fox-Helden verwandelten.

Und auch die Amiibos sind ein Erfolg, binnen sechs Monaten hat Nintendo 10,5 Millionen Plastikfigürchen abgesetzt Dank Skylanders dürften die Umsätze nun noch mal anziehen. Also nein, Nintendo abzuschreiben, wäre Unfug. Nur die Wii U entwickelt sich weiterhin schwach, trotz anziehender Verkaufszahlen hat Nintendo binnen zweieinhalb Jahren nur 9,54 Millionen Konsolen abgesetzt. Das ist kein Vergleich zu den über 100 Millionen verkauften Wiis. Selbst der Gamecube war mit über 21 Millionen deutlich stärker, wenn auch erst nach fünf Jahren Lebensdauer.

Es wirkt dennoch fast so, als sei Nintendo inzwischen bereit, die Absatzzahlen als schicksalhaft hinzunehmen: Wenn's läuft, gut, wenn nicht, auch egal. Natürlich wird Zelda – falls es noch für die Wii U erscheint – trotzdem die Verkäufe ankurbeln, da braucht's auch kein Marketingfestival. Aber so richtig große Vorfreude auf die Wii-U-Zukunft mag nach dem schwachen E3-Auftritt eben nicht aufkommen. Selbst Starfox ist ja nicht gerade die beliebteste Nintendo-Marke, Gamecube-Grafik hin oder her.

Verglichen mit den gelungenen Präsentationen von Sony und Microsoft steht Nintendo als graue Messemaus da. Als warteten sie nur darauf, endlich die nächste Konsole ankündigen und die Wii U vergessen zu dürfen. Letzteres haben sie ja fast schon geschafft.

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Der Autor
Seit er wegen Super Mario Bros. und Starfox stundenlang die NES- und N64-Anspielstation des örtlichen Kaufhauses besetzte und mit seinem Cousin darum stritt, wer auf dem Gameboy Choplifter 2 spielen darf, hat Michael Graf ein Herz für Nintendo – und bereut zutiefst, dass er das erste Zelda nie durchgespielt hat, weil es am Ende »irgendwie schwierig wurde«.

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