Schieß! Prügel!
Beim rundenbasierten Kampfsystem sind wir zwiegespalten: Auf der einen Seite fährt Underrail ein gutes Arsenal unterschiedlichster Waffen auf, vom Gordon-Freeman-Gedächtnis-Stemmeisen über Pistolen, MPs, Minen, Granaten, Armbrüste, Sturm- und Scharfschützengewehre bis hin zu Strahlen- und Chemiewaffen. Gerne mit Spezialmunition, die Gegner etwa zusätzlich vergiftet oder lähmt.
Dazu kommen Psi-Angriffe, mit denen wir etwa per Telekineseschlag Schaden austeilen oder einen Schutzschild um uns errichten, später sogar gefrorene Kugeln umherschleudern, die granatenmäßig zerplatzen, Eisplitter umhersirren lassen und getroffene Gegner zusätzlich schockfrosten, sodass ihre Aktionspunkte kurzzeitig drastisch purzeln. Das sieht zwar wegen der technisch veralteten Grafik nicht sonderlich spektakulär aus, macht aber ordentlich Spaß.
Trotz des dicken Arsenals ist Munition immer wieder mal knapp. Wir müssen also wirklich gut überlegen, ob wir zum Vorschlaghammer greifen, eine Psi-Attacke fahren, oder doch lieber einen sicheren, aber teuren MP-Feuerstoß abgegeben. Auch gut: Gegner haben unterschiedliche Taktiken und Schwachpunkte.
Rattenhunde greifen zum Beispiel im Pulk an, haben aber Schiss vor Feuer - da hilft eine wohlgeworfene Leuchtfackel. Psi-Käfer fügen wiederum mit ihren »Neuronalen Überladung« mächtig Schaden zu, meiden aber den Nahkampf. Wenn wir sie in die Enge treiben, sind sie leichte Opfer.
Apropos Enge: Oft können wir die Umgebung nutzen. In einem engen Gang kann ein Rudel Kampfwarzenschweine nur einzeln angreifen, oder wir ziehen uns hinter einen Schutzgitter zurück, schließen die Tür und ballern durch den Maschendrahtzaun. Viecher lassen sich auch gern mal zu unseren verbündeten Wachleuten oder Auto-Cannons ziehen. Nach so einem unfairen Gefecht haben wir zwar weniger Erfahrungspunkte, aber mehr Hitpoints und Munition übrig.
Bei all der Taktik ist die reine Kampfmechanik allerdings arg schnarchig: Wir verbraten Aktionspunkte für laufen, angreifen, nachladen und so weiter, können aber weder in die Hocke gehen noch uns hinwerfen oder Aktionspunkte in genaueres Zielen investieren. Stattdessen bleiben wir stur aufrecht und greifen mit der gleichen angezeigten Trefferwahrscheinlichkeit an, abhängig unter anderem von Waffe, Entfernung und unserem jeweiligen Charakterwerten wie Geschicklichkeit, Auffassungsgabe und Schusswaffen-Skill.
Auch das Fallout-typische Anvisieren verschiedener Körperteile gibt's nicht - ein Treffer ist ein Treffer ist ein Treffer. Wegen der isometrischen, nicht drehbaren Perspektive sind Gegner übrigens oft von Wänden oder Kistenstapeln verdeckt, immerhin können wir per Tab-Taste ihre Bezeichnung einblenden und quasi darauf zielen.
Löt it yourself
Das sehr freie, klassenlose Charaktersystem lehnt sich stark an Fallouts »S.P.E.C.I.A.L.«-Vorlage und die späteren Dungeons-and-Dragons-Editionen an. Dadurch erlaubt es vorbildlich viele Spezialisierungsmöglichkeiten, vom schleichenden Superhackertaschendieb bis zum tumben Ballermann. Obendrauf kommt ein Craftingsystem, mit dem wir aus gefundenen, erbeuteten oder gekauften Einzelteilen eine Vielzahl an Waffen, Rüstungen, Doping-Cocktails oder die wichtigen Heilspritzen basteln.
Obwohl wir für all die Möglichkeiten schon fast eine Vierer-Party bräuchten, denn viele Fähigkeiten müssen wir leider links liegen lassen, weil die Skillpunkte bei weitem nicht für alle reichen.
Dadurch entsteht eine angenehme Qual der Wahl, denn auch Hacken, Schlösserknacken und Fallenentschärfen stehen oft zwischen uns und gut geschützter Beute. Und wer denkt, dass »Werfen« keine wichtige Fähigkeit sei, weil man eher selten Granaten und Wurfmesser schmeißt, wird schon bei einer frühen Quest wahnsinnig: Da müssen wir mit einem Fangnetz drei umherhuschende Tunnelhüpfer fangen und in Transportkäfige bugsieren. Tja... und weil auch wir unseren Werfenskill sozusagen auf »Kleines rechtshändiges Mädchen schmeißt mit links«-Niveau gelassen haben, hat uns die Quest über 20 Minuten und eine halbe Tastatur gekostet. Erschossen hätten wir die flinken Viecher vermutlich in drei Sekunden. Aber wie gesagt: Underrail ist halt kein Casual-Shooter...
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