Einer der größten Steam-Kuratoren »Sweet Baby Inc detected« schürt aktuell riesige Hass-Kampagne im Netz

Wir erklären, warum eine Beratungsfirma für Spiele wie Alan Wake 2, God of War Ragnarök und Suicide Squad massiv bedroht wird.

AC Valhalla steht auf einer Liste mit Spielen, an denen die Beraterfirma Sweet Baby Inc gearbeitet haben soll. AC Valhalla steht auf einer Liste mit Spielen, an denen die Beraterfirma Sweet Baby Inc gearbeitet haben soll.

Das Beratungsunternehmen Sweet Baby Inc ist aktuell das Ziel einer weitreichenden Hass-Kampagne, die an die GamerGate-Bewegung erinnert. Befeuert wird die Lage von einem Steam-Kurator, der Spiele auflistet und schlecht bewertet, an denen die Firma gearbeitet hat.

Wer ist Sweet Baby Inc überhaupt? Und warum zieht es gerade so massiv den Hass rechtsgerichteter Gruppierungen auf sich?

Update vom 14. März 2024: Inzwischen haben wir unseren angekündigten Report zur Thematik fertiggestellt. Das Ergebnis unserer Recherchen und Experten-Interviews lest ihr bei GameStar Plus:

Was für ein Unternehmen ist Sweet Baby Inc?

Sweet Baby Inc wurde 2018 gegründet und berät Entwicklerstudios beim Verfassen ihrer Story. Das Unternehmen setzt laut eigenen Aussagen seinen Fokus dabei auf Diversität, Inklusivität und kulturelle Sensibilität. Daneben unterstützt es auch bei Copywriting, Cinematics und mehr.

Zu den Spielen, an denen Sweet Baby Inc beteiligt war oder ist, zählen der offiziellen Website zufolge etwa Alan Wake 2, God of War Ragnarök, Spider-Man 2, Suicide Squad, Sable und The Crew: Motorfest. 

Bei Alan Wake 2 half Sweet Baby Inc unter anderem bei der Charakterentwicklung und beim Sensitivity Reading. Bei Alan Wake 2 half Sweet Baby Inc unter anderem bei der Charakterentwicklung und beim Sensitivity Reading.

Woher kommt der Hass?

Disclaimer: Wir wollen nicht zur Verbreitung von Bedrohungen beitragen und verzichten daher hier auf eine Verlinkung.

Bei Reddit und Co. haben sich Gruppen gebildet, die lautstark gegen »Wokeness« in Spielen (aber auch Filmen, Büchern und so weiter) angehen. Für diesen Begriff gibt es keine allgemeingültige Definition, meistens wird im Entertainment-Bereich darunter jede Art von bewusster Inklusivität und die Integration von nicht-männlichen, nicht-weißen Charakteren verstanden. 

Diese Gruppen bedienen sich meistens rechten bis rechtsextremen Narrativen und schrecken nicht vor Drohungen gegen bestimmte Personen oder Studios zurück.

Auf Anfrage von GameStar ordnet die Amadeu Antonio Stiftung, die sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus und für eine demokratische Zivilgesellschaft einsetzt, diese Gruppen und das Phänomen wie folgt ein:

Angriffe auf „woke“ Games oder Gamesentwickler*innen sind nichts Neues und finden sich zuhauf auf Steam und machen auch vor Kuratorlisten nicht halt.
Die Vorwürfe an Sweetbaby inc. passen genau in die metapolitische Strategie, die wir aus toxischen oder extrem rechten Kontexten kennen. Es wird versucht, ganze Gruppen auszugrenzen und Hass zu schüren. Die Absicht ist hier, eine Idee bei den Leuten verfangen zu lassen: Die Berücksichtigung von Diversität würde Games schlechter machen. Auch andere Firmen, die ähnliche Services anbieten geraten deswegen mit ins Visier und Ihnen wird schon jetzt die Schuld an einem Crash der Gaming Industrie herbeigeschrieben.

Der Jubel von extrem rechten Gruppen und Überbleibseln der Gamergatebewegung auf die aktuelle Kontroverse bestätigt genau diesen Eindruck einer metapolitischen Kampagne.

Besonders in ihrem Fokus steht gerade Sweet Baby Incs CEO Kim Belair, die sich seit Jahren für mehr Diversität in Spielen ausspricht. In einem Interview auf dem Blog Complications Ensue sagte sie 2020 beispielsweise:

Wir kommen bald auf ungefähr 40 Jahre Videospiele. Und ich glaube, die Leute fangen an, sich zu fragen: Warum machen wir immer ähnliche Produkte? Warum kommen viele unserer Geschichten bei den jüngeren Zuschauern nicht an? Warum wächst unser Publikum nicht? Ich sage gerne, dass Repräsentation Innovation bedeutet. (...)

Wenn man jemanden aus einer anderen Kultur, mit einem anderen Hintergrund und einem anderen Geschlecht einbringt, wird man etwas schaffen, das wir noch nie gesehen haben.

Sie glaube außerdem, dass Spieler nicht automatisch abschalten, nur weil sie als Frau oder Angehöriger einer nicht-weißen Ethnie spielen sollen. Als Beispiel nennt sie die erfolgreiche Horizon-Reihe von Sony. Auch ein Assassin’s Creed mit weiblichem Hauptcharakter würden die meisten Leute nicht verschmähen, sagt sie im selben Interview.

In manchen Kreisen werden solche Aussagen von Belair oder anderen Angestellten von Sweet Baby Inc als »männerfeindlich«, »heterofeindlich« und/oder »rassistisch gegen Weiße« interpretiert. 

Welche Rolle spielt der Steam Kurator?

Der Account »Sweet Baby Inc detected« wurde Ende Januar 2024 vom Steam-User Kabrutus eröffnet und ist seitdem zum sechstgrößten Steam-Kurator weltweit angewachsen. Er sammelt Spiele, an denen Sweet Baby Inc angeblich beteiligt war, und bewertet sie negativ – unabhängig von ihrer Qualität und ohne Begründung, sondern einfach nur, weil die Beratungsfirma an ihnen gearbeitet haben soll.

Teilweise landeten auch Spiele auf dieser Liste, bei denen das Unternehmen nicht beteiligt war. Der Kurator gestand diesen Fehler selbst ein und entfernte beispielsweise Mortal Kombat 1 wieder aus der Liste.

Als Chris Kindred von Sweet Baby Inc auf den Account und seine Aktivitäten aufmerksam machte und zum Reporten aufrief, trat das eine neue Hasswelle los. Inzwischen ist Kindreds Account bei X privat, mutmaßlich, um weiterem Hass aus dem Weg zu gehen.

Wie behandeln wir das Thema weiter? Wir haben bereits bei Valve nachgefragt, ob der Kurator dort bekannt ist und ob er gegen Steam-Richtlinien verstößt. Wir ergänzen, falls wir eine Antwort bekommen. Außerdem arbeiten wir gerade schon an einem ausführlichen Report zum Thema, den wir euch möglichst bald zur Verfügung stellen.