Steam - Das sagen deutsche Indies zum neuen Review-System

Wir haben uns in Deutschland umgehört: Wie sehen die hiesigen Indie-Entwickler das neue Review-System von Steam?

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Gestern berichteten wir über das neue Review-System von Steam und welche Auswirkungen es insbesondere auf kleinere Indie-Studios hat. So fiel beispielsweise die Bewertung von Simple Ball: Extended Edition innerhalb der letzten Tage von einer 88 auf eine 14 ab.

Grund: Nur noch Reviews von Spielern, die den jeweiligen Titel auf Steam gekauft haben, fließen in die Bewertung ein. Spieler, die etwa über eine Crowdfunding-Kampagne in den Besitz eines Keys beziehungsweise eines Spiels gekommen sind, werden bei den Reviews nicht mehr berücksichtigt. Grund: Valve will den Missbrauch des Review-Systems eindämmen und Fake-Besprechungen unterbinden.

Wir haben uns bei deutschen Indie-Studios umgehört und um eine Einschätzung des neuen Systems gebeten. Unterm Strich sehen die deutschen Entwickler die aktuelle Lage (noch) überraschend entspannt.

Carsten Fichtelmann, Daedalic (Deponia-Reihe)

»Uns ist das egal. Das spielt nur dann eine Rolle, wenn der betreffende Titel eine Kundenzufriedenheit von knapp unter 70% hat. Falls dann das Fehlen der Kickstarter-Keys genau den Ausschlag gibt, spielt es eine Rolle. Sonst ist es völlig egal. Je größer der Titel ist, umso mehr macht die Änderung keinen Unterschied.

Emotional ist die Änderung für einen Developer von großem Vorteil, denn es gibt tatsächlich Kunden, die einen Steam-Key geschenkt bekommen und sich dann mit einer negativen Review bedanken und so für schlaflose Nächte sorgen. Man stelle sich vor, man arbeitet an einem Spiel über drei bis vier Jahre und hat über 90% positive Kundenreviews und bekommt dann negative Reviews von Leuten, die sich das Spiel noch nicht einmal gekauft haben und es ggf. negativ bewerten, weil ihnen das Genre nicht gefällt. Ja, so etwas gibt es. Das bereitet mir und vielen anderen Entwicklern schlafloses Nächte. Und genau das wird damit ja auch ausgeschaltet.

Dass die Sitten und was sich vermeintliche Kunden im Internet rausnehmen, immer rauer werden, ist ja allgemein bekannt. Im Übrigen gibt es den klaren Trend, dass die Durchschnittsbewertungen eines Spiels höher sind, je weniger Rabatte man gegeben hat. Heißt, wenn man mit niedrigen Preisen auch neue Käuferschichten anspricht, besteht die Gefahr, tendenziell schlechter bewertet zu werden. Man könnte auch sagen: Wer bereit ist, den Vollpreis zu bezahlen, weiß auch, was er kauft. Wer aber Edna Bricht Aus neun Jahre nach Release auf Steam kauft, weil es gerade mal nur ein Euro kostet, der könnte dann hingehen und sagen, das Spiel hat eine scheiß Grafik und ist ja kein Shooter. Und diese Art von Kunden sind das eigentliche Problem im Netz. Respekt davor, wie Spiele entstehen und wie schwierig und komplex es oftmals ist, Spiele zu entwickeln werden mit den Füßen getreten.«

Jan Theysen, King Art Games (Die Zwerge)

»Wir waren erst einmal erschrocken, als wir davon gelesen haben. Wir haben bereits drei Kickstarter gemacht (von denen zwei veröffentlicht sind) und hatten befürchtet, dass ein Großteil der Reviews für The Book of Unwritten Tales 2 und Battle Worlds: Kronos nun ungültig sein würden. Für diese beiden Spiele haben sich die Befürchtungen nicht bestätigt. Nur rund zehn Prozent der Reviews wurden nicht als Steam Purchases gewertet und die verbliebenen 90 Prozent haben nichts an den guten Zahlen geändert.

Aber: Wir gehen stark davon aus, dass es damit zu tun hat, dass beide Spiele schon vor einiger Zeit veröffentlicht wurden und deswegen vielleicht nicht richtig getrackt wurde, wer das Spiel per Kickstarter Key erhalten hat. Anfang Dezember veröffentlichen wir Die Zwerge und da werden wir aus erster Hand erfahren, wie es bei aktuellen Veröffentlichungen aussieht.

