Life is Feudal: Your Own - Der Traum vom frühen Mittelalter

Das Mittelalter-Rollenspiel Life is Feudal mischt schon in der Early-Access-Version die Steam-Charts auf. Doch Vorsicht: Die Versprechen von Sandbox-Gameplay und Open-World-PvP kann und soll »Your Own« nicht erfüllen.

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Es ist der niedergeschriebene Traum unzähliger Sandbox-MMO-Fans: Über 10.000 Spieler in einer offenen Spielwelt, mehr als 450 Quadratkilometer zum Erkunden und freien Bebauen, Terraforming, Full-Loot, Open-PvP, quasi unbeschränktes Crafting, keine vorgefertigten Klassen und ein auf Physik basierendes Kampfsystem, bei dem die Bewegungen der Maus die Schlagrichtung festlegen. Und es wird auch noch eine Weile genau das bleiben: Niedergeschrieben und unerfüllt.

Die genannte Feature-Liste entstammen nämlich größtenteils dem ambitionierten MMO-Projekt des bisher noch relativ unbekannten Entwicklerteams Bitbox. Das seit dem 19. September 2014 für 29,99 Euro über das Steam-Early-Access-Programm erhältliche Life is Feudal hingegen ist mit dem Zusatz Your Own versehen und stellt so etwas wie die abgespeckte Variante des geplanten Online-Rollenspiels dar - und soll die Finanzierung des eigentlichen und wesentlich aufwändigeren Vorhabens sicherstellen. Im Kaufpreis enthalten ist der spätere Zugang zum Life-is-Feudal-MMO - zumindest für einen Charakter.

Die aktuelle Realität sieht allerdings so aus: Maximal 64 Spieler pro in sich geschlossenem dediziertem Server und eine vorgenerierte nur neun Quadratkilometer große Spielwelt. Trotzdem deutet Life is Feudal: Your Own bereits an, wohin die Reise des großen Spiele-Bruders einmal führen könnte. Bis wir das erkennen, ist es allerdings ein langer und vor allen Dingen arbeitsreicher Weg.

Auf der Suche nach dem Nervenkitzel

Unser feudales Leben beginnt an irgendeiner Küste. Bis auf eine mittelalterliche Unterbuchse haben wir nichts weiter am Körper. Im Inventar, das übrigens nicht durch Slots sondern durch ein Gesamtgewicht begrenzt wird, finden wir immerhin noch eine Handvoll Kekse und eine Tunika.

Das klingt nach wenig und vor allen Dingen wenig Spaß, erinnert uns aber auch an den Spielstart von DayZ und anderen Survival-Spielen. Von diesen früheren Erfahrungen getrieben, begeben wir uns deshalb auf die Suche nach Dingen, die man im Mittelalter gemeinhin so brauchen könnte: Nahrung, Schwert, Rüstung, Pferd und vielleicht einen Knappen. Wir finden: Nichts.

Die Spielwelt ist so jungfräulich wie Jeanne d'Arc. Keine Reste einer untergegangenen Zivilisation, keine Häuser, keine Höhlen - nichts außer Hügeln, Bäumen und ein paar Wildtieren, die sich nicht als sonderlich gefährlich erweisen. Wir besinnen uns also auf die jüngeren, popkulturellen Ursprünge des Online-Survival-Genres: Minecraft. Wir klauben Baumrinden von Bäumen, pflücken Äste, sammeln Pflanzenfasern und finden durch Zufall auch noch einen Feuerstein.

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Wie man das Gefundene nun zu irgendetwas Brauchbarem zusammensetzt, offenbart sich erst nach einiger Klickerei: Ein Rechtsklick auf einen der Äste öffnet ein Crafting-Menü. Hier können wir verschiedene primitive Werkzeuge wie Äxte, Spitzhacken, Sägen und Hämmer herstellen. Die dafür benötigten Materialien werden uns angezeigt.

Und so nimmt die Geschichte laaaangsam ihren Lauf: Wir basteln uns eine Axt, fällen einen Baum, tragen den Stamm durch die Gegend, stückeln eine Säge zusammen, schneiden das Holz zurecht und bekommen es schließlich noch irgendwie hin, ein Lagerfeuer zu errichten - das nach fünf Minuten wieder erlischt, da das Holz schneller verpufft ist als wir triumphierend und brusttrommelnd »Ich habe Feuer gemacht!« in die Dunkelheit hinaus grunzen.

