Seite 6: The Witcher 3: Wild Hunt im Test - Auch auf dem PC ein Meisterwerk

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Dürre Charakterentwicklung

Wo wir gerade bei den Stufen sind, ein Wort zur Charakterentwicklung von The Witcher 3. Die ist nämlich unbefriedigend. Pro Stufenaufstieg (und beim erstmaligen Meditieren an einem »Ort der Macht«) bekommen wir einen Fähigkeitspunkt, mit dem wir im Charaktermenü irgendwas steigern können. Dieses »Irgendwas« ist aber meist nur ein mickriger Prozentwert (etwa ein Prozent auf die kritische Trefferchance), wirklich neue Fertigkeiten lernen wir erst später - und auch nur dann, wenn wir uns spezialisieren auf Nahkampf, Magie oder Alchemie (dazu gleich mehr). Außerdem schalten wir allgemeine Boni frei, etwa eine schnellere Lebensenergie-Regeneration tagsüber.

Am sinnvollsten erscheint uns der Magie-Fähigkeitszweig, weil wir damit wenigstens alternative »Feuermodi« für Geralts Zauber freischalten. Die Igni-Feuerwelle wird dann zum Flammenstrahl, der Quen-Schutzschild kurzfristig zur undurchdringlichen Schutzblase. Nützliche Sache, aber dennoch dünn, da haben wir schon facettenreichere Charaktersysteme gesehen. Im Grunde spielt sich The Witcher 3 so vom Prolog bis zum Endkampf weitgehend gleich, abgesehen von den alternativen Hexereien lernen wir kaum neue Kampftricks.

Im Charaktermenü schalten wir meist nur mickrige Prozentboni frei. Um sie zu aktivieren, weisen wir sie den Slots in der Mitte zu. Jeweils dreien davon können wir zudem ein Mutagen zuordnen. Im Charaktermenü schalten wir meist nur mickrige Prozentboni frei. Um sie zu aktivieren, weisen wir sie den Slots in der Mitte zu. Jeweils dreien davon können wir zudem ein Mutagen zuordnen.

Noch dazu müssen wir neue Talente erst mal einem von höchstens zwölf Slots zuweisen, um sie zu aktivieren. Im Klartext: Geralt darf insgesamt nur zwölf Fähigkeiten einsetzen, und selbst das erst mit Level 30. Zum Spielbeginn sind wir auf zwei Fähigkeiten beschränkt. Die aktiven Talente könnten wir außerhalb von Kämpfen zwar theoretisch wechseln, um sie an die aktuelle Herausforderung anzupassen, was im Test aber nie nötig war.

Manche Fertigkeiten sind noch dazu überflüssig. Wenn wir etwa unseren Axii-Gedankenkontrollzauber verbessern, dürfen wir Feinde nicht nur im Kampf zum kurzfristigen Seitenwechsel zwingen, sondern manchmal auch schon vor dem Waffengang zur Aufgabe überreden. Doch diese Option bietet uns The Witcher 3 nur selten an, und selbst wenn wir sie einsetzen, wird manchmal trotzdem gekämpft.

Eine nette Ergänzung gibt's immerhin: Je drei aktivierten Fähigkeiten dürfen wir im Charaktermenü ein Mutagen zuordnen. Mutagene sind spezielle Items, die wir von Monstern erbeuten und die umso höhere Werteboni bringen, je mehr gleichfarbigen Talenten wir sie zuordnen. Wenn wir ein blaues Mutagen einer ebenfalls blauen Magiefähigkeit zuweisen, erhöht es unsere generelle Zauberkraft um 20 Prozent. Wenn wir es drei Magiefähigkeiten zuweisen, steigt der Bonus sogar auf 40 Prozent. Klingt kompliziert, ist aber schnell durchschaut und dann auch schnell optimiert. Sobald wir unsere ideale Mutagen-Talent-Kombo gefunden haben, müssen wir sie nicht mehr ändern.

