Die drei Schwierigkeitsgrade heißen »M.R. James« oder »Edgar Allan Poe«, der Startbildschirm tunkt ein altmodisches Büro in Sepia: Song of Horror ist ein stilvoller Liebesbrief an die Altmeister des Grusels - im Gewand des behäbigen Survival-Horrors der 90er Jahre.
Wer insbesondere das 1992 erschienene Alone in the Dark gespielt hat, weiß, was ihn erwartet: Lahmende Helden, einbetonierte Kameraperspektiven, schwierige Rätsel und jede Menge viktorianisches Flair. Auf Steam kommt das durch und durch klassische Horror-Adventure mit 90 Prozent positiven Reviews sehr gut an - wir verraten euch, was dahintersteckt.
Disclaimer: Warum kein Test mit Wertung?
Song of Horror wird vom Publisher Raiser Games veröffentlicht, der zu Webedia gehört, dem Mutterkonzern von GameStar und GamePro. Entsprechend informieren wir euch mit diesem Artikel so neutral wie möglich über die Inhalte und Besonderheiten des Titels, verzichten aber bewusst auf einen persönlichen Meinungskasten und eine Wertung.
Die Story: Eine dämonische Melodie
Im September 1998 verschwindet der renommierte Schriftsteller und Geschichtsprofessor Sebastian P. Husher. Der gute Mann ist Star des Wake-Publishing-Verlags und im Hause entsprechend bekannt. Daher wird der Verlagsmitarbeiter Daniel Noyer damit beauftragt, nach Hinweisen zum Verbleib des Historikers zu suchen.
In der verlassenen Villa der Professorenfamilie findet Daniel einen beunruhigenden Brief des Antiquitätenhändlers Isaac Färber. Darin geht es um eine künstlerisch verzierte Spieluhr, deren schaurige Melodie den Hörer in den Wahnsinn treibt. Selbst eine mysteriöse Holztür soll sie erscheinen lassen, wie Husher in seinen Notizen vermerkt. Offenbar hat er das Artefakt ausführlich studiert - und besagte Tür womöglich durchschritten.
Was wie die Geschichte eines 08/15-Dämonenfilms anklingt, entwickelt sich im weiteren Verlauf ausgesprochen packend. Nicht weil die große Innovationsflut doch noch käme, sondern weil sich Song of Horror in atmosphärischer Hinsicht durchaus mit einem James-Wan-Film messen kann. Dazu tragen die bösartig verzerrten Soundeffekte genauso bei wie die markanten Stimmen der Synchronsprecher.
Die Besonderheit: 13 Helden und Permadeath
Was besonders hervorsticht, ist die große Anzahl an spielbaren Charakteren. Im Verlauf der fünf Episoden werden wir ganze 13 Helden steuern - und kennenlernen. Wie? Indem wir Objekte betrachten und untersuchen. Die Hauptfiguren kommentieren Gegenstände nämlich nicht nur unterschiedlich, sie erzählen dabei auch ein wenig aus ihrem Privatleben.
Der Grund für die beachtliche Größe des Charakterpools ist jedoch ein anderer: Permadeath. Als Schlüsselfigur der Geschichte darf Daniel niemals sterben, ansonsten endet das Spiel. Seine 12 Helfer dagegen dürfen jederzeit das Zeitliche segnen.
Das Problem dabei ist, dass Daniels Mitstreiter an bestimmte Episoden gebunden sind. Wir sind also - nacheinander - mit jeweils zwei oder höchstens drei Kollegen unterwegs. Wenn alle Charaktere einer jeweiligen Episode unter der Erde liegen, müssen wir den anderthalb bis zwei Stunden langen Abschnitt von vorne beginnen. Damit das alles Sinn ergibt, ist freies Speichern tabu. Es gibt lediglich drei Spieleslots sowie die Option »Speichern & beenden«.