Prinzipiell ist es natürlich zu begrüßen, dass gegen Schummler vorgegangen wird. Aber es muss bessere Wege geben. Unsere Kickstarter-Backer sind häufig besonders erfahren in einem Genre und enthusiastische Fans einer bestimmten Art von Spielen. Deswegen unterstützen sie uns ja bei Kickstarter. Wenn also z.B. viele der größten Point&Click-Adventurefans davon ausgeschlossen werden, The Book of Unwritten Tales 2 zu bewerten, nur, weil sie das Spiel bei Kickstarter unterstützt haben, dann trifft es genau die Falschen. Also: Idee gut, Umsetzung mangelhaft.

Leonard Kausch, Point Blank Games (Shock Tactics)

»Ich kann nachvollziehen, was Valve versucht, zu erreichen. Aber besonders bei Kickstarter-Projekten die gesamte Backer-Community auszuschließen, bedeutet alle Leute, die sich wirklich für ein Spiel begeistern, auszuschließen. Ich denke, wie groß der Nutzen tatsächlich ist, ist schwer zu bemessen, aber der Schaden für Kickstarter-Projekte ist offensichtlich dramatisch.

Kirk Lenke, Nukklear

»Ich denke, dass das Prozedere an sich vollkommen in Ordnung ist. Viele Indies leben nun einmal von den Möglichkeiten eines Steams, und selbst wenn sie ihre Titel dort, wenn anderswo erworben, in ihre Bibliothek einfügen, so sollte dies nicht unbedingt eine Bewertung ermöglichen. Ist eben ein Service von Steam. Das ist in etwa so, als ob ich mich über etwaige Änderungen bei den Facebook-AGBs ärgere und dann eine Linsensuppe poste. Ich nutze es und muss damit leben. Selbst wenn ich nun meine Titel bei GOG und/oder HumbleBundle anbiete, kann ich nicht denselben Services bei Steam erwarten, wenn ich nicht bei Steam kaufe, oder?

Michael Schade, Rockfish Games (Everspace)

»Grundsätzlich begrüßen wir, dass Valve etwas gegen Fake Reviews unternimmt. Dennoch tut uns die neue Policy weh. Wir haben 15.000 Backers, die zu 99 Prozent von Everspace begeistert sind. Viele haben zig Stunden auf der Uhr und können das Spiel auch entsprechend qualifiziert bewerten, was jetzt jedoch nicht mehr in die Gesamtbewertung einfließt. Am Ende des Tages ist es aber viel wichtiger, ein wirklich gutes Spiel zu machen und dann klappt's auch mit den Reviews!«

Eleon Game Studios (Empyrion - Galactic Survival)

»Wir sind davon selbst aktuell nicht betroffen, können aber die Herausforderungen nachvollziehen, die durch diese Änderung entstehen. Darüber hinaus gibt es insgesamt im Steam-Bewertungssystem sicher noch viele Verbesserungsmöglichkeiten, die sowohl Spielern als auch Entwicklern sehr am Herzen liegen.«

Philipp Döschl, FDG Entertainment (Oceanhorn)

»Das Problem ist, dass der Ehrliche auch hier mal wieder der Dumme ist. Viele Entwickler zählen auf die Unterstützung ihrer Fans. Vor allem derjenigen, die mit teils hohen Summen ein Spiel auf Kickstarter unterstützen. Diese werden nun nicht mehr gehört. Ebenfalls wie die Kunden, die ein Spiel mit Steamaktivierung im Laden gekauft haben. Einfach jeder der einen Steam Key einlöst, wird nun seiner Stimme beraubt.

Die Wertungen auf Steam sind eines der wichtigsten Argumente für den Kauf eines Spiels, allen voran den Spontankäufen bei Sales.Valves Entscheidung, das System zu ändern, hat somit einen direkten Einfluss auf die Umsätze der Entwickler. Das Traurige daran ist, dass es zum Großteil die Falschen trifft. Interessant wird, ob sich hierdurch die Verkäufe im Schnitt tatsächlich verschlechtern.

Wegen einer Handvoll schwarzer Schafe werden alle Entwickler, Publisher und Zocker in einen Topf geworfen und bestraft. Es wäre besser gewesen, wenn Valve hier gezielter vorgegangen wäre. Die Möglichkeit hierzu hätten sie mit Sicherheit.

Ich glaube noch nicht mal, dass Valve hiermit eine böse Absicht verfolgt oder seinen Partnern schaden will (damit schneiden sie sich ja ins eigene Fleisch). Wahrscheinlich waren sie sich nicht bewusst, welche Reaktionen diese Änderung mit sich bringen würde. Ob Valve demnächst etwas zurückrudert und die neue Haltung überdenkt?

Klartext zu User Reviews auf Steam - Valve und die Wertungen Video starten 2:01 Klartext zu User Reviews auf Steam - Valve und die Wertungen

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