The Witcher 3 - Render-Trailer: A Night to remember Video starten 4:25 The Witcher 3 - Render-Trailer: A Night to remember

Hexer-Handwerk

Etwas ausgepolstert wird das magere Charaktersystem durch die reichhaltige Ausrüstungsbeute. Alle naselang finden wir bessere Stahl- und Silberschwerter, Armbrüste, Rüstungen, Handschuhe, Hosen und Stiefel; Schatzsuche-Nebenquests werfen zudem besonders mächtige »Relikte« und Rüstungssets ab. Selbst Geralts Pferd lässt such aufrüsten, etwa mit einem Sattel, der seine Galopp-Ausdauer erhöht. Übrigens: Waffen und Kleider nutzen sich ab und wollen regelmäßig repariert werden, zerfallen aber unserem Empfinden nach zu schnell. Das kann nerven.

Mit einem selbstgebrauten Katzentrank sehen wir auch in der Dunkelheit und brutzeln diesem Brüllaffen einen gezielten Feuerstrahl ins Gesicht. Mit einem selbstgebrauten Katzentrank sehen wir auch in der Dunkelheit und brutzeln diesem Brüllaffen einen gezielten Feuerstrahl ins Gesicht.

Außerdem erbeuten wir Handwerks-Blaupausen für Klingen und Klamotten, die wir von Schmieden herstellen lassen können - die entsprechenden Zutaten vorausgesetzt. Die klauben wir entweder auch aus Schatztruhen, oder wir basteln sie selbst, indem wir eingesammelten Plunder zerlegen lassen. Aus einem silbernen Kerzenhalter wird so ein Brocken Silbererz, mehrere davon können wir zu einem Silberbarren umschmelzen, der für Schwerter gebraucht wird.

So gibt's allerlei mögliche Kombinationen, aus einer zerlegten Puppe etwa gewinnen wir Garn, das sich zu Leinen spinnen lässt; aus normalem Leder und erbeuteten Chitinpanzern können wir Draconidenleder herstellen. Beides brauchen wir für Rüstungen. Das Zerlegen und Kombinieren findet allerdings in der Art Menüs statt, für die das Wort »fummelig« erfunden wurde. Während sich das eigentliche Spiel und die Kämpfe mit dem Gamepad hervorragend steuern, sind nämlich vor allem die Handwerksbildschirme überaus krampfig, für jede Aktion brauchen wir ein Menü zu viel, zumal wir nie auf einen Blick sehen, was sich denn nun genau zu welchen Zutaten zerlegen und was wir wiederum daraus herstellen können. Also scrollen und blättern wir ständig hin und her - das ginge übersichtlicher. Und da ist es auch egal, ob wir die Menüs mit der Maus oder der Tastatur bedienen.

Crafting Aus Handwerkszutaten lassen wir uns Schwerter und Rüstungen schmieden, die Blaupausen dafür erbeuten wir in der Spielwelt.

Zerlegen Bei Schmieden können wir Gegenstände zerlegen, um Handwerksmaterial zu bekommen.

Reparatur Ausrüstung verliert – für unseren Geschmack etwas zu schnell – an Haltbarkeit und muss dann repariert werden.

Dennoch motiviert das Crafting natürlich, wir freuen uns immer, wenn wir ein besonders schönes Schwert oder eine besonders dicke Rüstung schmieden können. Noch dazu darf der Hexer Tränke brauen, Schwertöle (erhöhen den Schaden gegen bestimmte Gegnertypen) herstellen und Bomben basteln. Während wir Sprengkörper und Öle vor allem für Feinde in der Hinterhand behalten, die dagegen empfindlich sind, setzen wir Elixiere regelmäßig ein, etwa um unsere Lebensregeneration oder unseren Angriffsschaden kurzfristig zu erhöhen.

Das geht zudem einfacher als früher, statt nur beim Meditieren vor dem Kampf dürfen wir die Wässerchen nun auch jederzeit mitten im Getümmel schlucken. Dabei füllt sich allmählich ein Vergiftungsbalken, wenn er voll ist, ist auch Geralt voll und kann eine Weile lang keine weiteren Tränke mehr zu sich nehmen. Für einmal gebraute Balsame müssen wir zudem nie wieder Zutaten sammeln, unsere Vorräte werden automatisch aufgefüllt, wenn wir meditieren.

