Als Innenminister Horst Seehofer nach dem Anschlag von Halle ankündigte, die »Gamerszene« stärker unter Beobachtung nehmen zu wollen, ließ die Empörung nicht lange auf sich warten. Politiker so gut wie aller großen Parteien - inklusive Seehofers CSU - nahmen »die Gamer« in Schutz und kritisierten den »eSport-Minister« in teils scharfem Ton. Der kurze, aber extrem heftige Alarm sorgte dafür, dass die Diskussion schnell wieder eingefangen wurde. Beleidigt grollte Seehofer, er sei missverstanden worden. Na ja.
Reagiert hat auch der Bundesverband der Verband des Deutschen Games-Branche e. V. mit Sitz in Berlin, kurz »Game«. Der Verband warf dem Innenminister »Unkenntnis« und »Hilflosigkeit« vor. Überschrift der Pressemitteilung: »Game-Verband kritisiert Generalverdacht gegen Games-Community«
Als Außenstehender hätte man also glauben können, der Game-Verband spricht hier für die »Games-Community«, also für die Computerspieler. Tatsächlich handelt es sich beim Game um einen Lobby-Verband, der in allererster Linie die Interessen seiner über 300 Mitgliedsfirmen vertritt - vom Ein-Mann-Startup bis hin zu Multi-Milliarden-Umsatz-Unternehmen wie Activision, Nintendo oder Ubisoft.
Der Game veranstaltet die Gamescom, betreibt die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) und ist Co-Ausrichter des Deutschen Computerspielpreises. Kurzum: Ohne den Game geht in der Videospielrepublik Deutschland ungefähr gar nix.
Lobbyisten und andere Geschmacksverstärker
Wie viele andere Lobby-Verbände unterhält auch der Game beste Drähte in die Politik, bis hinein ins Kanzleramt. Der Game hat jahrelang bei Ministern, Parteien, Behörden und Abgeordneten um Subventionen in Millionen-Höhe für deutsche Spiele-Entwickler geworben - letztlich mit Erfolg. Gleichzeitig sorgt der Game dafür, dass vermeintliches Unheil von Publishern abgehalten wird. Motto: Bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen.
Der Game macht also nichts anderes als etwa der Verband der Automobil-Industrie (VDA), der FÜR Abwrackprämien und E-Auto-Zuschüsse und GEGEN Tempolimits, Innenstadt-Fahrverbote und niedrigere Feinstaub-Grenzwerte zu Felde zieht. Oder die Zigaretten-Lobby, die seit Jahrzehnten dafür kämpft, Tabak-Werbeverbote zu verhindern.
Die Autorin
Petra Fröhlich (45) war über 22 Jahre durchgehend Bestandteil der Redaktion von PC Games - von 2000 bis 2014 im Amt der Chefredakteurin. Im Juli 2016 startete sie das Nachrichtenmagazin GamesWirtschaft.de, inzwischen eines der führenden deutschsprachigen B2B-Angebote mit Schwerpunkt Computerspiele. Für GameStar Plus schreibt sie in ihrer Kolumnenserie #entwicklungsland regelmäßig über Wohl und Wehe der deutschen und internationalen Spielebranche.
Um ihre Botschaften an den Mann oder die Frau zu bringen, bauen große Verbände regelmäßig Infostände in den Fluren von Parteitagen auf: der Verband der Privaten Krankenkassen, der Deutsche Hanfverband, die Zucker-Industrie, die deutsche Spielautomaten-Industrie.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.