Filmkritik zu Oppenheimer: Ein Meisterwerk - aber nicht für jeden

Ihr wollt Oppenheimer im Kino sehen? Dann macht euch auf etwas gefasst. In seiner spoilerfreien Kritik verrät Vali, was mit dem dreistündigen Nolan-Film auch euch zukommt.

Oppenheimer startet am 20. Juli 2023 in den deutschen Kinos. Bildquelle: Universal Pictures Oppenheimer startet am 20. Juli 2023 in den deutschen Kinos. Bildquelle: Universal Pictures

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Nach Oppenheimer war ich sprachlos. Das lag nicht nur an der satten Laufzeit von drei Stunden, der langen Schlange vor der Kinotoilette oder daran, dass ich erst kürzlich einen neuen Fallout 4-Run gestartet habe und mich in jeder freien Minute nach meiner Playstation sehne.

Nein, Oppenheimer hat meine grauen und sträflich vernachlässigten Zellen mal wieder ordentlich zum Rattern gebracht. Mein kaum genutztes Hirn kam mit dem neuesten Film von Christopher Nolan nur bedingt klar. Dabei hätte es nach vorangegangen Werken des Regisseurs von Tenet oder Inception eigentlich damit rechnen sollen.

Aber in Wahrheit war ich vor allem sprachlos, weil ich Oppenheimer erstmal ein bisschen sacken lassen musste. Für wie gut oder wie schlecht ich den Film empfand, stand eine Diskussion mit mir selbst an.

Zu was für einem Entschluss ich gekommen bin, erfahrt ihr in dieser spoilerfreien Filmkritik. Und ja, ich habe versucht, mich kurz zu fassen, war aber dabei ähnlich erfolgreich wie Christopher Nolan mit Oppenheimer …

Vali Aschenbrenner
Vali Aschenbrenner

Wir tun gar nicht erst so, als hätte Vali so etwas wie einen Plan gehabt, was seine berufliche Karriere anbelangt. Nach dem Abi wollte er eigentlich nach Kanada, landete aber dann in der Gamingbranche. “Blöd” gelaufen. Seitdem durfte Vali Jedi-Ritter, Marvel-Helden, amerikanische Götter und Reginald Hargreeves’ Findelkinder interviewen, jetzt tobt er sich im GameStar-Newsroom oder in den Tiefen viel zu großer Excel-Tabellen aus. Nach Feierabend ist Vali vor allem damit beschäftigt, seine nackten Katzen zuzudecken, während seine Comic- und Star Wars: Black Series-Sammlungen beunruhigend große Ausmaße annehmen.

Um was geht es in Oppenheimer?

Mit seinem neuesten Film widmet sich Christopher Nolan dem sogenannten Vater der Atombombe: J. Robert Oppenheimer, der mit seiner Forschung die Zerstörung der Welt riskierte, um genau die zu verhindern. Dafür adaptiert Nolan die Oppenheimer-Biografie von Kai Bird und Marin J. Sherwin und widmet sich ungefähr 45 Jahren aus dem Leben des Wissenschaftlers.

Oppenheimer dreht sich dabei vor allem um das Manhattan-Projekt: Während des Zweiten Weltkriegs kam es zwischen den USA und Hitlers Drittem Reich zu einem Wettlauf darum, wer die erste Atombombe einsatzfähig machen und damit den Kriegsverlauf zu seinen Gunsten wenden sollte.

Dafür begründete der Wissenschaftler deutsch-jüdischer Abstammung unter der Aufsicht von General Leslie Groves J. (Matt Damon) und Lewis Strauss (Robert Downey Jr.) der US-amerikanischen Atom-Energie-Kommission das Los Alamos Labor. Christopher Nolan setzt in seinem Film Oppenheimers (Cillian Murphy) Weg zum und während des Manhattan-Projekts und auch die Nachwehen davon in Szene.

Christopher Nolan inszeniert die Geschichte vom Vater der Atombombe in Oppenheimer Video starten 3:08 Christopher Nolan inszeniert die Geschichte vom Vater der Atombombe in Oppenheimer

Für wen ist Oppenheimer interessant

Geschichtsstunde gefällig? Wer Oppenheimer im Kino sehen möchte, sollte unbedingt ein Fünkchen Interesse für die reale Person mitbringen, um die sich der Film dreht. Denn wenn ihr zum Beispiel darauf hofft, etwas über die eigentliche Forschung an Nuklearwaffen und der Entstehung der ersten Atombombe zu erfahren, könntet ihr enttäuscht werden.

Der Titel lässt es vielleicht ermuten, aber Oppenheimer dreht sich ausschließlich um - nun ja - J. Robert Oppenheimer. Seine Karriere, persönliche Entwicklung und die Nachwehen, die seine Errungenschaften mit sich bringen, stehen klar im Fokus. Andere Figuren sind selten mehr und größtenteils weniger wichtig.

Ein Kinofilm für das Schauspiel: Außerdem solltet ihr eine gewisse Affinität für Schauspiel an sich aufweisen. Über seine Laufzeit von knapp drei Stunden hinweg nehmen die ausnahmslos starken Darstellungen mindestens 98 Prozent des Geschehens ein. Weitere Schauwerte lassen sich an der Hand abzählen.

Eure Aufmerksamkeit ist gefragt: Christopher Nolan verzichtet auf klassische Szenenarbeit, Oppenheimer ist eigentlich nur eine lange Montage - und das über 180 Minuten hinweg. Soll heißen: Trotz drei klar definierter Akte gibt es keine Verschnaufpause und Oppenheimer gleicht einem regelrechten Dialog-Fließband. 