An »Orten der Macht« kann Geralt meditieren, um seine Zauberzeichen zu stärken. Hier geht links gerade die Sonne auf, während rechts ein Gewitter heraufzieht. An »Orten der Macht« kann Geralt meditieren, um seine Zauberzeichen zu stärken. Hier geht links gerade die Sonne auf, während rechts ein Gewitter heraufzieht.

Dieses Nachtanken kostet pro Trankportion lediglich ein Fläschchen Alkohollösung, das wir erbeuten oder bei Händlern kaufen können. Die Anzahl an Tränken, die in unseren Vorrat passen, können wir steigern, indem wir uns auf Alchemie spezialisieren. Wirklich notwendig erschien uns das im Test aber nie. Wenn uns die Heiltränke ausgingen, spachtelten wir einfach Lebensmittel. Die stellen nämlich ebenfalls Gesundheit wieder her.

Der Engel im Detail

Was also bleibt unterm Strich von The Witcher 3? Vor allem Erinnerungen. An schöne Geschichten, eine einladende Welt, Ritte in den Sonnenuntergang, Bootsfahrten über die stürmische Skellige-See. Und natürlich an unsere Entscheidungen, an deren Folgen wir teils schwer zu schlucken hatten. Vor allem aber bleibt die Erinnerung an eine fast schon absurde Liebe zum Detail.

Nur ein Beispiel für die detaillierte Spielwelt: der Wikinger-Festsaal auf Kaer Trolde. Nur ein Beispiel für die detaillierte Spielwelt: der Wikinger-Festsaal auf Kaer Trolde.

Denn CD Projekt hat nicht nur die Spielwelt mit allerlei stimmungsvollem Kleinkram ausstaffiert, sondern beispielsweise auch die Dialoge um nicht zwingend notendige, aber einfach schöne Zeilen bereichert. Ob wir nun mit Geralts Zwergenfreund Zoltan witzeln, Gehässigkeiten mit einem alten Rivalen austauschen oder uns die Geschichte der Elfen erklären lassen - so verleiht man Charakteren Glaubwürdigkeit. Und so verleiht man einem Universum Tiefe, genau wie durch die vielen Bücher, die in der Spielwelt herumliegen und uns mehr über die Hintergründe und Geralts eigene Vorgeschichte verraten.

Liebe zum Detail bedeutet eben Liebe zum Überflüssigen. Nichts davon wäre notwendig. Es wäre auch nicht notwendig, dass Geralts Pferd Plötze automatisch zur Futterstellen und Apfelkisten trottet, sobald wir in einem Dorf abgestiegen sind. Es wäre nicht nötig, dass Geralt beim Satz ins Wasser automatisch eine Kopfsprung-Haltung einnimmt. Es wäre nicht nötig, dass ein Wikinger, den wir in einer optionalen Nebenquest befreien, tote Kameraden kommentiert, an denen wir vorbeikommen.

Auf dem Anwesen der Adelsfamilie Vegelbud wird Lavendel für die Parfumherstellung geerntet. Auf dem Anwesen der Adelsfamilie Vegelbud wird Lavendel für die Parfumherstellung geerntet.

Es gäbe unzählige weitere Beispiele für solche Details, machen wir's kurz: Selbst wenn The Witcher 3 nicht immer ganz rund läuft, selbst wenn es Bugs und seine Macken hat, spürt man überdeutlich, dass hier Liebe drinsteckt. Das ist (leider) keine Selbstverständlichkeit und für uns eine der großen Stärken des Spiels. Abgesehen von den schematischen Nebenbeschäftigungen wie Barschlägereien wirkt hier nichts generisch, nichts lieblos, nichts hingerotzt. Ein größeres Lob fällt uns nicht mehr ein. Und das war nicht mal ein Spoiler.

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