Wir sind Held
Wer sowohl die Gothic- und Risen-Spiele als auch Piranha Bytes-Köpfe wie Mike Hoge oder Björn Pankratz kennt, kann sich bildhaft vorstellen, wie die Jungs im Garten ihres Studios ein Lagerfeuer anwerfen, drüber einen Spießbraten grillen, einige Krüge Bier heben und sich mit Musik beschallen – etwa dem Mittelalter-Rock von In Extremo.
All das konnten die Spieler in den Gothic-Titeln auch selbst tun, was einen Gutteil zur natürlichen und lebendigen Atmosphäre der Abenteuer beitrug. Gleiches gilt für den aus Gothic und Risen bekannten derben Umgangston, für den unter anderem Björn und Jennifer Pankratz, Mike Hoge und Matthias Filler verantwortlich zeichnen.
Wenn der Gothic-Held etwa bei der Rübenernte auf dem Feld ackern soll, quittiert er das mit einem herzhaften: »Willst Du mich verarschen?«. Gut so, schließlich entblöden sich schon die Recken viel zu vieler Rollenspiele, ohne einen Mucks auch die niedrigsten Handlanger-Arbeiten zu erledigen.
Und wenn sich unser Gegenüber wie ein Arschloch benimmt, dann lassen wir ihn das via Dialogoption eben auch wissen. Gerade zum Verkausstart des ersten Gothic anno 2001 traf diese geerdete Natürlichkeit, die stets ein Augenzwinkern in sich trug, den Nerv der deutschen Spielerschaft.
Abseits der üblichen Elfen- & Zwerge-Klischees sind die Piranha-Bytes-Titel nun mal Spiele, in denen der Held »Einer von uns« ist. Eben weil Piranha Bytes seinen Weltretter nach ihrem eigenem Vorbild geschnitzt haben. So geht die Persönlichkeit der Schöpfer direkt und ungefiltert auf das Spiel über. Das klappt bei so einem kleinen Team natürlich leichter als bei 200-Mann-Akkordproduktionen in anonymen China-Studios.
VfL Bochum statt FC Bayern
Mit diesem unverwechselbaren Stil hat es Piranha Bytes 15 Jahre lang geschafft, erfolgreich und unabhängig zu bleiben. Während andere deutsche Rollenspiel-Entwickler wie Spellbound (Arcania), Radon Labs (Drakensang) oder Silver Style (The Fall) Insolvenz anmelden mussten, drehen die Jungs weiterhin ihr Ding. Das liegt auch daran, dass sie ihre Grenzen kennen, sowohl in finanzieller als auch in kreativer Hinsicht.
Für aufwändige Gesichtsanimationen oder stundenlange kinoreife Zwischensequenzen fehlt schlicht das Geld. Bioware (Mass Effect, Dragon Age) oder Bethesda (Fallout 3, Skyrim) etwa jonglieren da ganz andere (Millionen-)Budgets. »So etwas können die besser«, gibt man bei Piranha Bytes auch ohne Zögern zu. Die Entwickler sehen sich halt eher als ehrlichen Ruhrpott-Arbeiterverein à la VfL Bochum und weniger als millionenschweren Krösus wie den FC Bayern.
Dass der gelebte Traum vom eigenen Rollenspiel-Studio (siehe deutsche Konkurrenz) auch schnell zu Ende sein kann, wissen sie dabei nur allzu gut. Die Probleme um das fehlerbehaftete und überambitionierte Gothic 3führten Piranha Bytes bereits an den Rand des Abgrunds. Und auch die technischen Mängel der Xbox-Fassung von Risen (für die ein externes Unternehmen verantwortlich zeichnete) führte die Zerbrechlichkeit des Erfolges am hart umkämpften Spielemarkt vor Augen.
Bei Risen 2: Dark Waterssind die Jungs hingegen von der Qualität und vom Erfolg überzeugt: Ruhrpott-Fantasy im Piraten-Milieu – das gefällt Piranha Bytes. Kein Wunder, sie sind ja selbst so was wie die letzten Freibeuter der deutschen Entwicklerszene.
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