Wer hier mal abdriftet oder den Faden verliert, bekommt den nicht so schnell wieder aufgefädelt. Im Gegensatz zu anderen komplexen Nolan-Werken könnt ihr euch damit nicht einfach an beeindruckenden Action-Sequenzen erfreuen, solltet ihr gedanklich mal abschalten.

Nicht die Bombe, sondern ihr Erbauer - der Fokus von Oppenheimer ist klar und deutlich. Bildquelle: Universal Pictures Nicht die Bombe, sondern ihr Erbauer - der Fokus von Oppenheimer ist klar und deutlich. Bildquelle: Universal Pictures

Also nochmal zusammengefasst: Bei Oppenheimer geht es um die Geschichte, die Charaktere, die Performance der Darsteller - und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Das Dauerfeuer an Dialogen und das ständige Gespringe zwischen verschiedenen Zeitebenen und Handlungssträngen hat zumindest meine Birne aus dem Glühen gar nicht mehr herausgebracht.

Stärken und Schwächen von Oppenheimer

Was uns an Oppenheimer gefallen hat

  • Die Story: Es fühlt sich ein bisschen komisch an, die Geschichte einer realen Person als besonders gut hervorzutun. Eigentlich geht es mir aber viel mehr darum, wie Christopher Nolan das Leben von Robert Oppenheimer aufarbeitet. Nolan greift dafür auf eine anspruchsvolle und gewiefte Erzählstruktur zurück, die den Zuschauer nicht unterschätzen, sondern fordern will und im letzten Akt einfach mal den Teppich unter den Füßen wegzieht. Darauf muss man sich einlassen, Oppenheimer ist diese Erfahrung aber allemal wert.
  • Der Cast: An Oppenheimer hatten Filmfans schon die letzten zwei Jahre lang ihren Spaß. Gefühlt jede Woche wurde ein weiterer AAA-Schauspieler ankündigt, der ebenfalls an dem neuen Nolan-Projekt mitwirken sollte. Irgendwann gab gefühlt das kollektive Internet auf und resigniert zu: Irgendwann spielen wir alle in Oppenheimer mit. Und in diesem Punkt enttäuscht der Kinofilm definitiv nicht. Sämtliche Hochkaräter hier aufzuzählen, würde jeglichen Rahmen sprengen, doch ich würde euch raten: Werft keinen Blick auf IMDB, sondern lasst euch am besten selbst überraschen.
  • Die Performances: Bei dem beeindruckenden Cast von Oppenheimer sind die schauspielerischen Leistungen das unübersehbare Highlight des Films. Allen voran dominiert Cillian Murphy als Hauptdarsteller des Geschehen, doch seine Kolleginnen und Kollegen werden davon zu keiner Minute überschattet. Gerade Robert Downey Jr., Emily Blunt und Jason Clarke zählen zu den größten Scene Stealern von Oppenheimer und wer nur ein bisschen Liebe für ausdruckstarkes Spiel mit sich bringt, kommt im Kino definitiv auf seine Kosten.
  • Der Score: Habt ihr The Mandalorian gesehen, dann kennt ihr Ludwig Göransson und liebt wahrscheinlich so wie ich die einprägsame Titelmelodie der Star Wars-Serie. Natürlich hat der schwedische Komponist viele weitere Filme und Serien musikalisch untermalt, aber bei Oppenheimer ganz klar ein potentielles Magnum Opus abgeliefert. Christopher Nolans Bildgewalt und Göranssons Sound könnten sich kaum besser ergänzen. 

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Was uns an Oppenheimer nicht gefallen hat

  • Die Endlos-Montage: Oppenheimer will viel erzählen und hat keine Zeit zu verlieren - und das trotz der exzessiven Filmdauer. In Verbindung mit der unkonventionelle Erzählstruktur wirkt der Film fast schon umständlich. Ständig wird zwischen unterschiedlichen Zeitebenen, Dialogen und Momentaufnahmen hin- und hergesprungen. Grundsätzlich spannend und von Nolan meisterhaft umgesetzt, strengt das über die drei Stunden allerdings trotzdem an. Das größte Problem: Die emotionalsten und damit wichtigsten Momente bekommen so gut wie keinen Raum zum Atmen. Oppenheimer galoppiert unverzüglich weiter und wer nicht mitkommt, wird abgehängt.
  • Die erste Stunde: In seiner ersten Stunde lässt sich der rote Faden des Films kaum ausmachen, geschweige denn greifen. Oppenheimer wirkt hektisch und unfokussiert und erst rückblickend nimmt das Leinwandgeschehen eine greifbare Gestalt an. Sogar mehr als noch bei Tenet macht Christopher Nolan von Anfang an deutlich, dass dieser Film seinen Bedingungen unterliegt. Und damit muss man erstmal klar kommen.
  • Der maue Überblick: Der große Cast, die vielen Figuren, die unterschiedlichen Handlungsstränge und der Anspruch, der authentischen Biografie J. Robert Oppenheimers gerecht zu werden, bringen eine nicht zu unterschätzende Hürde mit sich: Über die Leinwand spazieren unzählige Personen, die alle irgendwo ihren Beitrag zu der eigentlichen Geschichte leisten. Dabei wird es schon mal unübersichtlich und vor allem schwierig, im Blick zu behalten, was gerade wichtig ist. Mein Namensgedächtnis ist ohnehin miserabel und bei Oppenheimer alles andere als hilfreich.

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