Eine weitere Besonderheit liegt darin, dass alle Akteure mit Attributen (Stärke, Unauffälligkeit, Gelassenheit und Schnelligkeit) ausgestattet sind. Ein unauffälliger Charakter wird seltener angegriffen, ein gelassener mit weniger prozeduralen Schockeffekten konfrontiert. Das kann z.B. ein knisterndes Kabel sein oder schnell vorbeihuschende Gestalten.
Die Schnelligkeit eines Helden ist für das Spielgeschehen kaum relevant; seine Stärke hingegen bestimmt darüber, wie gut wir uns in den »alternativen Kämpfen« behaupten.
Die Kämpfe: Schlagen? Schießen? Hämmern!
Kämpfe im eigentlichen Sinne gibt es in Song of Horror nicht; sehr wohl aber furchteinflößende Gegner, die mittels Minispielen verjagt werden müssen. Hört sich doof an? Ist es aber nicht.
Und es ist durchaus spannend, wenn etwa ein blinder Geister-Mönch nur darauf wartet, dass wir dreimal leise hüsteln. Dies wird mittels vorgegebener Mausbewegungen unterbunden; gelingt das nicht, sind wir Mönchsfutter. Oder wenn sich plötzlich der Boden auftut, und stark verweste Leichen uns in die Hölle ziehen wollen.
Zwar hämmern wir während dieser Sequenz - auch mit einem starken Charakter - lediglich wie ein Schimpanse auf ein paar Tasten herum. Das tun wir allerdings hochmotiviert, allein aus Gründen des Permadeaths.
Naht der Hauptgegner des Spiels - eine schwarze Masse mit grabbelfreudigen Dämonen im Inneren -, muss sich die Spielfigur unter Tischen oder in Schränken verstecken. Aber: Selbst solche Versteckspiele sind an ein Minispiel gekoppelt, bei dem wir im Takt unseres Herzschlags die Leertaste maltretieren. Doch auch hier gilt: Das ist dramatischer als es klingt.
Die Episoden: Vom Eigenheim bis zur ausgebombten Abtei
Die Episoden bauen inhaltlich aufeinander auf und schicken jeweils ein bis zwei neue Gegner ins Rennen. Nicht immer kommen diese auch mit neuen Minispielen, aber das lässt sich angesichts der immer neuen Settings und Rätsel verkraften. Letztere reichen von Adventure-typischen Kombinationsrätseln bis hin zum Bau eines komplexen Werkzeugs.
Episode Nummer eins spielt in Hushers zweistöckigem Heim, die zweite Episode führt uns in Isaac Färbers riesigen Antiquitätenladen. Im dritten Abschnitt durchwühlen wir zunächst ein Universitätsarchiv, danach ein spukiges Zeitungsarchiv.
Das wohl unheimlichste Setting des ganzen Spiels ist eine im Zweiten Weltkrieg ausgebombte Abtei. Was auch immer den Professor hierhergeführt haben mag: Die Antwort darauf liegt in ihren gefluteten Katakomben sowie dem angeschlossenen Horror-Friedhof. Dass uns die letzte Episode wieder einmal in eine Nervenheilanstalt schickt, geschenkt. Denn die Geschichte bleibt spannend bis zum Schluss.
Das Fazit: Gruseln ganz wie damals
Wer Song of Horror spielen möchte, darf sich nicht vor einer sperrigen Steuerung fürchten. Würden sich die Helden Papp-Panzer überstülpen, wäre der Unterschied zum echten Gefährt marginal. Das ist zwar so gewollt, aber das macht es nicht weniger lästig.
Der einzige Komfort kommt in Form des in letzter Sekunde eingeführten Schwierigkeitsgrads »E.T.A. Hoffmann«, der den Permadeath beiseiteschiebt. Das ist gut für diejenigen, die einfach nur die Story genießen wollen. Im Sinne der Entwickler ist das allerdings nicht - und auch wir empfehlen den standesgemäßen Schwierigkeitsgrad Edgar Allan Poe.
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