Bis wir das alles herausgefunden, gefunden und gebaut haben, sind aber ohnehin bereits zwei bis drei Spielstunden ins Land gezogen. Und während wir woanders vielleicht gerade unsere erste Pistole aufsammeln, eine primitive Behausung gebaut haben oder im funkelnden Panzerharnisch durch die Spielwelt rennen, sind wir in Life is Feudal: Your Own immer noch der verdreckte Mittellose ohne Obdach, der wir zu Spielbeginn waren.

Wohl kaum ein anderes Online-Spiel macht es seinen Spielern so schwer, einen spürbaren Fortschritt zu erreichen. Umso befriedigender ist das Gefühl, wenn man nach stundenlanger Tüftelei mit den eigenen virtuellen Händen doch irgendetwas Tolles erschaffen hat. Ein Brett zum Beispiel. Oder ein Stück Holzzaun.

Nur gemeinsam sind wir stark

Von den imposanten Bauwerken, die wir auf anderen Servern erspähen, sind wir in etwa soweit entfernt wie die Menschen im Jahre 1587 von der Erkenntnis, dass die Verbrennung vermeintlicher Hexen doch irgendwie moralisch bedenklich sein könnte. Und in uns reift wiederum so langsam die Erkenntnis: Alleine sammeln und bauen wir wohl in drei Wochen noch, bevor auch nur die erste Seitenwand einer primitiven Behausung steht.

Es mag durchaus Spieler geben, die ein solches virtuelles Einsiedler-Leben mögen und Gefallen daran finden, tagelang alleine Ressourcen zu sammeln und den Hammer zu schwingen - schließlich soll es ja auch Spieler geben, die sich Die Sims nur aufgrund des Editors kaufen. Auch die stoßen aber bald an ihre Grenzen. Und zwar an die Obergrenze der Gesamt-Fähigkeitenpunkte. Nur eine bestimmte Anzahl davon lässt sich nämlich durch das Ausführen von Tätigkeiten erlernen. Ist der maximale Wert erreicht, hat der Charakter ausgelernt und sich bestenfalls auf ein bestimmtes Berufsfeld spezialisiert.

Crafting-Skills Die Fähigkeiten in Life is Feudal bauen aufeinander auf. Jeweils ab Stufe 30 kann der nächste Skill in der Reihe verbessert werden, indem eine dazugehörige Tätigkeit ausgeführt wird. Auf den Stufen 60, 90 und 100 kommen jeweils neue herstellbare Dinge oder ausführbare Tätigkeiten hinzu.

Combat-Skills Sowohl die Handwerks- als auch die Kampffähigkeiten haben eine eigene Skillpunkte-Obergrenze. Es bietet sich also an, sich auf eine Reihe zu spezialisieren.

Minor-Skills Klettern, Reiten und einige andere Dinge sind noch einmal in einer eigenen Kategorie zu finden. Noch nicht implementiert: Autorität. Mit dieser Fähigkeit lässt sich Land beanspruchen. So können Spieler später zunächst ein Lehen gründen und sich dann andere Lehen als Vasallen aneignen, wodurch das Gesamtgebilde zu einem Königreich mit neuen Gameplay-Optionen (Diplomatie etc.) wird.

Auf diese Art forciert das Spiel die Zusammenarbeit zwischen den Spielern und schiebt sinnlosem PvP (»Player versus Player«) und KoS (»Kill on Sight«) zumindest theoretisch einen Riegel vor. Die Online-Gaming-Community wäre allerdings nicht die Online-Gaming-Community, wenn sie sich durch derartige Nichtigkeiten von ihren liebgewonnenen Gepflogenheiten abhalten ließe.

Einzelne Spieler haben es deshalb auf den öffentlichen Servern äußerst schwer, das Vertrauen bereits etablierter Gruppen zu finden. Nicht selten wird man kommentarlos mit Schaufel und Spitzhacke vom Hof gejagt, obwohl man eigentlich nur einen Platz zum siedeln sucht oder bei der Errichtung von Siedlungen und Festungen mithelfen möchte.

Übrigens: Auch für die Kampffähigkeiten gibt es eine Skillpunkte-Obergrenze. Die ist allerdings von jener der Handwerksfähigkeiten entkoppelt. Es ist also möglich, gleichzeitig Kämpfer und Handwerker zu sein.

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