Der Münchner Günter Werner hat seit 60 Jahren kein einziges Oktoberfest verpasst. Und nicht nur das: Er hat keinen einzigen Wiesn-Tag verpasst. Wer das mal hochrechnet, kommt auf zweieinhalb Lebensjahre, die dieser rüstige Mann mit einem Durchschnittspensum von acht Maß im Bierzelt verbracht hat. Ich hingegen war in meinem ganzen Leben bloß läppische dreimal dort, weil Freunde mich breitgeschlagen haben - und fange mir natürlich sofort die übelste Erkältung ein. Schnief.
Also habe ich meinen heiß ersehnten Jahresurlaub 2022 größtenteils im Krankenbett verbracht. Und Krankenbett heißt natürlich Zocken, bis die Augen genauso wund sind wie die Nebenhöhlen. Dead Cells, Battlefield 2042, Halo 5 ...
... und Terminator: Resistance.
Um den Terminator-Shooter gab's zum Release 2019 hitzige Diskussionen zwischen Presse und Fans. Viele Kritiker bemängeln maue Technik, maue KI, maue FOV-Optionen, maues Gunplay - ein klassisches 60er- bis 70er-Lizenzspiel eben. Gleichzeitig staubt das Ding auf Steam 92 Prozent positive Nutzerreviews ab, denn für viele Terminator-Fans trifft Resistance zielgenauer ins Schwarze als Arnies Schrotladung den T-1.000. Wer hat nun Recht? Gut, beide Seiten irgendwie; Obi-Wan würde euch jetzt was von Blickwinkeln erzählen und ich empfehle euch das Testvideo von Hardcore-Terminator Fritz-3000, falls ihr euch für die Debatte interessiert. Denn mir soll's heute um was ganz anderes gehen.
Moment, worum geht's hier eigentlich?
Terminator: Resistance ist schneller zusammengefasst als eine Liste guter Terminator-Filme: In einer düsteren, von Skynet kontrollierten Zukunft kämpfe ich als rüstiger Resistance-Soldat gegen Horden von Terminatoren. Seht ihr? Das ging wirklich schnell. Die knapp achtstündige Singleplayer-Kampagne von Terminator: Resistance besteht aus zwei Missionstypen:
- Lineare Schießbuden: Klassische Call-of-Duty-Ballerschläuche, in denen links und rechts alles explodiert, während ich mit meinen Gefährten von Schießerei zu Schießerei sprinte. Standard-Genrekost, nicht weiter der Rede wert.
- Offene Schießbuden: Hier wird's interessant. Resistance bietet diverse offene, weitläufige Areale, in denen ich völlig frei entscheide, wann ich welches Missionsziel wie angehe.
Wenig überraschend liegt beim zweiten Missionstyp der Wolfie begraben. Denn Terminator: Resistance gibt mir dieses wunderbar warme, wohlige Gefühl, dass ich dem Spiel völlig egal bin. Und das fühlt sich an wie zu guten, alten Deus-Ex-Zeiten.
Zum Beispiel muss ich in einer Passage irgendwie durch eine alte Villa voller Terminatoren gelangen. Und das Irgendwie
gehört hier eigentlich großgeschrieben, denn das Spiel kaut mir keine Lösung vor. Auf hohen Schwierigkeitsgraden ist der T-800 verdammt tödlich. Aber natürlich kann ich trotzdem das Plasmagewehr anlegen, Rohrbomben schleudern und die Roboskelette irgendwie zu Schrott verarbeiten - das kostet mich Unmengen Ressourcen und sicher einige Versuche, aber mei, nichts ist unmöglich, Toyota.
Alternativ schleiche ich durch die engen Flure, verstecke mich in Lüftungsschächten (hach, Lüftungsschächte!) und erreiche so ungesehen, aber auch ohne Beute aus der Villa den Ausgang.
Was ich stattdessen gemacht habe: Ich betrete die Villa durch den Keller und manövriere mich durch ein dichtes Netz an Laserminen wie Vincent Cassel in Ocean's Twelve, ohne irgendeine davon zu deaktivieren. Danach laufe ich durch die Villa wie ein kreischender Weihnachtsbaum, locke jeden Terminator in Reichweite hinter mir her, hinab in den Keller und mitten durch die Laserminen. Alle Robos tot. Kaboom.
Wieso ist das so toll?
An anderer Stelle soll ich einen gigantischen HK-Tank fotografieren, der nachts durch die Landschaft rollt und mich mit zwei Schüssen wie einen Ballon platzen lässt. Das Spiel macht mir klar: Du sollst diesen Gegner zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bezwingen, denn meine Waffen kratzen dem gigantischen Panzer nicht mal den Lack vom Chrom. Aber naja ... ich habe fleißig Skillpunkte im Hacking verteilt und ein paar Meter weiter gibt's eine Waffenanlage voller Geschütztürme, die ich ja heimlich auf meine Seite ziehen könnte ... und wenn ich dann den Panzer zu den Geschützen locke, was würde wohl passieren?
Ich sage euch, was passiert: Die Geschütztürme pusten den Panzer weg! Und sie holen sogar noch einen feindlichen Helikopter vom Himmel, ich steige ins Trümmerfeld und sacke fleißig Beute ein. Und zack, es ploppt auch ein Achievement auf, dass ich diesen Panzer wider aller Erwartungen zerstört habe. Denn diese Sandbox-Freiheit von Terminator: Resistance ist ganz bewusst komponiert.
Die alten Häschen unter euch erinnern sich vielleicht an die U-Bahn-Station aus dem ersten Deus Ex. Im Battery-Park-Subway hielten Terroristen Geiseln fest und ich musste irgendwie schauen, wie ich die Situation löse - und es war immer ein wildes Rumexperimentieren aus Laserfallen, Hacking, Stealth oder roher Gewalt. Halt Deus Ex in seinen besten Momenten. Terminator: Resistance will sich ganz bewusst so anfühlen, als würde ich das Spiel austricksen, biegen, manipulieren. Und ich hatte vergessen, wie großartig sich das spielt.
Moderne Shooter lassen mich so selten wirklich experimentieren. Entweder sind sie runtergedummt wie Far Cry 6, sodass jedes Experiment quasi überflüssig ist, oder sie fallen so linear wie Call of Duty und Co. aus. Terminator: Resistance gibt hingegen mir ein ganz bestimmtes Set an Werkzeugen, mit denen ich herrlich viel Quatsch anstellen kann. Und muss.
Terminator: Resistance ist kein Meisterwerk, denn es kann sich definitiv nicht mit den Skills, Waffen und Möglichkeiten eines Deus Ex 1 messen. Aber es stößt trotzdem in eine Richtung vor, die ich an modernen Shootern vermisse. Ich werde in ein Areal geworfen, in dem mir viele Feinde überlegen sind. Ich muss tüfteln, grübeln, ausprobieren und ja, das frustriert bisweilen auch mal. Aber wenn meine bekloppte Lösung dann funktioniert, dann fühlt sich das wirklich nach meinem eigenen Weg an. Und alternativ kann ich ja immer den Schwierigkeitsgrad runterschrauben.
Also: Falls ihr das Spiel mal im Sale seht, gebt ihm ruhig eine Chance.
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